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Shadow of the Colossus | Review (PS4 / PS4 Pro)

| Marc Heiland | Konsolen

ShadowBild1Meilensteine und Meisterwerke - Mit solchen Begriffen muss man in der PC- und Videospielewelt stets ein wenig vorsichtig sein, besteht doch die Gefahr, dass sie sich sonst allzu schnell abnutzen. Denn eigentlich gibt es nur eine Hand voll Spiele, die Genres begründeten, den nachfolgenden Generationen Wege bereiteten und bis heute nur schwer übertroffen werden. Zu diesen Meilensteinen gehören auf dem PC zweifellos „Command & Conquer“ und „Half-Life“, auf den Nintendo-Konsolen „Mario“ und „Zelda“, auf den Xbox-Konsolen „Halo“ und „Forza Motorsport“ sowie auf den PlayStation-Konsolen Giganten wie „God of War“, „ICO“ und „Shadow of the Colossus. Gerade der letztgenannte Titel steht natürlich besonders im Fokus der „Wegbereiter“, inspirierte er doch viele Studios.

Nicht ohne Grund hat sich bis dato noch kein weiterer Entwickler an einen möglichen Nachfolger gewagt. Da diese Klassiker auf der PS4 doch sehr rar gesät sind, und Sonys aktuelle Konsolengeneration eher von Remaster-Auflagen und Remakes bekannter Klassiker lebt, hat man sich bei Sony dazu entschieden, DEN Klassiker schlechthin von Grund auf zu erneuern, um „Shadow of the Colossus“ nicht nur der aktuellen „Zielgruppe“ der PS4 und den jüngeren Käufern anzubieten, sondern den „Blockbuster“ endlich in das zeitgemäße grafische Gewand zu kleiden, das schon zu seiner Erstveröffentlichung vor 13 Jahren auf der PS2 dem Titel gerecht geworden wäre und angedacht war. Einzig die Power der damaligen Konsole (und der Nachfolgegeneration) machten es nicht möglich, den Schatten der Kolosse so erstrahlen zu lassen, wie es nun endlich möglich geworden ist.

Dieselbe Faszination auch nach all den Jahren

Ich muss zugeben, dass mich „Shadow of the Colossus“ Anno 2006 mit gemischten Gefühlen zurückgelassen hat. Einerseits war ich von dem neuartigen Setting fasziniert, von der Welt begeistert und von den Kämpfen gegen die mächtigen Kolosse beeindruckt. Andererseits hat mich die Steuerung so manches Mal schon ein wenig frustriert und auch bei der Grafik hätte ich mir noch mehr Details, eine feinere Zeichnung der Charaktere und irgendwie noch ein wenig mehr von allem gewünscht. Doch natürlich ging das zur Zeiten der technisch limitierten PS2 kaum besser. Trotz der kleinen Wermutstropfen habe ich schon damals den Titel für einen Meilenstein auf der Sony-Konsole erachtet.

Als dann vor rund sieben Jahren die optisch aufpolierte HD-Fassung im Bundle mit „ICO“ erschien, stellte ich fest, dass meine Wünsche in Sachen Grafik – für damalige Verhältnisse – schon weit eher erfüllt wurden, als noch fünf Jahre zuvor. Doch nun, über ein Jahrzehnt nach dem Launch der Ur-Fassung habe ich das Gefühl, dass – rein von der Grafik her – „Shadow of the Colossus“ sich nun dem „Endziel“ bestmöglich angenähert hat, welches schon damals bei Fumito Ueda und seinem Entwicklerteam im Hinterkopf spukte. Denn für die Neuauflage des Kult-Titels für die PS4 hat man – im wahrsten Sinne des Wortes – keinen Stein auf dem anderen gelassen und alles komplett neu überarbeitet. Herausgekommen ist ein Meisterwerk der Extraklasse, dem man sein Alter an fast keiner Stelle mehr ansehen kann. Würde mir jemand den Titel vorstellen und ich wüsste nichts über diesen, so würde ich bedenkenlos glauben, dass es sich um einen nagelneuen Titel für die PS4 handelt. Ich glaube ein größeres Kompliment kann man einem Entwicklerstudio für eine Neuauflage nicht aussprechen.

