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Dead Space Remake - Review (PS5)

| Marc Heiland | Konsolen
DeadSpaceEs ist manchmal schon so eine Sache mit der Nostalgie. Hier und da mal spielt uns unser Gehirn einen Streich. Wir erleben, sehen etc. etwas in Kinder- oder Jugendjahren, und unser Hirn lässt uns glauben, es sei das Beste, was wir je gesehen, erlebt etc. haben. Wenn wir dann den Film, das Spiel etc. erneut anmachen, kommt meistens die Ernüchterung. Ein Beispiel gefällig? 
 
Bei mir war es der Film „Blood Sport“ aus den 1980ern mit Jean-Claude Van Damme in der Hauptrolle. Damals „klaute“ mein bester Freund die VHS (Und alle u30er jetzt: „die was?!“) seines älteren Bruders und wir schauten als Halbzwerge den Film.
Nach dem Film drehte sich meine Welt auf völlig neue Art. Ich wollte, wenn ich mal groß bin, Karate-Großmeister werden und fortan, wenn wir Superhelden spielten, und meine Jungs der Terminator oder Batman sein wollten, war ich immer Frank Dux (Name des Protagonisten des Films). Dabei brüllte ich auf eine Art und Weise durch die Gegend, dass Außenstehende denken durften, dem armen Jungen fehle eine Hirnhälfte. 
 
Dann vor Jahren lief der Film im FreeTV und ich schaute gespannt zu. Was soll ich sagen? Der Zahn der Zeit hatte ordentlich am Film geknabbert und die Choreografie der Kämpfe hatte schon was von Fremdschämen. Ich sah keinen anderen Ausweg, als in mein T-Shirt zu beißen. Und bei einer Szene, in der der eine Kontrahent den anderen in Zeitlupe per Bodenturn-Vorwärtsrolle (Hä?) angreift, der Gegner aber anstelle ihn in bester Fußballmanier per Vollspann eine Stadt weiter zu treten, lieber im Spagatsprung dieser lebensgefährlichen Situation entkommt, war mein Maß an Erträglichkeit überfüllt und ich schaltete um. 
 
Ein weiteres Beispiel: Legacy of Kain: Soul Reaver für die PS One. Damals war es eins meiner absoluten Lieblingsspiele, wenn ich es heute anmache, sehe ich 1. nur 3 Pixel auf dem Fernseher, 2. ist die Steuerung so unterirdisch, dass ich es lieber wieder weglege und von meinen Erinnerungen an „gute alte Zeiten“ zehre. 
Und nun zu Dead Space. 2008, als das Original releast wurde, empfand ich es als eines der besten Horrorspiele, neben Resident Evil 4, das ich je gespielt habe. Als absoluten Meilenstein. Damals war es nicht die Story, die das Spiel so unfassbar gut machte, es war das Gameplay und die Atmosphäre. 
Es folgte ein guter zweiter Teil, und dann der unrühmliche dritte Teil, der die Franchise auf den Friedhof beförderte. Seit 2008 habe ich den ersten Teil nicht mehr angerührt, aus genannten Gründen. Als dann zuerst das Gerücht aufkam, man arbeite an einem Remake setzte mein Herz kurz aus. Als die ersten Trailer und Gameplays gezeigt wurden, setzte mein Herz erneut aus - vor Freude versteht sich! Ende Januar 2023 sitze ich nun an einem Spiel, was mir damals schon psychisch so zusetzte, dass ich zum Akklimatisieren abends Bibi & Tina schauen musste. 
Und allein das Intro zog mir vor Freude die Schlappen aus: Isaac spricht! (Im Original aus 2008 war er nur die nickende Fraktion.) Nach kurzem Einstieg („kein Kontakt zum Raumschiff, los schauen wir mal mach was da los ist“), entern wir die ikonische USG Ishimura. Bevor überhaupt die ersten Monster, sogenannte Nekromorphs, auftauchen, lässt sich schon festhalten, dass das Spiel graphisch und klanglich die absolute Champions League ist. 
 
