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Weitere Sorten im Test: Erste Tegernseer Kaffeerösterei

| Marc Heiland | Kaffeewelten

TegernseerElGiganteIn den vergangenen 1,5 Jahren haben wir viele Filterkaffee-Sorten und Espressi der „Ersten Tegernseer Kaffeerösterei“ von Mario Felix Liebold für euch getestet. Aufmerksamen Lesern und Veteranen unserer Rubrik „Kaffeewelten“ dürfte natürlich inzwischen hinlänglich bekannt sein, dass die Kaffees, die Mario Felix in seinem „Café Felix“ und online anbietet, zu den besten Deutschlands gehören. Dies hat auch vor einigen Wochen erst die Fachzeitschrift „Falstaff“ bestätigt, in der die „Erste Tegernseer Kaffeerösterei“ zur besten Bayerns gekürt wurde. Grund genug für uns, noch einmal bei Mario Felix Liebold nachzufragen und die von uns noch nicht vorgestellten Sorten euch zu präsentieren. Wie uns diese Kaffees und Espressi gemundet haben, erfahrt ihr im Folgenden.

Ein bunter Mix aus aller Welt

Für unseren Test hat uns Mario Felix aus seiner „MFL“-Collection einen Filterkaffee aus Honduras von der Finca „San Pablo“, einen weiteren Filterkaffee aus Nicaragua von den Fincas „Limoncello“ und „Las Delicias“, aus der „etk“-Collection einen Filterkaffee aus Guatemala von der Finca „El Gigante“ und aus Brasilien von der Fazenda „Cachoeira da Grama“ sowie einen Espresso mit Namen „Indien Royal“, einem Blend aus mehreren Ländern, zur Verfügung gestellt. Alle Sorten haben wir mit der Baratza Sette 270Wi gemahlen und in verschiedenen Methoden aufgebrüht. Dabei fiel auf, dass das Röstbild wieder einmal sehr homogen bei den Sorten ist und nur äußerst wenige Defekte aufweist. Dies zeugt ebenfalls von einer Spitzenqualität. Bei der Beschreibung der einzelnen Sorten haben wir auf die Texte der Homepage von Mario Felix Liebold zurückgegriffen. Die Geschmackseindrücke stammen von uns.

 

Honduras Finca „San Pablo“, Lempira, dried natural

„Die Geschichte der Hacienda San Pablo beginnt bereits Anfang des 20. Jahrhunderts: Der libanesische Einwanderer Pablo Melghem kaufte Land des deutschen Einwanderers Rossner und erbaute 1915 die Hacienda San Pablo – benannt nach ihrem Besitzer.

Bereits mit seit seiner Ankunft begann der christliche Araber Melghem mit dem Anbau von Kaffee. Jedoch war dies nicht sein Hauptinteresse: Da die Region einen hohen Bedarf an süßem braunen Zucker hatte, konzentrierte er sich auf den Anbau von Zuckerrohr. Nach dem Tod von Pablo Melghem erbte seine Frau Doña Petrona Bonilla de Melghem den Hof und übertrug ihn an ihren Sohn Rolando Melghem. Er hatte bereits auf verschiedenen Kaffeefarmen in El Salvador gearbeitet und viel über die Kaffeeproduktion gelernt. Seine Erfahrungen und die neue Form der Betriebsführung und Aufbereitung zeigte sich in der hohen Qualität des Kaffees: Rolando wurde schnell in der Region Marcala für seine herausragende Bourbon Varietät bekannt. Bis weit über den Tod von Rolando Melghem hinaus, wurde diese Sorten auf der Hacienda San Pablo angebaut – erst nach dem vollständigen Befall mit Kaffeeblattrost („roya“) verschwanden sie im Jahr 2012 fast vollständig.

 

Die Finca San Pablo wird heute in der dritten Generation von Montgomery Melghem geführt und Stück für Stück mit neuen Verarbeitungsverfahren verbessert. Als Verantwortlicher und Eigentümer der Hacienda San Pablo bewahrt er das Erbe des einzigartigen Kaffees der Farm – und fördert gleichzeitig die Diversifizierung und Nachhaltigkeit. Neben dem Kaffeeanbau ist die Farm aufgrund ihres ursprünglichen Stils ein sehr beliebtes Touristenziel.

