Vorstellung und ausgewählte Sorten im Test: Truesday Speciality Coffee (Berlin)
Als wir vor mittlerweile fünf Jahren in unserem Blog anfingen, die „Kaffeewelten“ aufzubauen, haben wir damit zwei Maximen aufgestellt, die wir bis heute verfolgen: Erstens wollten wir ausschließlich (kleinen) Kaffeeröstereien eine Plattform bieten, die mit Herz, Hand und Leidenschaft ihrem Handwerk nachgehen und keine Industrieware liefern. Und zweitens sollte am besten (ganz im Sinne der Third-Wave-Coffee Bewegung) jeder Röster alles transparent darstellen, sodass der potenzielle Käufer „from seed to cup“ nachvollziehen kann, woher der Kaffee, den er bei sich zu Hause genießt, stammt, was die Kaffeebauern an der Endsumme, die uns als Verbraucher das Pfund kostet, überhaupt verdient und welche Qualitätsstandards eingehalten werden. Also all das (und noch ein wenig mehr), was die Industrie uns seit Jahrzehnten vorgaukelt.
Natürlich war uns von vornherein klar, dass es nicht allen Röstereien gleichermaßen möglich ist, auf Nachhaltigkeit, Transparenz, Qualität und Fairness einzugehen bzw. dies auch in allen Fällen umzusetzen. Denn der Geschmack stellt nur einen – aber dennoch einen sehr erheblichen – Anteil am Ganzen dar.
Und trotz allem ist es uns in den allermeisten Fällen gelungen, genau diese Röstereien zu finden oder – und dies kam nicht gerade selten vor – die eine oder andere Rösterei zum Nachdenken und eventuell sogar zum Umdenken anzuregen, die alten, ausgetretenen Pfade neu zu überdenken und einen Schritt in die – unserer Meinung nach – richtige Richtung zu gehen.
Warum ich dies alles schreibe, mögt ihr nun denken. Die Antwort ist einfach, aber leider noch immer sehr schmerzhaft: Wir Deutschen sind eine der Nationen, die den größten Kaffeeverbrauch weltweit haben. Gleichzeitig will die überwiegende Mehrheit noch immer möglichst wenig für ihren Kaffee bezahlen. Für Haushaltsprodukte und Elektrogeräte sind wir bereit, riesige Summen aufzufahren, Kredite aufzunehmen usw. Doch bei Kaffee hört der Spaß oftmals auf. Dies geht dann nicht nur zulasten der Kaffeebauern, sondern auch zum Nachteil der eigenen Gesundheit. Allzu selten machen wir uns um Beides Gedanken. Um unsere Gesundheit, weil wir es meist nicht besser wissen. Um die Kaffeebauern, weil diese ja weit weg von unserem eigenen Leben und unserer Komfortzone sind.
Wer sich um all die oben genannten Aspekte Gedanken gemacht hat und diese in die Tat umsetzt, ist Henning Reiche, Inhaber und Geschäftsführer der Spezialitätenrösterei „TRUESDAY“. Denn er bietet nicht nur erstklassigen Kaffee und Espresso, sondern zeigt und als Verbraucher, welchen Wert der Kaffee für alle Beteiligten wirklich hat.
Aus diesem Grund ist es uns eine große Freude, an dieser Stelle euch „TRUESDAY“ vorstellen zu können. Wir wünschen euch viel Spaß bei der Lektüre.
Was macht Kaffee zu einem „True-Coffee“?
Wie bereits erwähnt, setzen viele Kaffeeröstereien auf Nachhaltigkeit, Transparenz und Fairness. Für Henning Reiche und sein Team ist das jedoch nicht genug. Denn er hält sich nicht bei Marketing-Phrasen auf, sondern geht noch einen Schritt weiter. Auf seiner Homepage zeigt er seinen Kunden auch den Wert der Kaffeebohnen und „die ökologischen und sozialen Kosten im Kaffeeanbau“. Dank einer intensiven Zusammenarbeit „mit internationalen NGOs und Sozialunternehmen bringen wir versteckte Kosten wie die Unterbezahlung von Farmer:innen, Bodenverunreinigung und Wasserverschmutzung an die Oberfläche, um sie zu reduzieren und zu kompensieren.“ Diese stehen – so Reiche weiter – nämlich nicht auf dem Preisschild, dass euch nur eine „finale Endsumme“ zeigt. Da es wichtig ist, den „ökologischen und sozialen Fußabdruck“ zu „zeigen und reduzieren“, macht Henning Reiche keinen Hehl aus diesen Angaben und deckt sie für uns und für euch auf. Sein Ziel ist es, „dass Unternehmen verpflichtet werden, mit realen Preisen zu rechnen, in denen die externen Auswirkungen auf Mensch und Natur enthalten sind. Dann werden Unternehmen, die bisher ein ausbeuterisches System betrieben haben, ihre Preise erhöhen, nachhaltige Wettbewerber erhalten eine faire Chance und Verbraucher:innen können eine zukunftssichere Wahl treffen. Jeder Kauf von TRUESDAY Specialty Coffee ist insofern auch die Abgabe deiner Stimme für ein neues nachhaltigeres Wirtschaftsmodell.“ Aus verschiedenen Gründen verzichtet Henning Reiche auch auf Fairtrade-Zertifikate, da sie u.a. eine höhere (finanzielle) Belastung für die Kaffeebauern vor Ort bedeuten. Die im Sortiment zu findenden Kaffees und Espressi sind von der „Specialty Coffee Association“ (SCA) mit einem Score zwischen 80 und 86 Punkten bewertet worden. So wird die Qualität für den Konsumenten gewährleistet.
