Skip to main content

Far Cry Primal | Review (Xbox One)

| Marc Heiland | Konsolen

FarCryPrimalBild1Es kann nicht mehr weit sein. Hinter einem großen Hügel, der mit dichtem Gras bewachsen ist, müssen sie sein. Nur noch wenige Meter. Schleichend, fast unsichtbar, damit sie uns auch ja nicht zu früh wahrnehmen können, schleichen mein Leopard und ich uns über den Kamm des Hügels. Und tatsächlich: Im Schein der aufgehenden Morgensonne grast vor uns eine große Herde ehrwürdiger Mammuts mit ihren Kleinen. Ein derart beeindruckendes Erlebnis habe ich in den vergangenen Stunden hier und da schon gesehen, doch nichts kommt der rohen, wilden Stärke, die gleichzeitig mit Schönheit gepaart ist, auch nur im Ansatz gleich, als diese Herde! Was wie aus einem archaischen Dokumentarfilm anmutet, ist Bestandteil von Ubisofts neustem „Far Cry“-Ableger. Dieses Mal geht es nämlich nicht mit MGs und Granaten auf eine subtropische Insel oder in den immer verschneiten Himalaya, sondern ins Jahr 10000 vor Christus.

Als Steinzeitjäger Takkar und Mitglied des Stammes der Wrnja, geht ihr auf ein großes Abenteuer. Ob und inwieweit sich das Spiel (abgesehen vom unverbrauchten Setting) von den Vorgängern unterscheidet, neue Impulse setzen kann oder doch nur wie ein großes Erweiterungsspiel erinnert, klären wir für euch anhand der Xbox One-Version. 

Im Kampf mit der Natur

Wie mögen wohl die Verantwortlichen bei Ubisoft an die Setting-Findung des neuen Far Cry Primal heran gegangen sein? Saßen sie zusammen und überlegten, wie man weg kommt, vom immer gleichen Allerlei der letzten Titel? Oder kam ein aufgeregter Spiel-Designer in den Besprechungsraum und jubelte: „Hey Leute, ich hab ne tolle Idee: Lasst uns doch mal was mit Steinzeit machen!“ Wie dem auch sei: In Far Cry Primal gibt es erstmals in der Geschichte der Reihe keine MGs, Raketenwerfer, Granaten oder Funkgeräte. Stattdessen finden sich im Gepäck des Steinzeit-Helden Takkar Schleudern, Speere, Bögen und Keulen. Mit diesen „primitiven“ Waffen müsst ihr euch gegen unzählige Tiere und die anderen in der Spielewelt herumstreunenden Stämme zur Wehr setzen. Und von beiden gibt es so einige in der großen Spielwelt. Dieses imaginäre Land hört auf den Namen Oros. Hier findet ihr euch nach der Introsequenz wieder. Nach einer ziemlich dramatischen Begegnung mit den Rohheiten der Menschen und Tiere der Steinzeit, in der ihr nur Teil der Nahrungskette, nicht deren Herrscher seid, wurde euer Stamm in alle Himmelsrichtungen versprengt. Nur eine Sammlerin steht euch zur Seite. Sie erklärt, dass es in Oros nicht nur euren Stamm der Wenja gibt, zu dem sie auch gehört, sondern noch die gewalttätigen Udam mit ihrem mächtigen Anführer Ull, der zugleich euer Hauptgegner ist und die listigen Izila. Ihr selbst seid bei eurem Kampf gegen die anderen Stämme und die Widrigkeiten der Natur zwar hauptsächlich allein unterwegs, was menschliche Begleiter anbelangt. Doch setzt Takkar auf zwei neue Gefährten. Die eine ist eine Eule, die ihr in einer Traumsequenz einfangen und zähmen müsst (mehr wollen wir hierzu nicht verraten). Die andere Begleitung ist eines der vielen wilden Tiere, die Oros durchstreifen. Von Leoparden über Bären bis hin zu den mächtigen Säbelzahntigern – ja sogar Mammuts können euch als Reittiere – die nötige Kenntnis vorausgesetzt – dienen. Doch bis es soweit ist, vergeht einige Zeit. Leider hat Ubisoft die Begleiter nicht konsequent mit eingebunden. Will heißen: Während die Eule als Späher und Angreifer nur gewisse Leistungen vollbringen kann, stürzt sich eure gezähmte Bestie stets auf alles, was um euch herum läuft. So ist es während der Reisen nach Oros häufig passiert, dass unser Begleiter sich auf eine Herde Mammuts stürmte, obwohl wir nicht den Befehl dazu gaben. Klar, dass dann auch wir Teil des Mammuts-Gegenangriffs wurden. Auch wenig konsequent ist, dass wir – solange wir die nötigen roten Blätter zur Verfügung haben – eine unendliche Zahl von Mitstreitern aus dem entsprechenden Menü abrufen können. Beim Zähmen der Bestien hat es sich bzw. uns Ubisoft ebenfalls sehr leicht gemacht. Einfach einen Köder hinwerfen, warten, dass ihn die Bestie verschlingt, dann die X-Taste drücken et voila! Schon ist die Bestie gezähmt. Hier steht die Einsteigerfreundlichkeit im Vordergrund. 

