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Atomic Heart - Review (PS5)

| Marc Heiland | Konsolen
AtomicHeartBild12Spiele, die in einer Alternativwelt oder Alternativzeit spielen, gibt es einige. In einer alternativen Sowjetunion zur Zeiten des Kalten Krieges hingegen, hat es so bislang noch nicht gegeben. „Atomic Heart“, der Debüttitel des kleinen Entwicklerstudios „Mundfish“ aus Russland, ist daher vom Setting her erfrischend neu. Und nicht nur das ist neu: Auch die Qualität, die man im Vorfeld für „Atomic Heart“ ausgelobt hat und dass der Titel bereits kurz nach seiner Ankündigung als „russisches Bioshock“ gehandelt wurde, ist für ein so junges und auf dem Spiele-Parkett doch eher unerfahrenes Team wie das von „Mundfish“ ein großes Lob. Ob der Titel den Ambitionen und Erwartungen von Entwicklern und Fans gleichermaßen gerecht werden kann, haben wir für euch anhand der PS5-Version herausgefunden.  
 
Politisch-gesellschaftliche Dystopie
Spiele mit einer politischen Botschaft zu rezensieren, ist immer eine Herausforderung. Wenn dann allerdings ein Spiel auf den Markt kommt, das von einem russischen Entwicklerstudio produziert wurde und knapp ein Jahr nach dem völkerrechtswidrigen Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine veröffentlicht wird und dann auch noch das mächtige Russland in einer alternativen Realität zum Thema hat, fällt es mir sehr schwer, hier vorurteilsfrei ans Werk zu gehen. Dennoch will ich im Folgenden versuchen, meine Eindrücke vom Spiel so zu vermitteln, wie ich es bei jedem Spiel tue.
 
Wie bereits erwähnt, ist die Handlung des Ego-Shooters „Atomic Heart“ in einer alternativen Realität angesiedelt und spielt in der UdSSR der 1950er Jahre. Dank fortschrittlicher Technologie und großer Ressourcen, ist es den Sowjets gelungen, den Zweiten Weltkrieg erfolgreich und uneingeschränkt zu gewinnen. Dies hat zur Folge, dass das Land direkt nach dem Krieg seine Arbeit wieder aufnehmen kann. Entwickler Mundfish, dessen Erstlingswerk „Atomic Heart“ ist, zeichnet dennoch eine Dystopie anstelle einer eher zu erwartenden Utopie. 
 
Denn obwohl es hochtechnologisierte Roboter gibt, die den Menschen bei ihren alltäglichen Geschäften zur Hand gehen, ziehen am Himmel der äußerst hübsch gestalteten Spielwelt schon bald dunkle Wolken auf, die schnell zum Chaos führen. Doch eins nach dem anderen. 
 
AtomicHeartBild3Bevor das Chaos losbricht, werdet ihr zunächst mit der Spielwelt konfrontiert, die ein wenig an „Bioshock Infinite“ erinnert. Die Stadt ist nicht nur voll von Technik und mechanisierten Wesen – sie liegt auch noch hoch in den Wolken. Die ersten Spielminuten nimmt sich „Atomic Heart“ Zeit, um Atmosphäre aufzubauen. Ihr schippert gemütlich in einem Boot über einen Kanal, schaut der Bevölkerung an den Ufern zu und genießt die Stimmung, die das Spiel zeichnet. Kurze Zeit später legt euer Boot am Kai an. In diesen ersten Minuten schaffen es die Entwickler bereits, eine tolle Atmosphäre aufzubauen. Dass euer Alter Ego, Major Sergej Netschajew, der im Spiel „P-3“ genannt wird, nicht unbedingt ein Sympathiebolzen ist und mit deftigen Sprüchen im Sekundentakt um sich wirft, erkennt man bereits in der Eröffnungssequenz. In Dialogen mit dem sprechenden Handschuh „Charles“ („Forspoken“ lässt grüßen), der nicht nur als Sidekick fungiert, sondern auch im Spiel mit seinen zahlreichen Möglichkeiten, euch gegen Feinde zu verteidigen, erkennt man, dass die Entwickler Fan alter Actionfilme der 1980er Jahre sind. Platt und derb, aber manchmal auch lustig (vor allem dank „Charles“) kommen die gut synchronisierten Unterhaltungen daher. Insgesamt wurde „Atomic Hears“ komplett lokalisiert. Nicht nur die Sprecher leisten gute bis bei den KI-Charakteren ordentliche Arbeit – auch die Soundkulisse ist durchaus gelungen. Die Waffen klingen abwechslungsreich, überall könnt ihr Gesprächen lauschen und fühlt euch so mitten drin. Getoppt wird das Ganze noch durch einen absolut skurrilen Soundtrack, der eine breite Palette an Genres vereint. Mal hören wir russische Folklore, dann einen Tango oder klassische Musik. Ein Beispiel: In einer Szene kämpft ihr euch den Weg aus einem unterirdischen Forschungskomplex frei (wie ihr dahin gekommen seid soll ebenso wenig verraten werden, wie der Rest der gelungenen und spannenden Story) und hört dabei die Arie der „Königin der Nacht“ aus der Oper „Die Zauberflöte“ von Wolfgang Amadeus Mozart. Aber nicht nur dieser abgedrehte Einfall ist es, der „Atomic Hears“ als Gesamtpaket so herrlich erfrischend macht. Auch die Station, an der ihr „Charles“ mit Polymeren verbessert (Bioshock diente hier ebenfalls als Vorbild), ist absolut überzogen dargestellt. Jedes Mal, wenn ihr sie zu Beginn des Spiels öffnet, begrüßt sie euch in einer Art und Weise, die an eine SM-Domina erinnert. Darauf muss man auch erst einmal kommen.
 