 

EINZIGARTIGE SPEZIALITÄTENKAFFEES

Die Hacienda San Pablo befindet sich zwischen Pinien in einer bemerkenswerten Landschaft mitten in der Pufferzone eines Regenwaldreservats. Das Klima ist angenehm und kühl. Der Wald hat viele Eichen, Kaugummibäume und Kiefern. Es gibt eine Vielzahl von Wildtieren wie Tieflandpacas, Rehe, Aguti, Pumas und viele Vogelarten.

Auf der Hacienda San Pablo werden alle Kaffees in einem biologischen System angebaut. Dabei kommen vor allem organische Düngemittel wie z.B. Aufgüsse mit Zitronengras und Ingwer zum Einsatz. Der hohe Grad an Innovation zeichnet sich aus: Bei den letzten Cuppings erzielten Lots der Finca San Pablo sensationelle 90 Punkte.“

Unser Eindruck: Schon beim Aufbrühen macht der Kaffee Lust auf das, was da kommen wird. Die Noten von Zwetschge brauner Zucker sind klar und deutlich in der Nase wahrzunehmen. Die Himbeere versteckt sich hingegen ein wenig und kommt erst während des leichten Abkühlens des Kaffees deutlicher zum Vorschein. Dank der hellen Röstung haben wir es mit einem angenehm leichten und sehr feinen Kaffee zu tun, der ein wunderbar rundes Mundgefühl und einen recht langen klaren Abgang bietet.

 

Espresso Indien Royal

Vor der Industriealisierung dauerte der Transport von indischem Kaffee auf Segelschiffen nach Europa mehrere Monate. In dieser Zeit hat er sich durch die Monsoon-Winde und die feuchte, salzhaltige Luft in seiner Farbe, Form und in seinem Geschmack positiv verändert. Indien “Monsooned Malabar” verschmilzt bei dieser Mischung in der Tasse mit kräftig vollmundigem indischem Robusta aus Magundi vom „Sethuraman“-Estate, der im „honey processing“ Verfahren aufbereitet wurde.

 

Unser Eindruck: Der vorliegende Espresso ist ein Blend, der sich zu 80% aus einem gewaschenen Robusta aus Indien (Monsooned Malabar) und zu 20% aus einem Robusta vom Sethuramam-Estate zusammensetzt. Das kommt dem insgesamt spannenden Bouquet zugute, bei dem man wunderbar die Feinheiten herausschmecken kann. Gerade die dunkle Schokolade als Basis und die Macadamia als Begleitnote sind toll herausgearbeitet. Der Kaffee besitzt kaum Säure und ist nicht allzu würzig, was ihn zu einem guten Begleiter zu jeder Tageszeit macht. Da er einen recht ausgeprägten Körper besitzt, geht er in Milch geschmacklich nicht unter und harmoniert sehr gut als Cappuccino oder Latte Macchiato. Kein Wunder, dass der Espresso auch vom Fachmagazin „Crema“ gewürdigt und Mario Felix dafür zum „Röster des Jahres“ erkoren wurde.

 

Guatemala Finca „El Gigante“, Catuaí, fully washed

„Dort wo Leidenschaft auf harte Arbeit trifft, kann etwas Gigantisches entstehen. So wie auf der außergewöhnlichen Farm „El Gigante“ im Motagua-Tal in Guatemala. Vor mehr als 30 Jahren von Osvaldo Suchini gegründet, bietet die Farm aufgrund der gut definierten Regenperioden und der z.T. erheblichen Temperaturschwankungen am Fuße des „El Gigante“-Bergs beste Voraussetzungen für einzigartige Kaffeespezialitäten.

Wenn man über die Kaffees von „El Gigante“ spricht, muss man zwangsläufig auch über die Philosophie des Gründers Osvaldo Suchini reden. Denn seine Plantage fußt auf vier Grundwerten, welche die hohe Qualität und Einzigartigkeit seiner Kaffees erklären.