ShadowBild2Inhaltlich ist die neue Auflage natürlich exakt dieselbe, wie schon 2005 bzw. für Europa 2006. Nach wie vor schlüpft ihr in die Rolle des Wander, einem jungen Mann, der ein ebenso junges Mädchen aus dem Reich der Toten zurückholen will, da sie einem Opferritual anheim fiel. Um sie zurück ins Reich der Lebenden zu holen, reist er mit seinem Pferd über viele Kilometer durch ein unbekanntes Land bis hin zu einem Tempel, wo er sie aufbahrt. Dort sollen gewaltige Mächte herrschen, denen es möglich ist, die Toten ins Leben zurückzuführen. Doch dafür wollen sie eine Gegenleistung. Wander soll 16 Kolosse zerstören, welche durch ihr Ableben die Energie freisetzen, das Mädchen wieder ins Leben zu holen. Die Macht über Leben und Tod verleiht dem jungen Heroen dabei sein Schwert, das auch gleichzeitig eine Art Kompass darstellt und durch seinen Schein anzeigt, wo der nächste Koloss zu finden ist. Mit Hilfe des Schwerts und der Map bereist ihr also in den folgenden Stunden die Spielwelt, um die Kolosse zu finden, zu bezwingen und schlussendlich auch zu töten.

Mit vielen Emotionen

Egal ob ihr das Spiel bereits auf den beiden „alten“ Konsolen gespielt habt oder Neuling seid: Wenn ihr das erste Mal auf einen Koloss trefft, werdet ihr diesen Moment kaum vergessen. Vor allem beim allerersten der 16 Giganten ist die Begegnung atemberaubend. Wie friedlich er doch durch die Landschaft stampft und wie wenig Gefahr er doch ausstrahlt. Und diesen „Friendly Giant“ müssen wir nun töten? Eigentlich steht mir überhaupt nicht der Sinn danach. Stattdessen würde ich ihm viel lieber folgen, schauen, was er so treibt und Freundschaft mit ihm schließen. Doch das Ganze dient ja einem größeren Zweck, wenngleich ich als Spieler noch keine großen Gefühle für die tote Maid in mir verspüre und dem Wander zuliebe nun auf den Koloss klettere, um ihn in die ewigen Jagdgründe zu schicken. Bevor dies jedoch passiert, wird zunächst einmal der Gigant auf mögliche Schwachstellen hin mit dem Schwer „beleuchtet“. Und siehe da: Das Bein und die Stirn schimmern, wodurch klar ist, wo der Koloss verwundbar ist. Klar, dass der Riese sich windet und versucht, mich wie Ungeziefer aus seinem dicht gewachsenen Pelz zu schütteln. Immer wieder muss ich nun versuchen, Halt zu finden und das Schwert in den Leib des Giganten zu rammen. Auch wenn mir das tatsächlich Schmerzen bereitet, nehme ich die Aufgabe an und wahr und nach kurzen Manövern ist es um den ersten Koloss geschehen. Die dunkle Energie verlässt seinen geschundenen Körper und die steinerne Figur im Tempel, die für seinen Geist steht, zerspringt in tausende Einzelteile. Dies macht die tote Maid zwar noch lange nicht lebendig, doch der große Sieg ist ein wenig näher gerückt. Wer nun glaubt, durchatmen zu können, der irrt. Denn sofort geht es weiter auf die Jagd nach Koloss Nummer Zwei.

Unterm Strich ist „Shadow“ eigentlich nichts anderes, als die Jagd auf die 16 Giganten. Der Unterschied ist jeweils nur der, die Stärken und Schwächen der Feinde zu erkennen, die eigenen Bewegungen auf die der Riesen abzustimmen und Taktiken zu finden, sie letztlich zu besiegen. Wie aber bereits erwähnt, stellt sich nicht – wie zuletzt beim großartigen „Monster Hunter World“ – ein Gefühl der Glückseligkeit ein, wenn man dann schlußendlich den Feind auch erfolgreich besiegt hat. Vielmehr ist der Tod der Kolosse eine Etappe zum Ziel aber auch eine moralische Komponente, die weit über all das herausragt, was vergleichbare Titel zu bieten hatten und haben. Denn egal wie weit man kommt – man fühlt sich schuldig. Auch wenn man sich winzig, ja schutzlos und ausgeliefert fühlt, bleiben die Kolosse doch allesamt keine von Haus aus aggressiven Gegner, deren einziges Ziel ist, Wander zu vernichten, wenngleich spätere Gegner durchaus furchteinflößend und fieser sind. Einer der faszinierendsten Kolosse ist der fliegende Koloss. Wer möchte, darf hiervon (und auch von allen anderen Kolossen) Fotos machen und teilen. Eine moderne und manchmal vielleicht sogar ganz nette Ergänzung.