FarCryPrimalBild2Außer den tierischen Begleitern und dem neuen Setting, dass verdammt gut aussieht, eine unglaublich intensive Atmosphäre verbreitet und auf eine eigene Sprache, einer Art Vorstufe des Indogermanischen, setzt, bietet Far Cry Primal eigentlich kaum etwas Neues. So müsst ihr nach wie vor in verschiedenen Skilltrees die Erfahrungswerte eures virtuellen Alter Egos verbessern, unzählige Rohstoffe sammeln, Tiere erlegen und häuten, von denen (Dachse, Tapire, Bären) es eine Vielzahl aus den Vorgängern bekannter Arten auch hier gibt, eure Waffen verbessern und tonnenweise Nebenmissionen, die recht wiederholungsanfällig sind, erledigen. Auch die Karte von Oros ist übersäht mit Hinweisen auf Rohstoffe, Kämpfe etc. Dass ihr euer Gebiet durch das Anzünden von Leuchtfeuern, die von den feindlichen Stämmen besetzt sind sowie das Erobern von Außenposten erweitern könnt, dürfte da wohl kaum noch der Rede sein. Blickt man in die verschiedenen Regionen von Oros, so stellt man fest, dass die Entwickler bei Ubisoft auch hier Parallelen zum Vorgänger gezogen haben. So gibt es im Norden ein Gebiet, dass durch seine riesige Gebirgskette mit Schnee und Eis beeindrucken kann und auch hier müsst ihr natürlich zunächst Takkar mit wetterbeständiger Kleidung ausrüsten, um in der Kälte überleben zu können. Wer da an die Schneemissionen aus Far Cry 4 denkt, liegt goldrichtig. Höhlen und geheime Verstecke finden sich ebenfalls auf der Karte wieder. Last but not least ist natürlich der Ausbau eurer Basis, beziehungsweise eures Dorfes enorm wichtig. Doch bevor ihr euer Dorf aufbauen und erweitern könnt, müsst ihr verschiedene Spezialisten in euer Dorf locken, die euch in der Jagd, dem Schamanentum etc. ausbilden. Diese besonderen Wenja müsst ihr in mehreren Submissionen für eure Sache überzeugen. Meistens, in dem ihr Aufträge (Eskortieren, Suchen o.ä.) ausführt. Da wir uns in der Steinzeit befinden, steht rohe Waffengewalt häufig im Fokus. Taktisches Schleichen funktioniert zwar auch. Doch einfacher geht es mit den Nahkampfwaffen. Leider ist das Trefferfeedback eher schlicht gehalten und die meisten Gegner gehen schon nach wenigen Treffern zu Boden. Solltet ihr einmal an stärkere Feinde (Mensch oder Tier) geraten, müsst ihr einfach nur weg laufen, und euch mit der Y-Taste heilen. Danach geht es ohne Probleme weiter. 

