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Far Cry 6 | Review (XBSX)

| Marc Heiland | Konsolen
FarCry6Bild1Far Cry steht – neben Crysis – für tropische Inselparadise, für allerlei verrückte Charaktere, fiese Bösewichte und jede Menge effektvolle Balleraction. Mit Ausnahme des „Steinzeitablegers“ wurde von Beginn an nach diesem Muster verfahren. Und auch in „Far Cry 6“ bleibt sich Ubisoft im Kern dabei treu. Ob das nach den vielen Ablegern immer noch bei den Fans ankommen kann, haben wir für euch anhand der XBSX-Version getestet.  
 
Jetzt auch mit Hollywood-Stars
In den vergangenen Ablegern waren die Bösewichter immer am Rande des Wahnsinns angesiedelt. Egal ob übereifrige Propheten, größenwahnsinnige Typen, verrückte Zwillingsschwestern oder andere durchgeknallte Irre. Sie alle hatten gemeinsam, dass sie keine „realen“ Charaktere waren – bis jetzt. Denn mit dem neuen Teil gibt sich erstmals ein echter Star ein Stelldichein. Die Rede ist von  Giancarlo Esposito, der euch unter anderem aus der Serie „Breaking Bad“ ein Begriff sein sollte. Im neuen Far Cry schlüpft er in die Rolle des Diktators Antón Castillo, der über die fiktive Insel Yara herrscht, deren reales Vorbild Kuba darstellt. Dort lebt er gemeinsam mit seinem Sohn Diego, den er nach und nach in seine künftige Rolle als Alleinherrscher der Insel einführen möchte. Doch während Vater Castillo gemeinsam mit seinen Schergen die Insel beherrscht, kann Diego dem Morden, Foltern und düsterem Treiben so gar nichts abgewinnen und wird daher immer wieder von seinem Vater auf den „richtigen“ Weg zurückgeführt. 
Im Spiel übernehmt ihr die Rolle von Dani Roja, eines Guerillakämpfers oder einer Guerillakämpferin (das Geschlecht legt ihr vor dem eigentlichen Spiel fest), der oder die mit anderen Freiheitskämpfern der Widerstandsgruppe „Libertad“ Castillo und seine Armee vernichten und die Bevölkerung von Yara von der Knechtschaft befreien soll. 
Leider bekommen wir Castillo im Spiel relativ wenig zu Gesicht, was in Anbetracht der tollen schauspielerischen Leistungen von Esposito sehr schade ist. Möglicherweise waren die Gehaltsforderungen an Ubisofts Entwicklerstudio Toronto zu hoch oder aber die Story sollte wieder einmal nur auf ein Blatt Papier passen und den Fokus hin zum altbekannten Storytelling (viele NPC-Dialoge) legen, was schade ist, da hier doch mehr drin gewesen wäre. Auch erzählt Ubisoft dieses Mal ein durchaus ernsteres Thema, dass vielfach in Lateinamerika nach wie vor aktuell ist und mehr Tiefgang und Entfaltungsmöglichkeiten gebraucht hätte. Vielleicht hatte man hier auch zu große Angst vor möglichen Konflikten. Wir wissen es nicht…
 
Wie ein „Best of“
Wer mit der Serie vertraut ist, der wird sich auch in Far Cry 6 wieder heimisch fühlen. Denn der  Action-Adventure-Ego-Shooter ist im Grunde genommen dasselbe Spiel wie eh und je mit all seinen Stärken und Schwächen. Nach wie vor steht das Ballern im Vordergrund, auch wenn dem Schleichen mehr Raum gegeben wird. Noch immer ist die KI nur mittelmäßig clever, kommt es beim Fahren mit Autos, Botten etc. zu merkwürdigen Slapstick-Einlagen (was auch oft das Fahrverhalten gegnerischer Soldaten betrifft), werden Dialogzeilen verschluckt, wenn man über einen gewissen Punkt hinauskommt, Sätze mehrfach hintereinander wiederholt, gibt es Logiklücken, bleibt das Verbessern von Waffen und das Nutzen der Werkbank ab einem gewissen Level sinnlos, da ihr recht früh sehr stark werdet, macht das Mitleveln der Gegner nur bedingt Sinn und gibt es mit Items sammeln, Außenposten befreien und Gegenden auskundschaften mehr von dem bereits bekannten Gameplay der vergangenen Jahre. Ubisoft verzichtet zwar auf die zu befreienden Türme, löst sich aber immer noch viel zu wenig von dem Einheitsbrei der typischen „Ubisoft-Formel“. Auch wenn die „Amigos“, die tierischen Begleiter wie beispielsweise ein Alligator oder ein kleiner Hund, der durch ein Handycap mit einer Art Rollator für Hunde hinter oder neben euch her rollt, durchaus ein wenig Abwechslung ins Spiel bringen, fallen sie sehr häufig aus, sodass ihr häufig damit beschäftigt seid, sie wiederzubeleben, anstatt dass sie euch mit echten Vorteilen zur Seite stehen würden. Vielleicht wäre es sinnvoll, wenn sich Ubisoft einfach mal von dem Gedanken, eine immer größere Open-World erschaffen zu wollen, verabschieden würde, um einfach eine bis ins letzte Detail stimmige kleine Welt zu kreieren, bei der man als Spieler auch glaubt, was man sieht. 
 
