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Vorstellung und ausgewählte Sorten im Test: Flying Roasters

| Marc Heiland | Kaffeewelten
FlyingRoasters1Die bundesrepublikanische Hauptstadt ist nicht nur für ihr Flair, ihre kulturelle Vielfalt und ihre „Typen“ bekannt. Auch die Kaffeeszene erfreut sich seit vielen Jahren einer stetig wachsenden Fangemeinde. Neben alteingesessenen Röstereien, gibt es viele ambitionierte junge Unternehmen, die in den Markt drängen. Neben kleinen Einzelkämpfern, gibt es auch größere Unternehmen, die ein weit verzweigtes und weltumspannendes Netzwerk im Rücken haben, um ihren Kunden den bestmöglichen Kaffee anbieten zu können. Zu diesen „Kollektiven“ gehören die „Flying Roasters“, die in Berlin-Wedding ansässig sind. Sie gehören zu den so genannten „Roasters United“, einem Netzwerk aus europäischen Röstereien. Bei diesen großen Netzwerken sind wir natürlich gespannt auf das, was dahinter steckt und selbstverständlich den Kaffee bzw. Espresso. Daher war es uns eine Freude, als ein Testpäckchen mit ausgewählten Sorten in unserer Redaktion eintrudelte. Hier nun unser Bericht über die Flying Roasters und ihren Kaffee. 
 
In Zeiten der Globalisierung werden faire Bezahlungen und Nachhaltigkeit immer wichtiger. Dies erkennen auch immer mehr Kaffeeröstereien und stellen ihr Denken und Handeln unter das Motto der „Third Wave Coffee“-Bewegung „Kaffeegenuss mit Nachhaltigkeit“. In der Praxis heißt das, dass die Flying Roasters ihren Kaffee im direkten Handel über die bekannten Direct-Trade-Röstereien: „Roasters United“, „union coop“ und „ El Rojito“ beziehen und teure Kaffeehändler und die Kaffeebörse außen vor lassen. So bleibt mehr Geld bei den Kaffeefarmern und damit auch bei den Kaffeebauern. Damit das Ganze auch transparent bleibt, wird im Blog regelmäßig Auskunft gegeben über die Herkunft des Kaffees, den sie häufig vor Ort selbst auswählen, den Anbau und die Verarbeitung. Wichtig ist auch, dass der Rohkaffee umweltverträglich, also ohne Nutzung von Pestiziden, angebaut wird und die Qualität der Bohnen sich auf höchstem Niveau befindet. Um den Farmern zusätzliche Anreize zu bieten, wird die Ernte bis zu 100% vorfinanziert und ein Preis weit über dem Fairtrade-Preis gezahlt. Die Flying Roasters arbeiten dabei ausschließlich mit Kooperativen, um eine möglichst breite Masse unterstützen zu können. Last but not least sind (mit einer einzigen Ausnahme) sämtliche Kaffees nicht nur ökologisch angebaut, sondern auch u.a. mit dem BIO-Zertifikat versehen. 
 
Ausgewählte Sorten in der Vorstellung und im Geschmackstest
 
Für unseren Test hat die Kaffeerösterei Flying Roasters freundlicherweise sechs ausgewählte Sorten zur Verfügung gestellt. Dieses sind die Espressi „Nightingale“, „Fire Finch“ und „Blackcap“ und „Jocotoco“ sowie die Filterkaffee-Sorten „Funky“ und „Pintail“ .
 
Alle Sorten kommen in einer optisch schlichten Verpackung mit Vakuumventil und Zip-Verschluss daher. Auf jeder Verpackung sieht man den zum Namen passenden Vogel der Flying Roasters, Angaben zum Röstgrad, eine Zusammensetzung der Kaffeesorten bei den Blends, die Aufbereitungsart sowie die Internetadresse. Auf der Rückseite gibt es Infos zum Tassenprofil, grobe Angaben zum Bezug (Kooperative), Angaben, dass man jährlich einen Transparenzbericht veröffentlicht (den man jederzeit online einsehen kann oder über den Newsletter zugeschickt bekommt) und – last but  not least – das Röstdatum sowie das MHD. Weitere Infos finden sich dann auf der Homepage. 
 
Bei den Beschreibungen der Kaffees und Espressi haben wir uns der Texte auf der Homepage von Flying Roasters bedient und diese kenntlich gemacht. Die Geschmackseindrücke stammen von uns.
 
Zubereitung
Gemahlen haben wir die Sorten – wie immer – mit unserer Commandante C40 MK3 Nitro Blade und der Baratza Sette 270W für die Espressi. Zubereitet haben wir die Sorten im Hario V60 Handfilter, in der French Presse, dem Siebträger, im Kaffeevollautomaten, in der SoftBrew-Kanne, im Cafflano für unterwegs, in der Madame Solo, der Chemex und in der AeroPress.
 