 

Exzellenz

„El Gigante“ zählt zu den besten Farmen in Guatemala – und steht für eine außergewöhnliche Qualität. Dies beginnt mit der akribischen Ernte: Jede Kirsche wird dabei einzeln von Hand gepflückt, sorgfältig sortiert und zur „wet mill“ im Zentrum des Anwesens gebracht. Vor dem Aufbereiten durchläuft der Kaffee einen Siphon und ein Sieb, in denen nur die besten Kirschen ausgewählt werden. Nachdem sie 24 Stunden lang fermentiert wurden, werden sie gewaschen und im Halbschatten langsam und sorgfältig getrocknet.

 

Fürsorge & Integrität

Gründer Osvaldo Suchini liegen die Menschen aus der Region besonders am Herzen. Aus diesem Grund stellt er für die Farm ausschließlich lokale Arbeitskräfte an – und legt dabei großen Wert auf Gleichberechtigung. Ein Thema, bei dem in Guatemala noch ein großes Ungleichgewicht herrscht.

 

Nachhaltigkeit

Mehr als 40 Hektar der Farm besteht aus natürlichem, ursprünglichem Wald mit einheimischen Baumarten, unter denen die Kaffeepflanzen im Schatten unter perfekten Bedingungen wachsen können. Die Produktion ist auf allen Ebenen nachhaltig. So wird z.B. bei der nassen Aufbereitung das gleiche Wasser für die verschiedenen Zyklen an einem Tag wiederverwendet.

 

Leidenschaft

Die Farm „El Gigante“ ist für alle Menschen in der Region ein besonderer Ort der Wertschöpfung und Nachhaltigkeit. Aus diesem Grund sind die Mitarbeiter besonders motiviert, die besten Kaffees des Landes zu produzieren. Mit unserem gewaschenen Catuaí ist es ihnen erneut eindrucksvoll gelungen.“

 

Unser Eindruck: Kommen wir nun zum Filterkaffee „El Gigante“, einem zugegebenermaßen beeindruckenden Kaffee, der mit den Noten von Milchschokolade, Melasse und Blutorange bei einem mittleren Körper beschrieben wird. Mit einem Cupping Score von 86 Punkten handelt es sich hierbei um einen auch international „ausgezeichneten“ Kaffee. Geschmacklich ist die Komposition mit einer feinen Fruchtnote und einer etwas „dunkleren“ Basis sowie Anklänge von Zartbitterschokolade etwas gewöhnungsbedürftig und nicht unbedingt im Mainstream angesiedelt. Doch wer sich darauf einlässt, bekommt auch hier im Mund einiges geboten. Er geht nicht allzu kräftig nach vorne, ist aber auch weit entfernt vom sehr Filigranen anderer Kaffees im Portfolio.

 

TegernseerLasDeliciasNicaragua Finca „Limoncillo“ natural

„Die Geschichte dieses einzigartigen Kaffees ist tief mit der Familie Mierisch verbunden, deren Fincas „Mierisch“ auf der ganzen Welt als Vorbild für viele Kaffeefarmer dienen und für international bekannte Spezialitätenkaffees allerhöchster Qualität bekannt sind. (…)

Erwin Mierisch, einer der besten Kaffee-Farmer der Welt, beschreibt seine tägliche Arbeit wie folgt: „Es ist nicht leicht, Jahr für Jahr Kaffee höchster Qualität zu produzieren. Dies passiert nicht zufällig. Und es passiert nicht, weil Du ein Zertifikat hast. Mutter Natur kann uns nur bis zu einem gewissen Punkt helfen – der Rest liegt dann bei uns. Alles beginnt mit einer reifen Kaffee-Kirsche, danach geht es um die Pflege und Sorgfalt während der Verarbeitung. Es braucht viele Jahre Erfahrung mit Versuchen und Misserfolgen, Experimenten mit unterschiedlichen Varietäten und Aufbereitungsmethoden. Niemals vollkommen zufrieden zu sein, zu wissen, dass wir lange noch nicht alles wissen, und sich niemals für den Status quo zu entscheiden und persönliche und finanzielle Verbesserungen vorzunehmen, um das nächste Qualitätslevel zu erreichen. Nach jeder Ernte wissen wir, dass wir wieder etwas verbessern können – und das versuchen wir -immer und immer wieder. Es ist eine demütigende Anstrengung, die man nur meistern kann, indem man sich auf diese eine Kirsche, diesen einen Baum, diesen Sack und diesen einen Tag konzentriert. Dieser Fokus ermöglicht es uns, eine vollständige Lot-Trennung zu erreichen – es gibt uns die Möglichkeit, nach den Juwelen auf dem Cupping-Tisch zu suchen. Diese Arbeit ist nichts für diejenigen, die ungeduldig und schnell frustriert sind. In einigen Fällen dauert es bis zu 4 Jahre, um die Ergebnisse eines Experiments zu verkosten. Die Belohnung dieser Arbeit ist die Vielfalt der einzigartigen Tassen-Qualitäten in den Lots, die wir anbieten. Dies ist es, was die Fincas „Mierisch“ vorantreibt. Wir hoffen, dass Sie unsere Bemühungen genießen.“