Übersicht über das Sortiment
Aktuell (Stand 08/22) hat „TRUESDAY“ zwei Espressi (bzw. auch für Vollautomaten geeignet) zwei Omni-Roast und einen Kaffee, der für Filter & French Press vorgeschlagen wird, im Sortiment. Auf der ansprechend gestalteten Homepage finden wir – wie auch auf den Verpackungen der jeweiligen Sorten – ausführliche Beschreibungen zu den Kaffees bzw. dem Espresso. Das Besondere ist, dass ihr die Sorten wahlweise im klassischen Beutel als auch in einer Glasflasche bestellen könnt. So tut ihr etwas Gutes für die Umwelt. Neben einem Einzelkauf ist auch ein Abo möglich. Sämtliche Sorten können wahlweise in der Glasflasche oder im Beutel zu 250g, 500g und 1kg geordert werden. Neben den Angaben zu den „wahren“ Kosten listet Henning Reiche auch bei jeder der fünf Sorten die Kompensationszahlungen je Kilogramm auf. Dies sind Gelder für gepflanzte Bäume, Spenden für Bildungseinrichtungen oder auch für die Farmerkooperativen.
Ausgewählte Sorten in der Vorstellung und im Geschmackstest
Für unseren Test hat uns die Kaffeerösterei „TRUESDAY“ ihre fünf Sorten zur Verfügung gestellt.
Die Kaffees und Espressi kommen in einer Standboden-Verpackung daher (oder - falls gewünscht - in der Glasflasche), sodass der Kaffee leichter und öfter zu entnehmen ist. Verschlossen werden kann er dadurch ebenfalls. Auf Aluminium oder andere Materialien wird bei der Herstellung der Verpackungen bewusst verzichtet. Die Flaschen und Tüten sind bunt und äußerst ansprechend gestaltet. Alle wichtigen Informationen sind dort zu finden. Besser geht es nicht!
Zubereitung
Gemahlen haben wir die Sorten – wie immer – mit unserer Comandante C40 MK3 Nitro Blade. Handmade ist eben auch hier das Nonplusultra. Für den Espresso kam unsere Baratza Sette 270Wi zum Einsatz. Zubereitet haben wir die Sorten im Hario V60 Handfilter nach dem Gold-Standard, im Siebträger und im Vollautomaten.
Der Bio-Kaffee „Guji“ aus Äthiopien
Wir beginnen unsere Reise rund um den „Kaffeegürtel“ mit einem tollen Kaffee aus Äthiopien, der Wiege des Kaffees, genauer gesagt, aus der Region Guji im Westen des Landes fast an der Grenze zum Südsudan. Dort wird der Rohkaffee von einer Kooperative von Kleinbauern in einer Höhe von 1.900, bis 2200m angebaut und washed, aber auch pulped natural aufbereitet. Er liegt in den Varietäten Bourbon und Typica vor. Der Cupping Score liegt bei 85.
Unser Eindruck: Als Stichwort habe ich mir auf meinem Zettel „Fruitpunch“ notiert. Der Kaffee ist fruchtig und hat etwas von Obstsalat. Ein tolles Bouquet, kaum Säure und eine feine Süße. Da er einen mittleren Körper hat, eignet er sich perfekt an schönen Sommertagen. Auch als Cold Brew kann man ihn sehr gut trinken.
Der Bio-Kaffee „Cauca Excelso“ aus Kolumbien
Die Berge Kolumbiens erzeugen eine Vielzahl von Mikroklimata, die dem Kaffee einzigartige Charakteristika verleihen. Dies gilt auch für den aus der Region Cauca im Südwesten des Landes stammenden Kaffee. Die Kooperative Asobombo baut in der für ihren Spitzenkaffee bekannten Gemeinde Inzá-Páez den Kaffee in einer Höhe von 1.600m bis 2.200m in den Varietäten Caturra & Castillo an. Der SCA-Score liegt bei 84.
