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Vorstellung und ausgewählte Sorten im Test: Scheidlkaffee

| Marc Heiland | Kaffeewelten

ScheidlIn unserer Rubrik „Kaffeewelten“ haben wir euch ja schon viele Kaffeeröstereien mit ganz unterschiedlichen Ansätzen vorgestellt. Doch eine Rösterei wie „Scheidlkaffee“ hatten wir bislang noch nicht im Angebot. Dies ist allerdings auch kein Wunder, ist die Rösterei von Marta und Michael Rass aus Rosenheim auch die Einzige hierzulande, die ihren Kaffee ausschließlich über Feuer röstet. Klar, dass uns dieses ungewöhnliche Prozedere neugierig gemacht hat und wir mehr wissen wollten. Freundlicherweise hat uns Michael Rass auch gleich ein paar Proben seines „kreativen Röstens“ zur Verfügung gestellt. Hier ist also unser Bericht über „Scheidlkaffee“.

Eine außergewöhnliche Idee

Wenn man von Beruf Handelsreisender ist, dann erlebt man eine Menge, kommt mit vielen Menschen in Kontakt und lernt spannende Dinge kennen. So auch Michael Rass. Über viele Jahre war er unterwegs und kam in Osteuropa, genauer gesagt auf dem Balkan, mit der Methode des „über dem Feuer“ Röstens in Kontakt. Hierbei wird der Kaffee in eine Rösttrommel gegeben und über Holzfeuer „zubereitet“. Durch die Einflüsse von Feuer, Holz und den Witterungen, entsteht so nicht nur ein äußerst facettenreicher und aromatisch komplexer Kaffee, sondern auch bei jeder Kaffeeröstung ein echtes Unikat. Während im Ausland auf diese Weise schon über Generationen Kaffee geröstet wird, ist das Verfahren in Deutschland nahezu unbekannt bzw. wird (bislang) auch nicht genutzt.

Durch diese Begegnungen und die Faszination am ungewöhnlichen Kaffeeerlebnis und Geschmack motiviert, begann Michael Rass in seiner Heimat mit ersten Gehversuchen. Im Vergleich zu anderen Kaffeeröstereien, bei denen u.a. exorbitant teure Röster angeschafft und eine Menge Platz vorhanden sein muss, war die „Startinvestition“ bei Rass recht übersichtlich. Lediglich Kaffeebohnen, ein Platz für das Feuer und eine Rösttrommel aus Eisen mussten her.

Doch die ersten Versuche waren alles andere, als erfolgreich. Schnell verbrannten die Bohnen und die Rauchentwicklung war recht hoch. So zog Rass in den heimischen Garten, nutzte Holz aus heimischen Baumbeständen und experimentierte so lange und intensiv, bis ihm erste Rösterfolge gelangen. Der geschmackliche Unterschied zu den „klassischen“ Kaffeeröstmethoden gewann schon bald erste Interessenten. Und auch der Röstvorgang als solcher sorgte für neugierige Blicke. Denn es ist immer ein gewisses Spektakel, wenn Michael Rass seine Bohnen in der Eisentrommel röstet. Das hat etwas archaisches und mittelalterliches Flair. Geröstet wird allein durch „Manpower“. Rass, die gusseiserne Trommel und das Feuer – mehr bedarf es nicht, um geschmacklich tollen Kaffee zuzubereiten. Von einer guten Viertelstunde bis hin zu maximal einer knappen halben Stunde dauert der Röstprozess. Da das Feuer keine komplett konstante Temperatur erreicht, entwickeln sich die Aromen der einzelnen Kaffeebohnen anders, als beim klassischen Trommelröstverfahren mit Gas und Co.

Wichtig ist dem Ehepaar Rass aber auch, dass die Bohnen so weit als möglich aus aus überwiegend biologischem Anbau stammen und von höchster Qualität sind. Denn was nützt das spektakulärste Verfahren, wenn die Bohnen von minderer Qualität sind?! Die Sorten, welche Rass anbietet, stammen aus dem Jemen, aus Indonesien, Panama, Kamerun, Brasilien, Indien, Mexiko, Kuba und von den Galápagos-Inseln. Für die Zubereitung empfiehlt der Röstmeister die Ibrik-Kanne oder auch den Handfilter. Natürlich „funktionieren“ seine Kaffee-Sorten auch mit anderen Zubereitungsmethoden. Da muss der Kunde einfach ausprobieren, was ihm am besten schmeckt.

