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Need for Speed: Unbound - Review (PS5)

| Marc Heiland | Konsolen
NfsUnboundBild1Die „Need for Speed“-Reihe ist wohl die älteste noch immer aktive Autorennspiel-Serie der Welt. Seit 1994 (!) sind unzählige Ableger für PC und alle Konsolengenerationen erschienen. Dabei ging Electronic Arts, unter derem Banner die Reihe seit Anbeginn vermarktet wird, so manches Risiko ein. Denn die verschiedenen – teilweise extrem konträren – Serienteile machten es den Fans nicht immer leicht und schreckten in den vergangenen fast 30 Jahren auch so manchen Veteranen der ersten Teile ab.
 
Waren die ersten Teile noch auf actionreiche Katz- und Mausspiele mit den Cops und Rennen mit wahnwitziger Geschwindigkeit ausgerichtet, verlor durch zahlreiche Studiowechsel und dem Drang, die Reihe immer wieder neu ausrichten zu wollen, die Serie nach und nach an Qualität. Einziger Lichtblick waren da noch die „Underground“-Teile, bei denen das Tuning im Mittelpunkt stand. Als EA dann für Ende 2022 den neusten Teil mit Namen „Need for Speed: Unbound“ ankündigte und zusätzlich bestätige, dass das für die „Burnout“-Reihe bekannte Entwicklerstudio Criterion Games verantwortlich zeichnete, kam bei den Fans ein wenig Hoffnung auf. Etwas gedämpft wurde diese dann allerdings durch erste Gameplay-Szenen und Trailer, da hier die Fahrzeuge zwar in einer realistischen Umgebung fuhren, Criterion aber auf Anime-Style setzte. Flügel an Autos bei Sprüngen? Ob das der Reihe nun endgültig den Todesstoss versetzen würde oder ob der erfrischende Ansatz plus die Erfahrung von Criterion Games dem siechenden Patienten neues Leben einhauchen kann, habe ich anhand der PS5-Version herausgefunden.
 
Gib Stoff, Alter!
Bevor ich auf das Spiel und die Details drumherum eingehe, möchte ich als allererstes gleich mal Entwarnung für die comichaften Effekte geben: Diese störten mich im Test überhaupt nicht und gaben dem Ganzen sogar irgendwie einen frischen Look. Denn ehrlich gesagt habe ich bei dem Tempo, dass die Entwickler von Criterion Games auf den Bildschirm zaubern, gar nicht so viel Zeit gehabt, mir jeden Effekt anzuschauen. Und das, was eingebaut wurde, sorgt auch dafür, dass das Renngeschehen noch schneller wirkt. Also: Entspannt euch und lest gerne weiter.
 
„Unbound“ ist in vielerlei Hinsicht anders, als die letzten Ableger der Reihe. Das beginnt schon beim Einstieg in das Spiel. Aus einer handvoll Charaktere sucht ihr euch einen Fahrer oder eine Fahrerin aus, die ihr mit ein paar rudimentären Editoreinstellungen anpassen könnt. Auffällig ist, dass sämtliche im Spiel auftauchenden Figuren gezeichnet wurden und direkt aus einem Comic stammen könnten. Die Fahrzeuge und die Spielwelt sind hingegen auf Realismus getrimmt. Was in den ersten Spielminuten vielleicht noch ein wenig seltsam anmutet, wirkt bereits nach dem Einstieg in die Story wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge, nimmt es dem Arcade-Racer einen zu ernsten Ansatz. Ja, ihr habt richtig gelesen: Auch in „Unbound“ gibt es eine Story. Diese ist recht überzeichnet, nervt aber nicht ansatzweise so wie bei den Vorgängern, wo Storys immer komplett drüber und mit zahlreichen Fremdscham-Momenten daher kamen. Hier ist alles auf Hip Hop zurechtgeschnitten und in sich stimmig. Wer das nicht mag, muss wohl oder übel einen Bogen um „Unbound“ machen. Ich jedenfalls finde es absolut passend zumal die Geschichte, auch wenn sie recht klischeehaft daher kommt, ganz gut inszeniert. Freundschaft, Vertrauen, Verrat und jede Menge PS - alles ist mit dabei und wirkt wie aus einer Zeit, in der auch die "Fast"-Filme noch wussten, worum es eigentlich in ihrem Franchise ging. Schön ist auch der Verlauf der Story jenseits der eigentlichen Geschichte, auf der Straße und zwischen den Missionen und Rennen: Die Crewmitglieder haben immer etwas zu bereden und der Humor ist recht nett. Apropos „nett“: Dies kann man (im positiven Sinne!) auch vom Fuhrpark sagen. Satte 140 Fahrzeuge bieten einen bunten Querschnitt aus rund 60 Jahren Automobil-Geschichte. Vom kleinen VW Käfer bis hin zu Lamborghini und Co. ist nahezu für jeden Geschmack etwas mit dabei, will gekauft, entdeckt, von A nach B geliefert und von den Cops gerettet werden. 
 