Geschmackstest
 
Der Funky
Bei unserem ersten Testkandidat, dem „Funky“, handelt es sich um einen Single Origin Kaffee in einer mittleren Röstung. Die Arabica-Bohnen werden in einer Höhe von 1600 – 2000m in Jaén, Cajamarca in Peru angebaut. Die Aufbereitung ist „washed“. Die Bohnen stammen von der Kooperative Cenfrocafe. „Die Kooperative Cenfrocafe wurde 2005 gegründet und befindet sich im Norden Perus, nicht weit entfernt von der ecuadorianischen Grenze. Mit Unterstützung befreundeter Kooperativen war es das Ziel in dieser unwegsamen Region, rund um die Stadt Jaén, eine Basis für die vielen kleinen KaffeeproduzentInnen zu bieten. Mittlerweile hat die Kooperative 2.500 Mitglieder.“
 
Das Tassenprofil wird beschrieben mit einem „Hauch von Trockenfrüchten und Macadamia-Nuss, kombiniert mit ganz viel Karamell und Kakao.“ 
 
Unser Eindruck: Der Kaffee kommt ein wenig schwach auf der Brust daher. Wer kräftige Filterkaffees mag, dem wird dieser Kaffee nicht so sehr munden. Geschmacklich ist er dennoch gelungen. Die fruchtigen Noten passen jetzt sehr gut in den Frühling auf der Veranda oder im Garten. Im Abgang bleibt der Kaffee recht lange im Mundraum stehen. Anstelle von Peru hätte ich bei einer Blindverkostung schon eher auf Äthiopien oder andere afrikanischen Länder getippt. Aber das macht es ja aus...
 
FlyingRoasters2Der Pintail
Beim zweiten Kaffee handelt es sich um einen Arabica aus Kolumbien, genauer gesagt dem Departamento de Cauca von der Kooperative Fondo Paez. Dort wird der Kaffee in einer Höhe von 1300 – 1900m angebaut und „washed“ aufbereitet. Über die Kooperative erfahren wir, dass sie im Jahr 1992 gegründet wurde. „Die Paez, die sich selbst auch Nasa, oder "das Volk" nennen, ist die größte indigene Gruppe Kolumbiens. Fondo Paez wurde mit dem Ziel gegründet indigene Kultur und traditionelles landwirtschaftliches Wissen nach vielen Jahren der Unterdrückung wieder zu beleben und zu erhalten. 
Haupteinkommensquelle in dieser Region ist nach wie vor der Kaffee. Fondo Paez gründete deswegen eine Reihe lokaler Kaffee-Kooperativen, um dauerhafte Einkommen für ihre Mitglieder zu sichern. Ihre Organisationsstrukturen wurden stabiler und im Jahr 2000 konnten Sie mit der Vermarktung von Kaffee durch das Spezialitätenkaffee-Programm des kolumbianischen Kaffeeverbandes beginnen. Heute ist Fondo Paez eine Konstante im fairen Handel und für demokratische Strukturen vor Ort. Die Qualitätskontrolle der Kooperative ist eine Kunst für sich und folgt einem genauen Plan: Jedes Mitglied wird vor der Ernte besucht und es werden Hinweise zum Umgang mit den Pflanzen, der Ernte und Verarbeitung gegeben.  Die Mitglieder von Fondo Paez haben eine eigene Vision nachhaltigen Lebens für ihre Gemeinschaften entwickelt. Die Vision ist an sich schon bemerkenswert, ganz besonders aber im Kontext von Globalisierung, der Unterdrückung indigener Gemeinschaften und im Zusammenhang der kolumbianischen politischen Entwicklung.“
 
Unser Eindruck: Für mich ist das der bessere der beiden Kaffees. Feiner in der Komposition, mit fruchtig-floralen Obertönen, einer feinen Textur und einem schönen Körper, weiß der Kolumbianer zu überzeugen.
 
Der Blackcap
Beim ersten Espresso unserer Testrunde handelt es sich um einen Arabica-Blend aus Peru, Guatemala und Indonesien (Sumatra). Die Bohnen stammen aus den  Kooperativen Cenfrocafe, Amnsi und Permata Gayo. 
 