Scheidl2Der Kaffee von „Scheidlkaffee“ – unsere Erfahrungen

Bereits als wir zum ersten Mal etwas über die Herstellung des Kaffees lasen, war für uns klar: Das wird etwas ganz spannendes. Umso neugieriger waren wir, als die Testkaffees in unserer Redaktion eintrafen. Für unseren kleinen „Überblickstest“ stellte und Michael Rass vier Kaffees zur Verfügung. Die Kaffee-Sorten stammen aus Indonesien, Kuba, Panama und Kamerun. Es handelt sich jeweils um sortenreine Arabicas. Der Kunde erfährt über den jeweiligen Kaffee etwas zur Anbauhöhe der Kaffees und zur Erntezeit. Bei einigen Kaffees werden auch Angaben zu den Varietäten gemacht. Leider erfahren wir nicht bei allen Kaffees etwas über die Plantagen, auf denen der Kaffee angebaut wird. Und auch zur Region wird nicht immer Auskunft gegeben. Ebenfalls fehlen Informationen zur Aufbereitung des Rohkaffees. Immerhin: Scheidlkaffee ist bemüht, auf Bio-zertifizierten Kaffee zu setzen und auch das Thema Nachhaltigkeit wird berücksichtigt. Mit dem Kauf des Kaffees aus Kamerun unterstützt der Käufer Bildungsprojekte für Kinder und Jugendliche in der Region Nkambe in Kamerun.

Der „Mandhailing“ aus Indonesien

Dieser Kaffee wird in einer Höhe von 800 bis 1800m angebaut. Der Name des Kaffees stammt von einer kleinen ethnischen Volksgruppe, der Batak (nl. Mandhailing), auf Sumatra. Mit Kaffee aus Sumatra erhaltet ihr Kaffees mit holziger, erdiger Note, einer recht schweren Textur sowie einer schwachen Säure. Im Vergleich zu anderen Ländern, wird in Sumatra recht wenig Arabica angebaut. Wenn dann Arabica angebaut wird, handelt es sich meist um Kaffee der Varietät „Typica“. Aber auch diverse andere Varietäten sind auf Sumatra zu finden. Aufgrund von häufiger Wasserknappheit nutzt man auf Sumatra häufig die „Giling-Basah-Methode“ zur Aufbereitung, bei der die Kaffeekirschen entpulpt, einen bis zwei Tage getrocknet und danach von der Pergamenthaut befreit werden, solange die Bohnen noch ausreichend Feuchtigkeit besitzen. Bei einigen Farmern geht der Trend jedoch auch zur „nassen“ Aufbereitung.

Unser Eindruck: Der Kaffee besticht bereits beim Mahlen mit der Commandante C40 MK3 durch seine wunderbar-komplexen Aromen. Zum Einen kommen erdig-holzige Noten zum Tragen; zum Anderen lassen sich leicht zitronige Nuancen in den „Obertönen“ erkennen sowie ein Hauch von Honig. Im Abgang ist der Kaffee leicht rauchig und ein wenig rau. Interessanterweise dominieren die vom über dem Feuer Rösten her stammenden Aromen zu keiner Zeit, sondern sind nur ganz leicht wahrzunehmen. Ein wirklich schmackhafter Kaffee.

Der „CUBA AUTÉNTICA“

Bei diesem sortenreinen Arabica handelt es sich um Bohnen, die in einer Höhe von gerade einmal 700 bis 900 Metern angebaut werden, was eigentlich eher einer klassischen „Robusta-Höhe“ entspricht. Kubanischer Kaffee existiert erst seit dem 18. Jahrhundert auf der Insel. Aufgrund der politischen Situation hat die Bedeutung im Vergleich zu anderen südamerikanischen Ländern keine allzu große Rolle gespielt. Die Arabica-Kaffees liegen überwiegend in den Varietäten Villalobos und Isla 6-14, aber auch als Bourbon vor.

