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Wie ich mir meinen Platz in der Fernsehhölle verdient habe

| Marc Heiland | Romane
TVDie meisten TV-Leute wollten eigentlich zum Film. Dafür waren sie aber nicht gut genug. Das Fernsehen hat also nicht nur die Zuschauer, die es verdient. 'Irgendwas mit Medien!' Das sagen sich ganze Abiturklassen zum Zeugnisempfang. Das zeigt Hoffnung, aber auch Orientierungslosigkeit. Am Set folgt dann schnell die Ernüchterung: Mit frischem Regiediplom in der Tasche wird man erst mal zum Kaffeekochen verdonnert. Man muss sich seine Sporen verdienen, muss leiden, denn Fernsehen ist Krieg. Und am wichtigsten ist: Man muss mutig sein und wollen.
Kai Tilgen arbeitet seit 32 Jahren beim Fernsehen, seit 26 Jahren ist er Regisseur. Bei seinem ersten Job ohne Bezahlung, als Produktionsassistent in München, hat er drei Monate im Auto übernachtet. Fernsehen machen ist eine Leidenschaft mit Glücksversprechen und Enttäuschungsgarantie. Es geht um Teamgeist, Manipulation, Kreativität und Vertrauen. In seinem Buch schildert Kai Tilgen die lustigsten, schlimmsten und absurdesten Momente. Und er lüftet das Geheimnis über 'Bwn'.
 
Rezension: Als ich neulich in der BILD den Artikel zu Kai Tilgens Buch las, dachte ich: Hey, das könnte interessant werden. Endlich wagt sich mal ein Regisseur, also ein aktiv Beteiligter am deutschen TV-Desaster der vergangenen 20 Jahre in die Öffentlichkeit und erklärt uns, warum Formate wie „DSDS“, „Ich bin ein Star, holt mich hier raus“ und die Scripted Reality Formate so einen derartigen Erfolg über viele Jahre, ja eine ganze Generation haben, dass sogar Dissertationen über die TV-Formate und ihre Faszination verfasst werden. So erfahren wir vielleicht, was an Formaten wie „The Biggest Loser“ wirklich echt, und was gestellt ist oder auch, wie die „Stars“ so ticken, um an diversen TV-Trashshows teilzunehmen. Natürlich wurde das Ganze auch – typisch BILD – recht reißerisch aufgemacht, sodass Otto Normalleser sich wohl schon Sorgen und Gedanken ob der Zukunft des Autoren machen könnte.
Doch was Tilgen dann in seinem Buch zu erzählen hat, ist weder spannend, noch interessant oder gar „die Branche erschütternd“. Denn in erster Linie ist es eine Art Biographie mit verschiedenen Anekdoten. Nichts, was man nicht schon im Vorfeld vermutete. So weiß man, dass sich viele Darsteller in den Scripted Reality-Sendungen nicht nur dumm verhalten, sondern es tatsächlich sind, ahnt auch, dass Regisseure und Cutter Karrieren bei Casting Shows erschaffen und zerstören können und weiß, dass Stars des Musikbusiness sich ihren erwarteten Klischees ergeben. Wenn es dann mal interessant wird, anonymisiert Tilgen seine Protagonisten. Hat er hingegen schmeichelhaftes zu sagen, Lob zu verteilen oder beschreibt einen Promi, von dem man es gewohnt ist, so wird dieser auch namentlich benannt. Und wie sich die „Mutter der Nation“ (gemeint ist die verstorbene Inge Meysel), zu ihm herablassend äußerte, interessiert Anno 2018 wohl niemanden mehr. Viele Stellen des Buches habe ich kurz angelesen, andere gleich übersprungen, da sie doch recht langweilig verfasst wurden. Geschmunzelt habe ich hierbei selten.
 
Fazit: Ein Buch, dass recht öde ist, dessen „größte“ Momente vorab im Schnelldurchlauf in der BILD zu lesen waren und dessen Autor kaum neue und schon gar nicht skandalöse Geschichten zu erzählen hat, kann man auch getrost im Händlerregal stehen lassen.
4Titel: Wie ich mir meinen Platz in der Fernsehhölle verdient habe
Autor: Kai Tilgen
Verlag: Schwarzkopf & Schwarzkopf (1. Oktober 2018)
ISBN-10: 9783862657018
ISBN-13: 978-3862657018
D. Stappen

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