Über die Kooperative Amnsi gibt es folgende Infos: „Nach dem Ende des über 30 Jahre andauernden Bürgerkrieges in Guatemala entschied sich eine aus Santiago Attitlán stammende Gruppe von Ex-Guerilleros für einen Neuanfang mit einer gemeinsamen Kooperative. Damit sollten die Ideale, für die sie einst gekämpft hatten, in einem zivilen Leben weitergeführt werden. Die Organisation, die sie dafür gründeten nannten sie AMNSI – „Asociación Maya Nuevo Sembrador Integral“. Dies bedeutet in etwa: „Vereinigung der neuen organisch arbeitenden Maya-Landwirte“. Nach intensiver Diskussion entschied sich die Kooperative schließlich, sich dem Anbau von Kaffee zu widmen, denn der Atitlán-See ist eine der besten Kaffeeanbauregionen in Zentralamerika.“
 
Zu Permata Gayo: „Die Geschichte von Permata Gayo im Norden Sumatras begann im Jahr 2006 mitten in der Zeit nach dem Tsunami 2004 und nach dem Friedensabkommen von Helsinki 2005 zwischen der Regierung Indonesiens und der Bewegung „Freies Aceh“ (Provinz Aceh). Die Kooperative begann als eine Gruppe von 50 Gründungsmitgliedern und hat heute etwa 2000 Mitglieder in 36 verschiedenen Dörfern, die sich in der Region Bener Meriah befinden. Permata Gayo ist eine der wenigen Kooperativen in Sumatra, die konsequent demokratische Entscheidungsstrukturen anstreben und gegen Korruption vorgehen.“
 
Unser Eindruck: Ein toller, sehr facettenreicher Espresso, der einen sehr schokoladigen, kräftigen und vollen Geschmack bietet, eine tolle Crema und im Abgang sehr gerade aus und lang anhaltend ist. Die beerigen Obertöne wissen ebenso zu gefallen. Röstaromen halten sich dezent im Hintergrund auf. Kein Wachmacher, aber sehr schön nach dem Essen oder zum Genießen für zwischendurch.
 
Der Jocotoco
Mit dem Kauf dieses Espressos unterstützt ihr aktiv den Tierschutz. Hierzu schreibt  Flying Roasters “Erst Ende der 90er Jahre wurde der Jocotoco im Süden Ecuadors entdeckt. Dieser vom Aussterben bedrohte Vogel lebt nur in einer ganz bestimmten Region im Nebelwald, auf einer Fläche, die gerade mal so groß ist wie Berlin. Die Artenvielfalt in Ecuador ist stark bedroht, denn das Land weist die höchste Abholzungsrate in Südamerika auf. Im Westen des Landes verschwanden Wälder innerhalb der letzten 70 Jahre fast vollständig und mit ihnen die erstaunliche Vielfalt von Tieren und Pflanzen.
 
Auch der Lebensraum des Jocotoco ganz im Süden des Landes ist in Gefahr. In dieser Region befindet sich die Kooperative Apecap, von der wir seit vielen Jahren den Rohkaffee beziehen. Beim letzten jährlichen Besuch sind wir dem Jocotoco begegnet und es entstand sofort die Idee den Schutz dieses Vogels zu fördern.
 
Gemeinsam mit der Jocotoco Stiftung sollen nun verbleibende Lebensräume geschützt werden. Pro Kilogramm verkauften Kaffees zahlen wir 2 € für die Ausweitung der Naturreservate in Ecuador. Dieser Betrag wird von Rainforest Trust, dem Partner der Jocotoco Stiftung, verdoppelt, so dass die Stiftung 4 € pro Kilogramm Kaffee für den Schutz der Artenvielfalt in Ecuador einsetzen kann.
 
Die Jocotoco Stiftung verfügt über 160 km² Fläche, die auf elf verschiedene Reservate verteilt sind. Mit den verdoppelten Geldern sollen weitere Gebiete geschützt und wiederaufgeforstet werden. Aufgrund von intensiven Schutzmaßnahmen hat die Jocotoco Stiftung verschiedene Tier- und Pflanzenarten vor dem Aussterben gerettet. Viele Orchideen-, Frosch- und einige Vogelarten kommen nur in den Reservaten vor. So auch der namensgebende Vogel, die Jocotoco Ameisenpitta und der Tapichalaca Frosch, der ebenfalls nur in demselben winzigen Nebelwald vorkommt. Um die natürlichen Ökosysteme wiederherzustellen, hat die Jocotoco Stiftung mehr als 1 Million einheimischer Bäume gepflanzt. Diese Aufforstungen verbessern die Lebensbedingungen in den umliegenden Gemeinden, indem der Landbevölkerung mehr und saubereres Wasser zur Verfügung steht. Aufgrund der positiven Effekte der Aufforstungen arbeitet die Jocotoco Stiftung inzwischen weit über die Grenzen der eigenen Reservate hinaus. So werden Bäume auf Kaffeeplantagen und entlang von Flüssen gepflanzt, um Lebensräume wieder zu erschaffen und miteinander zu vernetzen.”
 