FarCry6Bild2Bitte nicht falsch verstehen: Auch Far Cry 6 macht Spaß und weiß zu unterhalten, bietet tolle und abwechslungsreiche Szenarien, die auf der XBSX mit einer recht konstanten Framerate daher kommen. Aber alles in allem ist hier wieder einiges „unrund“ und raubt so das eine ums andere Mal die Immersion. Schade ist ebenfalls, dass es gerade in den Zwischensequenzen zu Rucklern kommt, manche Dialoge nicht lippensynchron sind, die Gesichter der NPCs hölzern und die Animationen steif aussehen. Gleiches gilt für die zahlreichen Soldaten, die allesamt aus einer Klonfabrik zu stammen scheinen. Hier wirkt Far Cry 6 nicht wie ein echtes „Next Gen“-Spiel. Immerhin entschädigt uns Ubisoft Toronto mit malerischen Kulissen, einer enormen Weitsicht und jede Menge Urlaubsflair. Die deutsche Synchro schwankt zwischen toll und öde – je nach Charakter. Vor allem die aus allen bisherigen Ablegern bekannten Sprüche der Soldaten sollten dringend ausgetauscht werden! Bei uns im Test mit Kopfhörern kam es in den Zwischensequenzen zu Stottern und kurzen Tonaussetzern. 
 
Wer mag, der kann das Abenteuer auch im Koop durchspielen und bekommt weitere Aufgaben geboten. Das geht soweit ganz ordentlich wird aber dadurch ein wenig geschmälert, dass es nur die Möglichkeit gibt, innerhalb der Konsolen-Familien und nicht übergreifend zu spielen. Den PC lassen die Entwickler leider außen vor. Auch auf eine Schnellreisefunktion wurde im Koop verzichtet. 
 
Muss denn immer alles drüber und amüsant sein?
Wie wir alle wissen, inszeniert Ubisoft seine Far Cry-Reihen immer ziemlich over the top. Alles ist laut, frech, krawallig und Tiefgang und echte Emotionen werden im nächsten Moment wieder plattgebügelt. So auch hier. Denn eigentlich wäre ein so ernstes Thema es Wert gewesen, auch kritische Töne anzuschlagen und Emotionen wirken zu lassen. Stattdessen haben weder brutale Hinrichtungen (warum auch immer Takedowns so dargestellt werden müssen) Konsequenzen für euch oder NPCs, noch wird sich damit im Spiel auseinandergesetzt. Auch Menschenfolter, Tierfolter (Stichwort: Hahnenkampf) oder andere Dinge werden inszeniert, aber nie kritisch hinterfragt. Was hätte sich denn mehr angeboten, als gerade bei diesem Setting den übertriebenen Humor, die Ironie oder den Sarkasmus mal beiseite zu legen und tiefgreifend den Widerstand und das Leben und Leiden von Menschen in einer Diktatur darzustellen (zumindest verbal)? Hier hätte Ubisoft beweisen können, dass man als großer Entwickler und Publisher eine Stimme und Einfluss hat. 
 
7Fazit: Schade, dass Ubisoft Toronto mit Far Cry 6 so viel erzählerisches und inszenatorisches Potential verschenkt und sich erneut auf das altbewährte und erprobte Konzept verlässt. Auch wenn das Tropenparadies seinen ganz eigenen Charme versprüht und Giancarlo Esposito einen tollen Diktator abgibt hätten wir uns viel mehr Ernsthaftigkeit und Tiefgang gewünscht. Beides wäre ohne Problem aber mit weniger Fokus auf politische Korrektheit und Verkaufszahlen möglich gewesen. 
 
Die inn-joy Redaktion vergibt 7 von 10 Punkten.
 
Die inn-joy Redaktion bedankt sich bei Ubisoft für das zur Verfügung gestellte Rezensionsexemplar.
 
U. Sperling
 

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