Nicht ganz perfekt, aber nahe dran

Obwohl das Spiel quasi komplett überarbeitet wurde, hat man in Sachen Kameraführung und Steuerung leider nicht alles bis ins letzte Detail verbessert. Denn auch wenn es eine „moderne“ Steuerung gibt, läuft nicht immer alles ganz reibungslos und auch die Kamera ist nicht immer bestmöglich „in Position“. Warum man beispielsweise zum Klettern erst R2 drücken und dann mit X springen soll, ist mir persönlich ein Rätsel. Und auch das Stoßen mit dem Schwert über die Quadrat-Taste hätte klassisch über die Schultertaste gelöst werden können. Nervig sind auch die stellenweise unpräzisen Sprünge, die regelmäßig zu Abstürzen und damit dem Verlust einiger Lebensleiste bzw. der eh schon recht limitierten Ausdauer einher gehen. Ein Beispiel: Ihr befindet euch auf dem Weg zum 3. Koloss und müsst durch das Wasser über eine Art Stiege und von dort weiter springen. Nur leider greift Wander nicht immer richtig zu, sodass es bei uns im Test mehrfach vorkam, dass wir ins Wasser fielen und den ganzen Weg nochmal von vorne beginnen mussten. So etwas kann den Spielfluß und Spaß hemmen. ist auch, dass das Spiel nach wie vor in streng vorgegebenen Schlauch-Levels abläuft. Die Freiheiten heutiger Open World-Titel kannte man freilich im Jahr 2005 noch nicht. Doch hier hätte man den Titel öffnen können, ja sogar müssen. Denn Begrenzungen aus Zeiten der PS2 und PS3 sollten heutzutage der Vergangenheit angehören. Schlechter macht diese „natürliche“ Spielbegrenzung das Erlebnis allerdings nur ganz marginal. Aufgepeppt hat man übrigens nicht nur die Grafik; auch beim Sound hat sich eine Menge getan. Zwar verfügt der Titel nach wie vor „nur“ über die Fantasiesprache und deutsch Untertitel. Dafür erklingt das Ganze im Heimkino-Sound nochmal so eindrucksvoll. Ein dickes Lob an die Sound-Designer von Sony!

9Fazit: Wunderschön, kolossal (die Vokabel passt ja hier sehr gut). Diese beiden Begriffe gingen mir zuallererst durch den Kopf, als ich die Neuauflage von „Shadow of the Colossus“ spielte. Grafisch spielt der Titel ganz oben mit und auch die einzigartige Grundstimmung, die auch schon beim Release 2006 für Faszination sorgte, ist nach wie vor spür- und greifbar (vielleicht dank der wunderbaren Grafik noch mehr als damals). Dennoch kämpft das Spiel noch immer mit einigen wenigen Macken der „Urfassung“ wie der stellenweise ungenauen Steuerung, den „unsichtbaren Wänden“ und der nicht immer optimalen Kameraführung. Doch das ist Kritik auf allerhöchstem Niveau. Jedem, der auch nur ansatzweise etwas mit der Thematik anfangen kann, der etwas ganz Besonderes in der schnelllebigen Welt der Videospiele-Industrie miterleben will oder sich endlich den Klassiker in dem Gewand anschauen möchte, das den Entwicklern zweifelsfrei schon auf der PS2 vorschwebte, sollte sich die Neuauflage zulegen. Ihr werdet es definitiv nicht bereuen.

Die inn-joy Redaktion vergibt 9 von 10 Punkten.

Die inn-joy Redaktion bedankt sich bei Sony für das zur Verfügung gestellte Testmuster.

U. Sperling

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