Stillgestanden! One Military Camp ist da (PC-Review)
Es gibt Spiele, die uns mit Realismus, düsterer Atmosphäre und tiefgehender Story fesseln. Und dann gibt es One Military Camp – ein Spiel, das sich mit einem Augenzwinkern in die Nische des Basisaufbaus stürzt und uns zeigt, dass selbst das Militär mit Humor, Herz und einer Portion Chaos funktionieren kann. Abylight Studios, die schon seit 2004 ihr Händchen für charmante Simulationen beweisen, liefern hier ein Werk ab, das zwischen Präzision, Wahnsinn und liebenswerter Albernheit balanciert – und dabei erstaunlich gut funktioniert.
Bereits das Intro macht klar: Hier wird kein realistisches Kriegsdrama erzählt, sondern eine Parodie auf die Idee von Ordnung, Disziplin und Heldenmut. Der größenwahnsinnige Dragan – halb Sowjet-Diktator, halb Cartoon-Schurke – hat den gesamten Kontinent erobert und lässt nichts als Chaos zurück. Nur unser kleines, heruntergekommenes Militärlager trotzt ihm noch. Und genau das soll nun unter unserer Führung zur letzten Bastion der Freiheit werden. Klingt heroisch? Vielleicht. In Wahrheit ist es eher ein komödiantischer Spießrutenlauf zwischen Gummienten, übermotivierten Rekruten und einem Basenbau, der uns regelmäßig zwischen Stolz und Panik schwanken lässt.
Der Einstieg gelingt dank eines liebevoll gestalteten Tutorials, das uns Schritt für Schritt durch die Grundlagen führt: Gebäude errichten, Ressourcen verwalten, Rekruten ausbilden, Spezialisten fördern. Schnell wird klar – hier steckt weit mehr drin, als es die cartoonhafte Optik vermuten lässt. Jede Entscheidung hat Konsequenzen. Wer seine Krankenstation zu weit vom Trainingsgelände entfernt platziert, riskiert ineffiziente Abläufe. Wer die Kantine neben den Schlafbaracken baut, sorgt für Lärmbelästigung und müde Soldaten. Und wer vergisst, ausreichend Stromgeneratoren oder Lagerhallen zu errichten, sieht bald, wie das schön geplante Camp im Chaos versinkt.
Doch genau das macht den Reiz von One Military Camp aus: dieses stetige Austarieren von Effizienz und Wahnsinn, von Mikromanagement und Improvisation. Wenn alles einmal läuft, fühlt man sich tatsächlich wie ein General, der eine gut geölte Maschine dirigiert. Wenn es schiefläuft – und das wird es –, erinnert das Spiel uns daran, dass jede Armee nur so stark ist wie ihr schwächstes Glied.
Was das Spiel jedoch besonders macht, ist sein Humor. Während andere Managementspiele steril und nüchtern wirken, strotzt One Military Camp vor Selbstironie. Da werden Blumen „enthauptet“, um Heuschnupfen zu vermeiden, oder Soldaten mit der Begeisterung eines Kleinkinds in den Krieg geschickt. Die Dialoge sind herrlich absurd, die Animationen der Figuren charmant überdreht, und die quietschbunte Grafik sorgt dafür, dass man nie vergisst, dass hier alles eher Satire als Simulation ist. Die Anleihen an Two Point Hospital und Theme Hospital sind deutlich – und doch schafft es Abylight Studios, eine eigene, unverwechselbare Note zu finden.
Die musikalische Untermalung tut ihr Übriges. Mit ihren beschwingten Marschrhythmen, Trommeln und Blechbläsern erinnert sie an eine Mischung aus Armeemarsch und Zirkuskapelle – genau das richtige Maß an Ironie, um die Szenerie nie zu ernst werden zu lassen. Auch wenn One Military Camp keine vollständige Sprachausgabe bietet, geben kleine Jubelrufe, Rufe der Erschöpfung oder das triumphierende „Jawohl!“ beim Abschluss einer Mission dem Spiel eine charmante Lebendigkeit.
