Skip to main content

Detroit: Become Human | Review (PS4)

| Marc Heiland | Konsolen

DetroitBild1Wie wäre eine Zukunft, in der Androiden die meisten Dinge des Alltags für uns erledigen? Sie führen den Haushalt, erledigen Einkäufe für uns, machen Termine, helfen beim Tagesablauf, gehen für uns zur Arbeit und beklagen sich auch dann nicht, wenn wir mal einen schlechten Tag haben und sie anschnauzen. Das klingt eigentlich nach einer richtig coolen Utopie. Doch was, wenn wir aufgrund der Millionen und Abermillionen Androiden weltweit mit einer extremen Arbeitslosigkeit klarkommen müssten? Was, wenn die Androiden auf einmal Emotionen entwickeln würden und versuchen würden, aus ihrer „Befehlskette“ auszubrechen und sich im schlimmsten Falle sogar gegen ihre Besitzer wenden würden? Mit diesen und vielen anderen Gedanken setzt sich David Cage in seinem neusten Spiel – oder eher interaktivem Film – mit dem Namen „Detroit: Become Human“, das exklusiv für Sonys PS4 erschienen ist, auseinander. Wir haben den packenden, hochemotionalen und immer wieder durchaus kontrovers diskutierten Titel für euch gespielt und verraten euch, ob der neuste Streich von David Cage sein Meisterwerk geworden ist oder mit zu vielen Vorschusslorbeeren ausgestattet wurde.

Androiden auf dem Selbstfindungstrip

David Cage ist bekannt für seine komplexen, teilweise aber auch klischeehaften, emotionalen und wendungsreichen Stories. Dies hat er in den vergangenen Jahren mit „The Nomad Soul“, „Fahrenheit“, „Heavy Rain“ und zuletzt „Beyond: Two Souls“ bewiesen. Nun also „Detroit: Become Human“. In seinem neusten Titel schlüpft ihr in die Rolle von drei Androiden mit Namen Marcus, Kara und Connor. Während Marcus und Connor nur aus den bisher veröffentlichten Videos bzw. der Demo bekannt sind, werden die meisten von euch Kara bereits seit einigen Jahren kennen. Denn der weibliche Android entstammt ursprünglich aus einer Tech-Demo mit gleichem Namen, mit der Entwickler Quantic Dreams die technischen Möglichkeiten der PS3 im Jahr 2012 eindrucksvoll unter Beweis stellte. Schon damals war der Bestandteil der Tech-Demo zu zeigen, wie real Motion-Capturing sein kann und wie es wäre, wenn ein Android durch seine täglichen Routinen brechen und eigenständige Emotionen entwickeln bzw. situativ selbstständig entscheiden kann. Aus dieser Demo entwickelte sich das nun erschienene Spiel.

In nicht allzu ferner Zukunft, genauer gesagt im Jahr 2038, verfügt fast jeder Haushalt über einen Androiden. Die intelligenten Helfer sind dabei so perfekt entwickelt worden, dass man sie kaum von echten Menschen unterscheiden kann. Lediglich ein Chip, der situativ in unterschiedlichen Farben aufblinkt, kennzeichnet die Androiden als technische Wesen. Das Herz der Produktion schlägt im US-amerikanischen Detroit. Doch die Maschinenwesen sind nicht nur freundliche Helfer und Unterstützer ihrer Eigner. Immer wieder kommt es nämlich zu Vorfällen, bei denen Menschen von den Androiden verletzt, als Geisel benutzt oder sogar getötet werden.

Diese „Fehlfunktionen“ wollen natürlich die Menschen unterbinden. Mitten in diesem Konflikt befinden sich die drei Protagonisten, in deren Rolle ihr abwechselnd im Verlauf der Story bzw. Stories schlüpft. Denn das Spiel wird nicht „in einem durch“ erzählt, sondern in Episodenform – mal mit und mal ohne Cliffhanger. Eines haben die einzelnen Episoden und die Geschichten der drei Androiden gemeinsam: Immer wieder werdet ihr vor Entscheidungen gestellt, die die Handlung in eine gewisse Richtung vorantreiben. Oft müsst ihr die Entscheidungen in wenigen Sekunden treffen, Antworten geben oder emotional reagieren. Falsche Entscheidungen können nicht selten zum Tod von einem oder mehreren Figuren und der Protagonisten führen. Doch zunächst sind alle drei Androiden noch „auf Linie“. Connor geht seiner Arbeit als Spezialermittler auf der Jagd nach sogenannten „Abweichlern“, also Androiden, die ein eigenes Leben entwickelt oder aus dem Protokoll ausgebrochen sind, nach, Kara ist ein Dienst-Androide im Haus eines alkoholkranken und gewalttätigen Vaters und Markus ist Butler eines im Rollstuhl sitzenden Malers und Multimillionärs. Erst aufgrund äußerer Umstände werden die drei Protagonisten selbst – jeder auf seine Weise – zu Rebellen bzw. Abweichlern.