DeadSpaceBild2Diese unheimlichen Geräusche, dieses Zischen hier, das Knacken dort, ließen mich meine Kopfhörer ganz schnell wieder abnehmen und lieber auf die Anlage switchen - natürlich leise gedreht. Dann nach der ersten Begegnung mit den Ungeheuern erfolgte dann - wie nahezu schon fast erwartet - die erste Panikattacke. Ich habe in etwa die Hälfte des Spiels durch, dabei drücke ich den Pauseknopf mit Abstand am häufigsten. Das Spiel versteht es so unglaublich gut, ruhige Phasen mit den etwas hektischeren zu kombinieren, dass ich während des gesamten Spiels einen gesunden Ruhepuls von 92 habe. Hinzu kommt eine „schöne“ Neuerung: Isaacs Herzschlag ist in panischen Situationen zu hören. Wenn also vor ihm plötzlich so ein Biest auftaucht, erschrecke nicht nur ich, auch Isaacs Herz rast. Richten wir das Monster hin, beruhigt sich Isaac wieder allmählich. Wahnsinnig gute Idee!! … wenngleich sie nicht gerade förderlich für meine psychische Stabilität ist. 
 
Graphisch, wie bereits erwähnt, ist das Spiel - wortwörtlich atemberaubend. Die Monster sehen so abartig ekelhaft aus, die Leiche(-nteile) der Crew wirken nahezu fotorealistisch. Als ob man sich Mühe gegeben hätte, das Ganze noch widerlicher wirken zu lassen, reagieren die Körper der Monster auf Treffer. Schießt man den Viechern mit dem Plasma-Cutter in die Beine, ätzt das Fleisch weg und der Knochen kommt zum Vorschein. Eine unglaubliche Liebe zum Detail. Auch vor dem Raumdesign kann man den Hut ziehen. Es ist alles so unglaublich kalt, dunkel und eng, dass man sich die ganze Zeit einfach unwohl fühlt. In größeren Räume, sobald das Licht ausfällt, sieht man bis auf den Lichtkegel der Waffe so gut wie nichts. Umso fürchterlicher sind dann diese immer näher kommenden brüllenden und lechzenden Geräusche und man sie nicht ganz versorgen kann. Atmosphärisch ist und bleibt dieser erste Teil für mich unerreicht. Die Macher verstehen auf voller Linie das Spiel mit der Stille. Anders als bei Resident Evil 4, bei dem Gegnermassen für Panik sorgen, ist es Dead Space das einzelne Monster, dass erst im vierten langen Gang so plötzlich auftaucht, dass einem der Controller fast vor Schreck aus den Händen fällt. Isaacs Herz schlägt panisch, man versucht dennoch ruhig zu bleiben, damit jeder Treffer sitzt und man die ohnehin knappe Munition gezielt einsetzt. Und danach: wieder Stille. So still, dass mich das Funkgerät - das ein lautes Geräusch beim Einschalten von sich gibt - immer wieder an den Rand des Herzinfarktes bringt. 
 
An der Steuerung wurde so gut wie nichts verändert. Ganz nach dem Motto „Never Change a Running System“ wurde Altbewährtes so belassen. Die hier und da im Internet nachzulesenden schlechteren Bewertungen bezüglich der Steuerung kann ich absolut nicht nachvollziehen. Mag sein, dass sich der eine eine 180-Grad-Drehung oder der andere eine Ausweichtaste wünscht. Aber meiner Meinung nach funktioniert diese klobige Steuerung sehr gut im Spiel. Meine Interpretation ist, dass Isaac nun mal ein - hoffnungslos unterbezahlter - Techniker und kein kampferprobter Elitesoldat ist. Für mich wäre es wirklich unschön gewesen, wenn Isaac 2008 noch so agil wie ein Panzer war und 2023 da auf einmal ein Flickflack-schlagender-Superagent namens Isaac steht. Außerdem: eine Ausweichfunktion macht noch laaaaange kein gutes Spiel! Gell, Callisto? :-( 
Daher: sehr toll, dass die Macher sich nicht zu weit vom Original entfernt haben. 
 
Als Fazit kann ich kurzum schrieben: vom Meilenstein zum Meisterwerk! Es wirkt, als lieferten die Macher eine Liebeserklärung an sich selbst. Mit so viel Hingabe und Liebe zum (ekligen) Detail, dass das Spiel nur so davon strotzt. Neu-Spielern und Nostalgikern kann man dieses Spiel gleichermaßen empfehlen. Den neuen Spielern wird eine entschleunigte Alternative zu der marktdominierenden non-stop-Balleraktion geboten, die ihnen Scheuer und Psychosen frei Haus liefert. Nostalgiker werden „ihr“ Dead Space sofort wieder erkennen. Euren persönlichen van-10Damme-Effekt werdet ihr hier nicht finden. Sondern nur pure Panik und Schweißausbrüche. Erneut.
 
Die inn-joy Redaktion vergibt 10 von 10 Punkten.
 
Die inn-joy Redaktion bedankt sich bei Electronic Arts für das zur Verfügung gestellte Testexemplar.
 
B. Rosic

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