Inhaltlich teilt sich das Spiel in zwei große Säulen: den Basenbau und die Strategie. Während wir auf der einen Seite unsere Soldaten trainieren, Gebäude platzieren und das Lager optimieren, schicken wir auf der anderen Seite Truppen auf Missionen in die Welt hinaus. Diese Einsätze laufen leider nur über Fortschrittsbalken ab – man klickt, wartet und hofft. Hier fehlt es an Interaktivität; ein wenig mehr Spannung oder taktische Tiefe hätte diesem Teil gutgetan. Doch die Vorbereitung der Missionen – die richtige Auswahl von Spezialisten, das Management von Ressourcen und die ständige Angst, den falschen Rekruten zu verlieren – bringt dennoch genug Nervenkitzel, um motiviert zu bleiben.
Finanziell ist One Military Camp gnadenlos ehrlich. Jeder Soldat kostet Geld, jede Mission birgt Risiko. Wer zu schnell expandiert, riskiert den Bankrott. Wer zu vorsichtig agiert, bleibt ewig im Niemandsland. Dieses fragile Gleichgewicht aus Wachstum und Überleben hat mich mehr als einmal dazu gebracht, nachts noch „nur kurz“ die Finanzen zu checken – und dann doch zwei Stunden später immer noch dazusitzen, während mein Lager wieder einmal in Flammen stand.
Besonders gelungen ist der Sandbox-Modus, der nahezu grenzenlose Anpassung erlaubt. Ob Biome, Schwierigkeitsgrad, gegnerische Generäle oder Zufallsereignisse – alles lässt sich konfigurieren. Wer nach der Kampagne noch nicht genug hat, kann hier seine perfekte Version des Kriegschaos erschaffen. Der alternative Kampfmodus, in dem der Feind aktiv versucht, unsere Gebiete zurückzuerobern, sorgt zusätzlich für Spannung und fordert auch erfahrene Strategen heraus.
Doch trotz all seiner Qualitäten ist One Military Camp nicht perfekt. Das Mikromanagement kann auf Dauer ermüden, gerade wenn man in größeren Lagern ständig einzelne Soldaten manuell zuweisen muss. Eine intelligentere KI oder ein paar Automatisierungsoptionen hätten hier Wunder gewirkt. Auch das Fortschrittssystem fühlt sich stellenweise etwas unausgegoren an – zu Beginn langsam, später sprunghaft. Und wer hofft, hier eine tiefsinnige, satirische Auseinandersetzung mit Militarismus oder Krieg zu finden, wird enttäuscht: One Military Camp bleibt stets oberflächlich, vermeidet jede Form politischer Aussage und konzentriert sich lieber auf Spaß und Witz.
Aber das ist vielleicht genau seine Stärke. Denn selten hat sich das harte Leben eines Generals so unbeschwert angefühlt. Es ist ein Spiel, das nicht versucht, klüger zu sein, als es sein muss – sondern einfach Freude an seinem eigenen absurden Konzept hat. Wenn ich meinen Soldaten zusehe, wie sie stolpernd durchs Trainingsgelände rennen oder sich beschweren, weil die Kantine mal wieder leer ist, kann ich gar nicht anders, als zu schmunzeln.
Am Ende bleibt One Military Camp ein sympathischer, bunter und humorvoller Basisbauer, der sowohl Neulinge als auch Veteranen des Genres abholt. Es ist kein Spiel, das die Managementwelt revolutioniert, aber eines, das sie mit Herz und Witz bereichert. Wer Geduld mitbringt und sich auf den schrägen Humor einlässt, wird hier stundenlangen Spielspaß finden – irgendwo zwischen Militärsatire, Aufbausimulation und Gute-Laune-Komödie.
Fazit: One Military Camp ist kein Strategie-Epos, sondern eine charmante, manchmal chaotische Hommage an den Basenbau-Klassiker vergangener Tage. Es ist bunt, witzig, und trotz kleiner Macken ein echter Geheimtipp für alle, die wissen wollen, wie viel Spaß Disziplin machen kann.