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| Marc Heiland | PC-Games

News TowerNews Tower beginnt mit einer beinahe nostalgischen Erinnerung an die lebendige Atmosphäre alter Redaktionen: das Klingeln klappernder Tastaturen, die schnellen Zurufe zwischen Schreibtischen, hektische Meetings in zu kleinen Räumen, gemeinsames Lachen beim Mittagessen und der spontane Sprint eines Kollegen zu einem PR-Event am Strand von Bondi Beach. All das steht im Kontrast zur modernen Kommunikationswelt voller Slack-Channels, Discord-Nachrichten und tonloser Kommunikation, die das Herz einer Redaktion kaum ersetzen kann. Genau hier setzt News Tower an, das neue Tycoon- und Managementspiel von Sparrow Night, das den Journalismus der frühen 1930er-Jahre wieder zum Leben erwecken soll. Die große Frage lautet: Gelingt es dem Spiel, diese vibrierende Redaktionswelt einzufangen, oder scheitert es an seinem eigenen Anspruch?

News Tower entführt den Spieler in das New York der Jahre 1930 bis 1934 und präsentiert sich als tiefgreifende Management-Simulation, bei der man jedoch nicht als Reporter unterwegs ist, sondern als Mischung aus Chefredakteur, Finanzchef, Personalverantwortlichem, Facility Manager und gelegentlichem Justiziar agiert. Der Ausgangspunkt ist ein heruntergekommener Ein-Stockwerk-Bau, das ruinöse Erbe eines Onkels, der Schulden bei Gangstern und Geschäftsleuten hinterlassen hat und spurlos verschwunden ist. Dieses kleine, chaotische Häufchen Restzeitung soll nun zu einem Medienimperium aufgebaut werden. Dafür stellt man Mitarbeiter ein – Reporter, Telegrafisten, Setzer, Montagearbeiter, Reinigungskräfte, Handwerker sowie später Fotografen, Illustratorinnen, Anwälte und Vertriebspersonal. Jeder Mitarbeitertyp hat unterschiedliche Stärken, Schwächen, Ticks oder nützliche Eigenschaften, die später teilweise in Form nicht entfernbarer Boni festgeschrieben werden und dafür sorgen, dass man wählerischer wird, weil man schließlich die besten Kräfte haben möchte.

Die Reporter sind in sechs Themenfelder unterteilt – Kriminalität, Wirtschaft, Unterhaltung, Gesellschaft, Politik und Sport – und jeder von ihnen kann nur drei dieser Bereiche zuverlässig abdecken. Taucht plötzlich eine Eilmeldung auf, die vier Gesellschafts-Reporter erfordert, steht man da wie in einem echten Newsroom: unterbesetzt, gestresst und mitten im Chaos. Jede Woche im Spiel ist ein kurzer, intensiver Mikrokosmos journalistischer Abläufe. Telegrafisten liefern Storys an, man verteilt sie an die passenden Reporter, diese recherchieren und liefern Material zurück, woraufhin das Setzen und Layouten beginnt. Anschließend bestückt man die Zeitung, kombiniert Themen, fügt Bilder hinzu, optimiert Multiplikatoren für Reichweite und Relevanz und kämpft stets gegen die Uhr. Gleichzeitig mischen unterschiedliche Fraktionen mit – Mafia, Bürgermeister, High Society, Militär – und alle wollen Einfluss nehmen. Manche verlangen bestimmte Themen, andere drohen bei Ignoranz mit Ärger, Klagen, Einsprüchen oder sogar verwüsteten Büros. Doch gerade dieses Chaos ist einer der größten Reize des Spiels, denn wenn alles reibungslos funktioniert und man nach einer schweren Woche endlich den Druckhebel zieht, entsteht ein befriedigendes Gefühl, das dem echten journalistischen Erfolgserlebnis erstaunlich nahekommt.

News Tower vereint zwei vollwertige Systeme, die gleichermaßen Segen und Fluch sind. Einerseits gibt es die motivierende Zeitungssimulation mit Recherche, Headlines, Layout, Storykombinationen, Zielgruppen, Verkauf, politischen Risiken und journalistischen Entscheidungen. Andererseits existiert die Gebäudesimulation, die an Spiele wie Two Point Hospital oder Die Sims erinnert und den Spieler mit Aufgaben wie Toilettenbau, Müllentsorgung, Heizungsreparaturen, Vorratsmanagement, Papierbestellungen, Aufzugwartung, Pausenraumgestaltung und Reinigungskräftekoordination konfrontiert. All das geschieht parallel zum Versuch, riskante Storys zu managen, die Reporter ins Krankenhaus schicken könnten, oder die Mafia im Zaum zu halten. Für manche Spieler ist diese Kombination großartig, andere hingegen fühlen sich von der Masse an Mikroaufgaben überlastet. Besonders problematisch wird es, wenn man moderne Automatisierungssysteme wie Aufzüge oder Pneumatikröhren freischaltet, die eigentlich Effizienz bringen sollen, aber stattdessen alles verlangsamen. Treppensteigen ist schneller als jede Röhrenpost, und ein Tower-Umbau kann die Produktivität wochenlang lahmlegen. Dieser unausgereifte Automatisierungsaspekt gehört zu den größten Schwächen des Spiels.

Ein echter Pluspunkt sind dagegen die historischen Bezüge. Zwischen 1930 und 1934 tauchen reale Ereignisse auf – der Aufstieg des Faschismus, Mafiaaktivitäten, politische Skandale, Prohibition, Filmgeschichte, Sportereignisse – und alles ist respektvoll, nüchtern und historisch korrekt umgesetzt. Sensible Themen wie NS-Deutschland lassen sich optional umgehen. Optisch zeigt sich News Tower eher schlicht und funktional, doch die Atmosphäre der 1930er-Jahre wird hervorragend eingefangen. Der Soundtrack ist ein jazziges Big-Band-Feuerwerk mit echten Instrumenten und sorgt für ein lebendiges, hektisches Grundgefühl, das perfekt zum Gameplay passt. Soundeffekte sind zurückhaltend, aber wirkungsvoll. Insgesamt richtet sich das Spiel klar an Liebhaber anspruchsvoller Management-Titel. Die Mechaniken sind sinnvoll, herausfordernd und unglaublich befriedigend. Jede Entscheidung zählt, jede Woche ist ein kleines Drama, jeder Druckmoment ein Höhepunkt. Wer jedoch keinen Stress, Zeitdruck oder Multitasking mag, wird schnell überfordert sein, denn News Tower verlangt ständige Aufmerksamkeit und strategisches Denken. Und gerade das macht seinen Reiz aus.

8Fazit: Am Ende steht News Tower als Liebesbrief an das goldene Zeitalter des Journalismus im Raum – an eine Epoche, in der Zeitungen politische Macht hatten, Reporter Stars waren und Redaktionen vor Energie bebten. Das Spiel kombiniert gut recherchierte Inhalte mit komplexer Tycoon-Mechanik und einem charmant nostalgischen Setting. Es ist fordernd, stellenweise gnadenlos und gelegentlich frustrierend, aber fast immer hochgradig motivierend und lohnend. Trotz Schwächen im Automatisierungssystem, fehlendem echten Journalismus und einem manchmal überfordernden Gebäudemanagement liefert es ein intensives, atmosphärisches und erstaunlich tiefes Spielerlebnis. Insgesamt steht News Tower als eines der besten modernen Tycoon-Spiele da – vorausgesetzt, man ist bereit, sich auf den intensiven, chaotischen, aber belohnenden Alltag eines 1930er-Newsrooms einzulassen, was eine Wertung von 8 von 10 Punkten rechtfertigt.

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