Unser Eindruck: Natürlich schätzen wir das Engagement der Flying Roasters. Doch auch dieser Espresso muss sich natürlich dem kritischen Test stellen. Der Espresso besticht bereits beim Mahlen durch seine tollen Anklänge von Zartbitterschokolade. Während des Aufbrühens machen sich die angekündigten Orangennoten breit. Hier ist zu empfehlen, den Espresso einen Moment stehen zu lassen, damit sich die Aromen voll entfalten können. Dank der geringen Säure ist der Espresso wunderbare harmonisch. Er bildet ebenfalls eine tolle Crema aus und ist klar im Abgang. Nicht zu stark, aber auch nicht zu schwach. 
 
Der Nightingale
Der nächste Espresso im Bunde ist die Nachtigall. Hier haben wir einen Blend aus 75% Arabica und 25% Robusta, der sich wie folgt zusammensetzt: 50 % Honduras, Kooperative COMSA, Arabica natural, 25 % Guatemala, Kooperative Amnsi, Arabica washed und 25 % Ecuador, Kooperative Rukullakta, Robusta washed
 
Unser Eindruck: Nussschokolade, Nussschokolade und nochmal Nussschokolade. Mehr geht kaum. Der Espresso liegt sehr angenehm auf der Zunge, bleibt lange im Mund stehen und ist rund im Abgang. Dazu bildet er eine tolle Crema, was man dem Robusta-Anteil zuschreiben kann. In den Obertönen leicht erdig und rauchig, weiß er zu überzeugen. 
 
Der Firefinch
Unser letzter Testkandidat ist der Firefinch. Der Single Origin Espresso wurde hell geröstet, was für einen Espresso eher ungewöhnlich, für das Geschmackserlebnis aber absolut zuträglich ist. Der Rohkaffee des Fire Finch entstammt der Kooperative Taramesa aus Äthiopien. Dort wird er in einer Höhe von 1800 – 1900m im District of Shebedino, Sidama angebaut.
 
Zur Kooperative erfahren wir: “Die Kooperative befindet sich in der Region Sidama, rund 300 km südlich der Hauptstadt Addis Abeba. Sie ist mit 2.330 Personen sehr mitgliederstark, jedoch bewirtschaftet eine Person durchschnittlich nur eine Fläche von 0,5 Hektar. Im Jahr 2014 hat die Kooperative drei Container Rohkaffee produziert und im Jahr 2015 bereits sechs. Die ProduzentInnen erhalten aktuell 12 Äthiopische Birr für ein Pfund roter Kaffeekirschen, im Jahr 2008 waren es 4 Birr. Die Kooperative ist Teil des Verbunds SCFCU (Sidama Coffee Farmers Cooperative Union) – kurz Sidama Union. Da in Äthiopien der Kaffeehandel sehr verstaatlicht ist, ist es für uns nur möglich mittels der Sidama Union Verträge mit den Kooperativen abzuschließen. Die Sidama Union zeichnet sich dadurch aus, dass sie sehr transparent arbeitet und die Kooperativen technisch und finanziell unterstützt.”
 
Unser Eindruck: Bei diesem Espresso fällt einem ein Schlagwort ein “Fruchcocktail”. Wie es sich für einen hervorragenden Kaffee aus Äthiopien gehört, gibt es ein facettenreiches, komplexes Aroma mit einem “bunten Mix” durch den Obstgarten. Tropisch-fruchtig mit einer schönen Süße. Die floralen Obertöne erinnern ein wenig an die "Geisha”-Varietät. Allerdings dominieren die Obstaromen hier mehr, was mir persönlich besser gefällt. Wer mag, kann den Espresso auch als Filterkaffee probieren, da er sich hierzu gut anbietet und auch nicht so stark nach vorne geht. Espresso typische Röstaromen sind nicht vorhanden. 
 
Fazit: Geschmacklich bieten die „Flying Roasters“ facettenreiche und interessante Kaffeesorten und Espressi, die weitestgehend überzeugen können. In Sachen Nachhaltigkeit, Transparenz und Fairness sind sie absolut am Puls der Zeit und auch die Qualität der Produkte ist rundum stimmig. Was will man als Kaffee-Fan mehr? 
 
Die inn-joy Redaktion vergibt 9 von 10 Punkten.
 
Zusammensetzung der Gesamtbewertung:
 
Qualität: 9 von 10 Punkten
 
9Fairness und Nachhaltigkeit: 10 von 10 Punkten
 
Geschmack: 9 von 10 Punkten
 
Transparenz: 9 von 10 Punkten
 
Die inn-joy Redaktion bedankt sich bei den „Flying Roasters“ für die zur Verfügung gestellten Testexemplare.
 
D. Stappen

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