Kommen wir nochmal zurück zu den eben erwähnten Polymeren. Diese sind eine Erfindung der Russen, mit der sie die Gesellschaft technologisch und politische nicht nur nach vorne bringen und zur absoluten Weltmacht erheben, sondern auch als neuronales Netzwerk „Kollektiv 2.0“ auf Linie der Partei bringen wollen. Dass der Plan scheitert, und sich die Roboter gegen die Menschen auflehnt, ist klar. Kurzerhand löschen sie nahezu die gesamte Bevölkerung aus und übernehmen nach und nach die Herrschaft. Also werdet ihr abkommandiert, um die Revolution der Maschinen aufzuhalten. Dazu nutzt ihr die Polymere, die euren Handschuh zu unterschiedlichen Dingen befähigen, wie Elektroschocks zu verteilen. Auch euer Alter Ego kann im Spiel immer weiter aufgelevelt werden. Dafür müsst ihr Gegenstände, die meist in Truhen, Schubladen oder bei Gegnern zu finden sind, mit dem Handschuh und einem beherzten Druck auf die R1-Taste aufsammeln. Der Scanner zeigt euch dabei, wo etwas zu finden ist oder wo sich Gegner aufhalten. Allerdings zeigt euch das System nicht immer alles. Hin und wieder springen euch die Gegner an, stürmen aus verschiedenen Richtungen auf euch zu und auch einige Momente, in denen sie uns erschrecken, sind vorhanden. Dank verschiedener Schwierigkeitsstufen, werden Neulinge ebenso gut unterhalten, wie Hardcore-Gamer. Der Schwierigkeitsgrad wurde seit dem Release mit zwei Patches etwas im Einsteigerlevel balanciert, sodass ihr nicht bei jedem Feind in die Knie geht, der stärker ist, als ihr. Und auch sonst haben die Entwickler schon fleißig am Spiel geschraubt. 
 
AtomicHeartBild2Grafisch ist „Atomic Heart“ ein absolutes Brett, dass auf der PS5 begeistert. Die Spielwelt wirkt wie aus einem Guss und glaubwürdig, das Design der Gegner ist top, die Detailvielfalt hoch und die Texturen hochaufgelöst. Allerdings fehlt ein Aspekt, den die Entwickler von Mundfish im Vorfeld noch so vollmundig angepriesen haben: Weder auf den Konsolen (auf der Xbox Series ist der Titel von Beginn an im Game Pass verfügbar) noch auf dem PC gibt es Raytracing. Dennoch muss ich den Entwicklern ein dickes Lob aussprechen. Das, was euch Mundfish hier bietet, kennt man sonst nur von großen Entwicklerstudios mit jahrelanger Erfahrung und einem starken Budget. Aber auch die bekommen es nicht immer hin, ihre offenen Spielwelten sinnvoll zu gestalten und zu füllen. 
 