DetroitBild2Und obwohl die Geschichten quasi für sich stehen, werden sie schnell miteinander verwoben. Die starke Erzählweise macht es, dass man sich gut mit den Figuren identifizieren kann, obwohl sie Androiden sind, dass man mit ihnen fühlt und leidet und ihre Taten verstehen kann. Die Handlungsstränge sind zwar vorgegeben, können aber an vielen Stellen von euch beeinflusst werden und verzweigen sich dann mehrfach. So könnt ihr beispielsweise zu Beginn von Karas Geschichte, in der der gewalttätige Vater seine Tochter schlagen will, versuchen, den Mann zu beschwichtigen oder – entgegen dem Befehl, nichts zu tun – euch entscheiden, die Tochter vor ihrem gewalttätigen Vater durch aktive Hilfe und Flucht zu unterstützen. Handelt ihr gegen die Order, durchbrecht ihr quasi die Wand der Entscheidungen und beginnt mit eurem individuellen Dasein. Das Ganze wird nicht nur dramatisch in Szene gesetzt, sondern auch mit entsprechender Musik und hervorragenden Synchronsprechern atmosphärisch unterstützt. Vor allem die Entscheidungen, in denen ihr nur wenige Sekunden Zeit habt und damit zu einer emotionalen Entscheidung „aus dem Bauch raus“ gezwungen werdet, sind die Highlights des Spiels. Denn oft ertappt man sich bei der Frage, was denn gewesen wäre, wenn man sich anders entschieden hätte. Das dann ab und an auch eine scheinbar „richtige“ Entscheidung andere Folgen haben könnte, als zunächst vermutet, macht es umso spannender und emotionaler. Wer will, kann an den entscheidenden Stellen später noch einmal einsteigen, um andere Wege zu gehen. Ein nettes Feature in dieser nach jedem Kapitel gezeigten Übersicht ist auch die Angabe, wie viel Prozent der Spieler sich für euren oder einen alternativen Weg entschieden haben.

Während sich das Setting beim neuen Titel komplett von den Vorgängern unterscheidet, sind einige Dinge auch bei „Detroit: Become Human“ gleich geblieben. So müsst ihr auch hier Bewegungen mit Hilfe des rechten Sticks nachempfingen (beispielsweise um eine Tür zu öffnen), Dinge kombinieren, Erkenntnisse sammeln, banale Dinge erledigen, Gesprächen zuhören, logische Entscheidungen treffe, emotional aus dem Bauch heraus oder vom Kopf her die Handlung weiterbringen und taucht so immer tiefer in die Welt der Androiden ein. Gekämpft wird hin und wieder auch, allerdings sind Kämpfe nur an der Tagesordnung, wenn sie überhaupt Sinn machen, also der Entscheidung Rechnung tragen. Ein wenig schade ist es, dass die Figuren sich nicht komplett frei umschauen können, sondern die Kamera mit der R1-Taste gewechselt werden muss. Alte „Resi“-Teile lassen hier grüßen.

Das Ganze lebt natürlich nicht nur von den Entscheidungen, sondern vor allem von der grandiosen Inszenierung und der lebendigen und glaubhaft in Szene gesetzten dystopischen Welt. David Cage und sein Team haben eine unglaublich detailverliebte Welt erschaffen, bei der jede noch so kleine und scheinbar unwichtig wirkende bzw. unspektakuläre Ecke mit Leben erfüllt ist. Dabei reichen die Settings von schäbigen Häuserzügen in der Vorstadt über das pulsierende Leben in der Metropole bis hin zu verruchten Bars und viele andere Locations, die ein großes Ganzes ergeben. Man fühlt sich sofort ins Spiel versetzt und als ein Teil von Detroit des Jahres 2038. Grafisch bietet das Spiel eine Menge. Alles läuft dabei flüssig und wird sogar auf der PS4 Pro hochgerechnet dargestellt. „Star“ des Spiels sind einmal mehr die Gesichter der Figuren, aus deren Mimik man Emotionen ablesen kann. Ein wenig schwächer ist einmal mehr die Gestaltung der Haare geworden. Wie es besser gehen könnte, hat ja „Horizon Zero Dawn“ in Form von Eloy eindrucksvoll unter Beweis gestellt.

9Fazit: Mit „Detroit: Become Human“ hat David Cage seinen bislang stärksten, umfangreichsten und emotionalsten Titel vorgelegt. Wer auch nur ansatzweise auf interaktive Spiele steht, wen das Thema Androiden und künstliche Intelligenz interessiert und wer auf emotional packende Erzählweisen steht, der sollte hier unbedingt zugreifen. Auch wenn es an einigen Stellen bei der Spielmechanik nach wie vor Luft nach oben gibt, setzt der neuste Titel von Quantic Dreams die Spiele-Reihe mit einem evolutionären Schritt nach vorne fort. Am Ende des Tages fühlt man sich prächtig unterhalten. Und das ist es doch, worauf es ankommt.

Die inn-joy Redaktion vergibt 9 von 10 Punkten.

Die inn-joy Redaktion bedankt sich bei Sony für das zur Verfügung gestellte Rezensionsexemplar.

C. Heiland

Impressum - Datenschutz

Copyright 2016 © Inn-Joy.de All Rights Reserved. 

Joomla! © name is used under a limited license from Open Source Matters in the United States and other countries.