Unser Eindruck: Man merkt schon beim Aufbrühen die Hohe Qualität des Kaffees. Das reiche Bouquet mit Noten von Schokolade, süßen Obstnoten, beinahe schon ins Tropische gehend und einem floralen Beiklang wird schnell in der Nase wahrgenommen. Im Mund macht sich diese wunderbar-komplexe Aromenkomposition angenehm breit und schmeichelt dem Gaumen. Wer es fruchtig und weniger am Mainstream orientiert mag, der wird diesen Kaffee lieben.
Der Espresso Blend „Chiapas“ aus Mexiko
Habt Ihr schon von der „Finca Fulda“ gehört? Das ist eine Kaffeefarm in Mexiko, deren Besitzer Rainer Boehme - ein ehemaliger Fuldaer - vor 30 Jahren aus Deutschland aus- und in das nordamerikanische Land eingewandert ist. 1980 machte er erste Erfahrungen mit dem Bereich Landwirtschaft und gründete eine Rinderfarm; 1987 begann er mit dem Kaffeeanbau.
Aus Liebe zu seiner ehemaligen Heimat hat Rainer Boehme eine seiner Kaffeefarmen nach der Domstadt benannt. Auf der Finca Fulda gibt es eine Schule für die Kinder der bis zu 450 Mitarbeiter, eine kleine Klinik, einen Fußballplatz und eine Kantine mit kostenfreiem Essen.
Die Finca Fulda liegt nahe der Grenze zu Guatemala in Tapachula im Bundesstaat Chiapas ganz im Südosten des Landes. Kaffees aus Chiapas, der größten Anbauregion Mexikos, verfügen über hervorragende Steinfrucht- und Kakaonoten. Der tropische Dschungel im Südosten von Mexiko schafft ein hervorragendes Klima für einen besonderen Kaffeegenuss. Mit 20% Robusta, ist hier eine tolle Basis für den uns vorliegenden Kaffee gegeben.
Der Arabica des Blend „Chiapas“ kommt aus Sierra Azul. Zur Ernte und Produktion haben sich mehrere Kaffeebauern zu einer Kooperative zusammengefunden. Aufgrund der vor Ort schlechten Infrastruktur versucht die Kooperative gerade jungen Männern eine Chance zu bieten. Bildung und Schulungen sind hier besonders wichtig. Neben Kaffee bauen die Mitglieder der Kooperative auch Grundnahrungsmittel wie Mais an.
Unser Eindruck: Der Espresso bildet eine wunderschöne Crema. Geschmacklich erkennen wir Noten von Nussschokolade, Zimt und ein klein wenig Anklänge von Strauchtomate. Insgesamt ein eher milder Blend, der wenig Säure aufweist.
Der „Sierra Azul“ aus Brasilien
Hierbei handelt es sich um einen reinen Arabica, der von der Kooperative El Triunfo produziert wird. Der Anteil aus dem oben genannten Espresso ist hier ganz klar zum 100% Arabica gegeben. Der Rohkaffee wächst in einer Höhe von 1.200m bis 1.800m und liegt in den Varietäten Bourbon, Catimor und Caturra vor. Ein geschmacklich feiner, etwas fruchtbetonter Kaffee, der bei schönem Wetter auf der Terrasse mit Freunden genossen werden kann.
Der „Seasonal Lot“ aus Brasilien
Last but not least haben wir den „Seasonal Lot“, der dieses Mal von der Fazenda California, Brasilien kommt. Der in einer Höhe von gerade einmal 750m angebaute und trocken aufbereitete Kaffee liegt in der Varietät Obatã vor. Die Fazenda steht seit vielen Jahren für die regenerative Landwirtschaft und setzte schon immer in diesem Bereich Trends.
Unsere Meinung: Ein besonders spannender und absolut nicht „mainstreamiger“ Kaffee mit einem komplexen Bouquet, bestehend aus Süße, Steinobst und einem samtigen Mundgefühl sowie einem langen Abgang.
Fazit: Die von uns getesteten Sorten konnten komplett überzeugen. In Sachen Nachhaltigkeit und Fairness erfahren wir so ziemlich alles, was man sich als Konsument wünschen kann. Die Qualität des Kaffees ist auf hohem Niveau und in Punkto Transparenz kann sich auch so manch „großer“ Kaffeeröstmeister einige Scheiben von Henning Reiche abschneiden! Daher können wir euch eine absolut uneingeschränkte Kaufempfehlung mit bestem Gewissen geben.
Die inn-joy Redaktion vergibt 10 von 10 Punkten.
Zusammensetzung der Gesamtbewertung:
Qualität: 10 von 10 Punkten
Fairness und Nachhaltigkeit: 10 von 10 Punkten
Geschmack: 9 von 10 Punkten
Transparenz: 10 von 10 Punkten
Die inn-joy Redaktion bedankt sich bei der Henning Reiche von der Kaffeerösterei „TRUESDAY“ für die zur Verfügung gestellten Testexemplare.
D. Stappen