Ein bunter Mix aus bekannten Inhalten - kann das funktionieren?
NfsUnboundBild2Interessanterweise stellte sich bei mir im Spiel recht früh das Gefühl ein, vieles von dem, was uns Criterion Games hier bietet, schon mal gesehen zu haben. Und in der Tat bedienen sich die Entwickler zahlreicher Versatzstücke früherer Teile. Sowohl Verstecke, in denen ihr eure Karren aufmotzt, neue Fahrzeuge kauft und Geld vor den Cops rettet, als auch Treffpunkte, in denen ihr neue Rennen unterschiedlicher Fahrzeugklassen annehmt (vorausgesetzt, ihr habt genug Startgeld oder euer Fahndungslevel ist hoch genug), auf euer Fahrtalent wettet und diverse Möglichkeiten, in der recht großen Stadt Aufgaben zu erledigen, sind allesamt in der Historie von „Need for Speed“ bereits vorgekommen. Allerdings weben die Entwickler diese Elemente (nebst Rennen bei Tag und bei Nacht) so geschickt zusammen, dass das alles weit besser funktioniert als in so manch anderem Ableger der Serie. Hier sind exemplarisch die Verfolgungsjagden gegen die Cops genannt: Auch wenn diese nicht ganz so spektakulär sind, wie in den allerersten Teilen und manchmal die Intelligenz der Gesetzeshüter ein wenig zu wünschen übrig lässt, macht das Katz- und Mausspiel durchaus Spaß. 
 
Dass sich die Entwickler dazu entschieden haben, den neusten Teil ausschließlich für die Current-Gen Konsolen zu veröffentlichen, ist ein Segen, musste man doch auf die veraltete Hardware der letzten Generation keine Rücksicht mehr nehmen. Und auch wenn hier nicht grafisch alles rund läuft, sieht man dem Spiel an, dass es endlich optisch einen Schritt nach vorne gemacht hat und man für kommende Ableger der Reihe hoffen kann, dieses Ziel, einen zeitgemäßen Racer auf die Beine zu stellen, weiterhin zu verfolgen. Die Stadt ist stark befahren, unzählige NPCs beleben die einzelnen Bezirke und der Detailreichtum ist hoch. In jedem Haus und jedem Geschäft gibt es etwas hinter den Glasfassaden zu sehen und selbst bei hohem Tempo hält die Framerate gut mit. Ja: Auch hier gibt es Clippingfehler, etwas spät ladende  bzw. gestreamte Details und einige kleinere Darstellungsschwächen. Doch verglichen mit den Vorgängern, ist dies Kritik auf hohem Niveau. Denn das, was die alten Spiele ausmachte - die Geschwindigkeit und der Nervenkitzel, wenn man im letzten Moment den „normalen Verkehrsteilnehmern“ ausweicht – sind hier absolut top inszeniert und umgesetzt. Dazu kommen ein abwechslungsreicher Soundtrack, der sogar mit Größen der deutschen Hip Hop-Szene aufwarten kann, eine glaubhafte Surround-Kulisse und gute deutsche Sprecher. Last but not least will ich noch etwas zur Steuerung bzw. Umsetzung der Möglichkeiten, die der DualSense-Controller bietet, sagen. Die Steuerung der Boliden klappt hervorragend und die Fahrzeuge reagieren präzise auf eure Eingaben. Alles ist natürlich genrebedingt ziemlich überzogen. Aber genau das erwarten wir von einem Arcade-Racer auch. Was ich persönlich wirklich schade finde, ist die Tatsache, dass Criterion Games nicht die Möglichkeiten nutzt, die der PS5-Controller bietet. Vermutlich hat man sich auf die Steuerungsoptionen der Xbox Series X konzentriert, da hier nur die Rumble-Funktion unterstützt wird. Gerade bei den unterschiedlichen Bodenbelägen, die euch vor allem das Umland von Lakeshore City bietet, wäre es toll gewesen, mehr haptisches Feedback zu erhalten. Aber das ist genau das Problem, was viele Entwickler immer noch nicht angehen: Man hat einen Controller, der die PS5 von allen anderen Konsolen abhebt, nutzt diese Stärken jedoch gar nicht oder nur teilweise. Das Potential hätte der Atmosphäre des Spiels gut getan. 
 
8Fazit: Endlich ist Electronic Arts ein nahezu in allen Belangen überzeugendes Comeback der „Need for Speed“-Reihe gelungen. Auch wenn es mit Sicherheit hier und dort nach wie vor Verbesserungsmöglichkeiten gibt und nicht alles perfekt ist, besinnt sich „Criterion Games“ auf genau die Stärken der Reihe zurück, die sie einst groß gemacht haben. Mir hat der Ausflug ins virtuelle Lakeshore City Spaß gemacht. 
 
Die inn-joy Redaktion bedankt sich bei Electronic Arts für den zur Verfügung gestellten Testcode.
 
U. Sperling

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