Apropos Probleme: Die gibt es in Oros natürlich auch. Denn einige Missionen sind nur in tiefster Nacht zu erledigen. Wenn ihr beispielsweise einen Großelch zur Strecke bringen sollt, bevor dies eure Gegner tun, ist dies nur des Nachts möglich. Hier müsst ihr allerdings vorsichtiger zu Werke gehen, da in der Nacht auch andere Fressfeinde unterwegs sind, als am Tag. Gut, dass ihr jederzeit euren Jagdsinn einsetzen könnt, der Tiere und Gegenstände sowie andere Stammesmitglieder markiert und optisch hervorhebt. Glücklich, wer des Nachts eine dank Tierfett jederzeit entflammbare Keule sein Eigen nennt. Für die Nacht, die im Spiel interessanterweise wesentlich kürzer ausfällt, als die Tageszyklen, gilt dasselbe, was für die Tag-Missionen gilt: Eine unglaublich atmosphärische Stimmung, die leider durch die sich stark wiederholenden Grundmissionen ein wenig geschmälert werden. Ebenfalls seltsam: Habt ihr zum Beispiel besagten Elch vor Start der Mission schon aufgespürt und erledigt, tut das Spiel trotzdem so, als sei nichts geschehen und lässt euch den Elch noch einmal jagen! Das liegt auch an der zum Teil doch etwas einfach gestrickten KI. Wenngleich in Außenposten die Gegner genretypisch um Verstärkung rufen können, sind sie in der Regel doch leichtes „Keulenfutter“. 

FarCryPrimalBild3Identifikation mangelhaft?

Kommen wir noch einmal zurück zu den Steinzeitmenschen, um die es hier ja geht. Denn während Ubisoft bei den Vorgängern auf facettenreiche, abgedrehte und irgendwie auch stellenweise symphatische oder abgrundtief fiese Charaktere setzt, bleiben die Figuren in Primal allesamt fremd und distanziert. Zwar werdet ihr in gewisser Weise mit den Charakteren mitleiden, wenn feindliche Udam einen Teil der eigenen Sippe auslöschen und dann sich vor Schmerz über den Verlust fast schon das Herz rausreißen wollen. Doch die Dorfbewohner sind austauschbar, die wichtigen Figuren teilweise zu überzeichnet und selbst die enge Gefährtin gibt sich distanziert. Ein richtiges Zugehörigkeits- oder Stammesgefühl stellt sich leider kaum ein. Fans von Multiplayer-Titeln machen um Far Cry Primal einen Bogen, da sich das Spiel ausschließlich auf die Einzelspielerkampagne verlegt hat. In Zeiten, in denen der Solopart bei diversen großen Spielen nur noch Staffage ist, ist Primal für Solisten eine echte Wohltat. Ich persönlich habe hier auch keinen Mehrspieler vermisst. 

8Fazit: Ist Far Cry Primal die erhoffte Verjüngungskur, die die mittlerweile schon recht betagte Serie benötigte? Hier gibt es ein ganz klares „Nein“. Zu viel von dem, was ihr aus den letzten Teilen kennt, wir auch in Primal verarbeitet. Auch wenn alles in sich glaubwürdig ist und ein tolles Ganzes ergibt, wird bei Kennern sich nach einer kurzen Zeit ein „Das hab ich schon häufig gesehen und erlebt“-Effekt einstellen. Kritiker werden die Nase rümpfen, dass Ubisoft nicht konsequent den alten Ballast über Bord geworden hat. Wer jedoch endlich mal ein frisches und unverbrauchtes Setting gesucht hat, seinen Sammlertrieb ausleben und eine der attraktivsten und grafisch imposantesten Spielwelten sucht, der darf ganz klar zugreifen. Grafisch und vor allem akustisch hat Oros nämlich eine ganze Menge an „Wow“-Momenten – vor allem bei der Darstellung der Natur und der Mimik der Charaktere - und Überraschungen zu bieten, die an die ersten beiden Teile, als noch Crytek am Start war, zu bieten hatte. Wir hoffen, dass sich Ubisoft dennoch für den nächsten Teil mehr Zeit nehmen wird, um dann ganz neue Wege in Sachen Gameplay und Missionsgestaltung zu gehen. Der Weg hierzu ist mit Far Cry Primal ganz klar geebnet. 

Die inn-joy Redaktion vergibt 8 von 10 Punkten.

Die inn-joy Redaktion bedankt sich bei Ubisoft für das zur Verfügung gestellte Rezensionsexemplar.

D. Stappen

Impressum - Datenschutz

Copyright 2016 © Inn-Joy.de All Rights Reserved. 

Joomla! © name is used under a limited license from Open Source Matters in the United States and other countries.