Unser Eindruck: Der Kaffee verfügt über eine eher zurückhaltende Säure, eine schwere Textur, einen dafür umso intensiveren Körper mit Anklängen von dunkler Schokolade, Zedernholz und Nuss.

Der „Panama: Typica“

Dieser sortenreine Arabica-Kaffee stammt aus dem Westen der Insel, genauer gesagt, aus der Region Boquete. Diese ist die älteste und populärste Kaffeeanbau-Region. Die Pflanzen wachsen in einer vorwiegend neblig-kühlen Umgebung in einer Höhe von rund 1500 bis 1700 m. Zu finden sind unter anderem die Varietäten „Caturra“, „Catuai“, „Geisha“, „Mundo Novo“ und eben auch die hier vorliegende Varietät „Typica“. Nicht umsonst gehört Kaffee aus Boquete zu den beliebtesten Kaffees überhaupt. Die Bohnen dieser Sorte stammen von der „Casa Ruiz“, die auf Nachhaltigkeit und ökologischen Anbau setzt. Das heißt, dass hier auf den Einsatz von Chemikalien und Pestiziden nahezu komplett verzichtet wird.

Unser Eindruck: Bei diesem Kaffee haben wir es mit einem sehr milden Kaffee zu tun, wobei alle Kaffees von „Scheidlkaffee“ ein wenig stärker schmecken, als bei den Mitbewerbern. Der recht säurearme Kaffee bietet komplexe Aromen mit Anklängen von Milchschokolade, leicht floralen „Obertönen“ und ein wenig Zitrus im Nachhall.

Der „KAMERUN: BONABEE“

Bei unserem letzten „Testkandidaten“ handelt es sich um einen afrikanischen Kaffee aus Kamerun. Dieser wird im Mambila Gebirge auf einer Höhe von 1500m bis 2000m angebaut. Der Hochlandkaffee profitiert dabei vom subtropischen Klima und den mineralhaltigen Böden. Im Vergleich zu anderen kaffeeproduzierenden Ländern Afrikas ist die Geschichte des Kaffees in Kamerun noch recht jung. Erst 1913 kam der Kaffee von einem deutschen Offizier in das afrikanische Land. Erste Versuche wurden mit der Arabica-Varietät „Jamaica Blue Mountain“ getätigt. Mittlerweile wachsen in Kamerun sowohl Arabica, als auch Robusta-Sorten. 90% des Kaffees wird nass aufbereitet und in der Sonne getrocknet. Der Kaffee wird aufgrund der Gegebenheiten per Hand gepflückt. Die hier vorliegende Varietät des Arabica ist „Java“. Auch dieser Kaffee wird ohne Pestizid-Verwendung angebaut.

Unser Eindruck: Der Kaffee ist ein wenig milder, besitzt eine leichte Süße und fruchtige Beinoten und einen langen Abgang. Er überzeugt durch eine komplexe Aromenstruktur und bietet so einiges zu entdecken.

Fazit: Die Kaffees von „Scheidlkaffee“ lassen sich natürlich schlecht mit den Mitbewerbern vergleichen, da sie – aufgrund der einzigartigen Röstmethode – immer ein wenig anders schmecken. Das zeichnet sie natürlich aus und hebt sie von anderen Röstern ab. Alle vier Kaffeesorten waren geschmacklich vielfältig, komplex in der Aromenstruktur und schmeckten interessanterweise nur ganz leicht nuanciert nach Feuerholz. Von uns gibt es eine klare Kaufempfehlung.

Die inn-joy Redaktion vergibt 8 von 10 Punkten.

Zusammensetzung der Gesamtbewertung:

Qualität: 8,5 von 10 Punkten

8Fairness und Nachhaltigkeit (nicht zuverlässig in jedem Punkt nachzuvollziehen)

Geschmack: 8,5 von 10 Punkten.

Transparenz: 6 von 10 Punkten (ebenfalls nicht immer nachzuvollziehen)

Die inn-joy Redaktion bedankt sich bei Michael Rass von „Echter Scheidlkaffee“ für die zur Verfügung gestellten Testexemplare.

D. Stappen

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