Hinzu kommt, dass das Spiel auf der PS5 butterweich und nahezu ohne Grafikfehler daherkommt. Dynamisches 4K und meistens 60fps bringen hier einen deutlichen Sprung mit sich. Die Ladezeiten werden hin und wieder durch Fahrten mit einem Aufzug oder ähnliche Dinge kaschiert. Dennoch ist das nicht störend. 
 
Ein weiteres Feature, dass die Entwickler für die PS5-Version genutzt haben, sind die Vorzüge des DualSense-Controllers mit seinem haptischen Feedback und den adaptiven Triggern. Auch hier fühlen sich die Waffen unterschiedlich an, wirkt das Trefferfeedback noch besser und erhaltet ihr auch ein besseres Gefühl für die Gefechte. Hin und wieder setzten bei uns im Test die Effekte allerdings aus. Doch nach den bereits zwei erschienenen Patches gehen wir davon aus, dass die Entwickler auch dieses Problem erkannt haben und schnell beseitigen werden, gab es doch in unserer allerersten Testversion noch überhaupt keine Einbindung des Controllers. 
 
Abwechslungsreiche Kämpfe, fordernde Rätsel und kleinere, nervige Momente 
Kommen wir noch einmal zu den Kämpfen gegen die abwechslungsreichen und toll designten Gegner: Diese werden sowohl im Nah- als auch im Fernkampf ausgetragen. Manche Gegner sind eher Standardkost und können schnell mittels Axt oder verschiedener, aufrüstbarer Waffen ausgeschaltet werden. Andere hingegen sind in ihrem Kampfmuster flexibel und springen oder schweben schnell euren Angriffen aus dem Weg, sodass ihr immer darauf achten müsst, wie ihr die Kämpfe sinnvoll bestreitet, um sie zu dominieren. In den meisten Fällen habe ich im Spiel mit dem Elektro-Polymer und den „durchschlagenden Argumenten“, sprich: den verschiedenen Waffen, gekämpft und bin damit gut gefahren. Kämpfen mit Gegnern könnt ihr manchmal aus dem Weg gehen, aber natürlich nicht immer. Was ihr jedoch minimieren könnt, ist die Menge an Gegnern. Diese werden oft zahlreicher, wenn das Überwachungssystem Gefahr meldet. Dann gibt es ein zweistufiges System, dass den Alarm und die daraus steigende Anzahl an Feinden auf ein höheres Level hebt. 
 
Neben den Kämpfen gibt es vor allem Rätsel in „Atomic Heart“. Die Spanne reicht von kleineren Rätseln, wie solchen, bei denen ihr einen Mechanismus zum Aufschließen von Türen aktiviert bis hin zu raumfüllenden Rätseln und Puzzles. Wer also einen Shooter erwartet, bei dem er stupide vorgehen und schnell zum Ziel kommen will, wird mit „Atomic Heart“ nicht glücklich. Hier muss ich allerdings auch ein wenig Kritik loswerden: Vor allem bei den Türrätseln hat es mich tierisch genervt, dass es hier teilweise um das Drücken von Tasten geht, die in einer gewissen Kombination innerhalb kürzester Zeit aktiviert werden. Gerade die älteren Spielerinnen und Spieler werden mit ihren verlangsamten Reaktionen mehr Frust haben als notwendig. Ebenfalls nicht immer optimal sind die Hinweise zu den Rätseln. Einige Male war mir überhaupt nicht klar, was ich nun tun sollte. 
 
Lob bekommen die Entwickler für das faire Speicher-System eures Spielstandes. Neben der Möglichkeit, an vorgegebenen Punkten manuell zu speichern, setzt das Spiel Speicherpunkte vor schwierigen Momenten im Spiel. 
 
Fazit: Auch wenn „Atomic Heart“ mit einigen Schwächen zu kämpfen hat (andere wurden bereits durch die beiden Patches behoben), ist der Titel eine überraschend erfrischende 8Abwechslung im Ego-Shooter Genre, dass seine „Bioshock-DNA“ in vielen Momenten zeigt. In Sachen Story, Grafik und Sound kann der Titel überzeugen. Manches sollte besser erklärt werden und die politische Botschaft des Kommunismus wird sehr ernst und teilweise mit dem Holzhammer „gepredigt“. Dennoch können wir euch den Shooter rundum empfehlen.

 

Die inn-joy Redaktion vergibt 8 von 10 Punkten.

Die inn-joy Redaktion bedankt sich bei Plaion für das zur Verfügung gestellte Testexemplar.

 

L. Zimmermann

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