Unser Eindruck: Neben dem von uns getesteten Filterkaffee von der Mierisch-Finca „Las Delicias“ (dieses Mal als Javanica, washed) ist der Kaffee der Finca „Limoncello“ mittlerweile ein „altbekannter“. Typisch geprägt von Schwarztee-Noten und dunkler Schokolade, ist auch die neue Ernte ein außergewöhnlicher Kaffee, der vielleicht nicht unbedingt die breite Masse erreichen wird, da er doch eher einen Einschlag ins Tee-Genre geschmacklich unternimmt. Doch auch hier erkennt man die Handschrift der Familie Mierisch ganz eindeutig: Ein facettenreicher, vollmundiger und sehr feiner Kaffee, der harmonisch in der Komposition, weich am Gaumen mit einer gewissen Säure und einem tollen Abgang zu gefallen weiß.

Mit einer gewissen Spritzigkeit kommt seinerseits der Javanica von „Las Delicias“ daher. Hier erkennt man eindeutig die saftig-fruchtigen Noten von Zitrusfrüchten verquickt mit Milchschokolade. Auch dieser (hell geröstete) Kaffee ist nicht unbedingt für den Mainstream ausgelegt, was aber gerade Enthusiasten begeistert.

 

Brasilien Fazenda „Cachoeira da Grama“

Last but not least haben wir einen Kaffee aus Brasilien, genauer gesagt von der Fazenda „Cachoeira da Grama“ im Test gehabt. Mit 107 Jahren, so lässt es uns Mario Felix Liebold wissen, wachsen auf der Plantage einige Kaffeebäume der Varietät Bourbon. „Seit 1890 gehört sie der Familie Carvalho Dias, die hier ihre Kaffees auf einer Höhe von 1.100-1.500 Metern über dem Meeresspiegel in der Region Mogiana im Bundesstaat São Paolo anbaut. Das fruchtbare Gebiet liegt zwischen São Paulo und Minas und ist nach der Eisenbahnstrecke Companhia Mogiana Estrada de Ferro benannt, die bereits 1882 den Kaffee der vielen Plantagen transportierte. Kein Wunder also, dass heute hier einige der ältesten Kaffeefarmen Brasiliens ansässig sind.“

 

Unser Eindruck: Auch der letzte von uns getestete Kaffee ist etwas ganz Besonderes. Im ersten Moment erinnert der Kaffee an Toffifee mit seinen Nussnougat-Anklängen. Nach hinten raus kommt die Marille zum Tragen und bringt einen leicht fruchtigen Begleiter mit. Der Kaffee hat ein Scoring von 85 Punkten und gehört für uns zu unseren Favoriten. Sehr schmackhaft und fein abgestimmt.

 

Fazit: Ein weiser Mann hat einmal gesagt „Es gibt nur zwei Dinge, die nicht nur dein Herz, sondern auch deine Seele wärmen: Die Liebe deiner Familie und guter 9Kaffee“. Dieser Spruch passt auf den Kaffee von Mario Felix Liebold einmal mehr. Denn auch die neuen Kaffeesorten und Espressi wärmen die Seele durch ihre grandiosen Bouquets, ihre facettenreichen Aromen und ihrem tollen Geschmack. Top!

 

Die inn-joy Redaktion vergibt 9 von 10 Punkten.

 

Die inn-joy Redaktion bedankt sich bei Mario Felix Liebold von der Ersten Tegernseer Kaffeerösterei für die zur Verfügung gestellten Testmuster.

 

D. Stappen

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