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Rise of the Ronin - Review (PS5)

| Marc Heiland | Konsolen

RiseoftheRoninBild1Japan – Land des Lächelns, Land der aufgehenden Sonne. Land der Samurai. Wohl kaum einem Land hat man in der Literatur, Oper, dem Kino oder Fernsehen so viele unterschiedliche Namen gegeben. Darin verborgen steckt nicht nur der faszinierte Blick auf ein Land mit einer äußerst wechselhaften Geschichte, sondern auch der Blick auf eine Gesellschaft, die für viele Menschen außerhalb Japans mit Geheimnissen, Mythen und Legenden in Verbindung gebracht wird. So verbinden wir mit Japan Ninjas, das Shogunat, Kimonos und Geishas, aber auch Zurückhaltung, Höflichkeit und das sich Aufopfern bis in den Tod.

Seien es die berüchtigten Kamikaze oder die Selbsttötung bei nicht ehrenhaft geschlagenen Schlachten. Dass wir so ein farbenfrohes und facettenreiches (aber manchmal auch von Vorurteilen und Fehlern geprägtes) Geschichtsbild von Japan haben, liegt – wie bereits erwähnt – vor allem an Filmen, die es über japanische Geschichte gibt. Einer der Vorreiter war der legendäre Filmregisseur Akira Kurosawa, der für die wohl besten Samurai-Filme des vergangenen Jahrhunderts verantwortlich zeichnet und damit maßgeblich um Bild von Japan beitrug, welches wir durch seine Filme gewonnen haben.

Und dieses Bild zog auch in populäre Videospiele wie „Wo Long“, „Sekiro“, „Trek to Yomi“, „Ghost of Tsushima“ und natürlich auch den beiden „Nioh“-Teilen ein. Allerdings haben diese Spiele zwei Dinge gemeinsam: Erstens steht bei ihnen das Mythologische im Vordergrund und zweitens sind sie allesamt in den Epochen, die man bei uns als „Mittelalter“ bezeichnet, angesiedelt.

Mit dem jüngst erschienenen „Rise of the Ronin“ hat sich der japanische Entwickler „Team Ninja“ für eine historisch andere Epoche entschieden und versucht, diese weitgehend historisch akkurat ins Spiel umzusetzen. Angesiedelt ist der exklusiv für die PS5 veröffentlichte Titel in den 1850er und 1860er Jahren, mit dem Ende des Tokugawa-Shogunat, welches dafür sorgte, dass Japan komplett von der Außenwelt abgeschottet war. Der Punkt, an dem das Spiel beginnt, ist die Ankunft der „Schwarzen Schiffe“ an der Küste Japans.

Unter der Leitung des US Commodore Matthew Calbraith Perry, dem wir – wie auch anderen historischen Persönlichkeiten – aktiv im Spiel begegnen, landete eine diplomatische, aber auch zugleich militärische Expedition mit ihren Kriegsschiffen in Japan, um das Land zu erforschen und ein Handelsabkommen mit Japan zu erreichen. Hierzu versuchte Perry die Isolation des Landes zu erzwingen, was nicht nur in einem Abkommen mit Japan zur Öffnung zweier japanischer Häfen führte, sondern schlussendlich zum Zusammenbruch des herrschenden Tokugawa-Shogunats und zur Wiedereinsetzung des Kaisers.

Und inmitten dieses kulturellen Umbruchs finden wir uns als Ronin, also als Shogun ohne Herren, wieder und haben die Wahl, uns auf die Seite, die für eine Fortführung des Shogunats kämpft, zu schlagen, oder sich gegen das Shogunat stellt. Je nachdem, wie ihr euch entscheidet, ändert sich der Verlauf der Story. Apropos Story: Diese zeichnet sich zwar nicht durch einen allzu großen Tiefgang aus und bedient diverse Klischees. Dennoch bildet sich einen unterhaltsamen Rahmen, um euch rund 30 Stunden zu motivieren.

Das Spannende an „Rise of the Ronin“ ist dabei nicht nur die Wahl dieser entscheidenden Epoche für Japans Gesellschaft, sondern auch, wie die Entwickler von Team Ninja hier optisch den „Zusammenstoß“ des klassisch-feudalen mit dem „neuen“, durch die Amerikaner mitgebrachten Bau- und Lebensstils umsetzen. Vor allem in den Großstädten wie Yokohama oder Edo (dem heutigen Tokio) prallen einfache Holzhütten mit schlicht gekleideten Menschen auf Häuser aus Backstein und Bewohner, welche mit Anzug und Zylinder oder bei den Damen mit Röcken und Blusen durch die mit Kopfsteinen gepflasterten Straßen laufen. Selten hat man diesen Gegensatz zu imposant umgesetzt in Videospielen gesehen.

RiseoftheRoninBild2Allerdings – und hier kommt das große „Aber“ – haben wir auch bislang noch keine offene Spielwelt von Team Ninja gesehen. Und leider ist diese das Manko des Titels. Was wir damit meinen? Die grafische Umsetzung des historisch spannenden Settings ist enttäuschenderweise alles andere als auf der Höhe der Zeit. Natürlich gehen wir als Spieler mit einem „exklusiv für die PlayStation 5“-Titel mit hohen Erwartungen an das Spiel, haben doch diverse frühere Exklusiv-Titel für sämtliche Sony-Konsolen gezeigt, was rein hardwaretechnisch möglich ist. Doch genau diese Erwartungshaltung können die Entwickler nicht befriedigen. Das fängt bereits bei den Charakteren an. Zwar sehen diese historisch allesamt stimmig umgesetzt aus. Doch ihre Mimik kommt oft sehr hölzern daher. Auch bei den Bewegungen haben sich die Entwickler nicht immer mit Ruhm bekleckert. Doch wenn wir hier ein Auge zudrücken, fällt es beim Rest der Grafik schwer. Immer wieder kommt es zu Rucklern (egal ob ihr den Grafik-, FPS- oder Raytracing-Modus wählt), starkem und deutlich sichtbarem Aufploppen und Nachladen von Texturen sowie Bugs, Kantenflimmern, Problemen mit der Kollisionsabfrage und vielem anderem mehr. So haben wir im Spiel beispielsweise einen Fehler gehabt, dass wir zu einem Punkt mit unserem Pferd reiten sollten, an einer gewissen Stelle jedoch nicht weiter nach Osten reiten konnten, da wir von einer unsichtbaren Wand abgehalten wurden, unser Ziel zu erreichen. Erst ein Neustart schaffte dann Abhilfe. Alles in allem erinnert „Rise of the Ronin“ in seinen schwächsten Momenten an ein Spiel, welches am Ende der PS3-Ära angesiedelt sein könnte.

Was man dem Spiel allerdings zugutehalten kann, ist das eigentliche Gameplay. Denn das grandiose Kampfsystem ist und bleibt die Stärke des Titels. Im Gegensatz zu „Nioh“ und dessen Nachfolger aber auch „Wo Long“ setzen die Entwickler bewusst auf mehrere Schwierigkeitsgrade um den Titel zugänglicher zu machen und somit einer breiteren Masse anbieten zu können. Dadurch können sowohl Veteranen von extrem schweren Souls-like Spielen als auch Einsteiger ihren Spaß mit „Rise of the Ronin“ haben. Auch hier kommt es auf präzises Timing, allerdings weniger auf Ausweichrollen oder andere bekannte „Souls-Elemente“ an. Allerdings wollen wir an dieser Stelle nicht den Fokus auf den Vergleich mit den „Souls“-Verschnitten legen, weil das Thema schon mehr als durchgekaut ist!

Ebenfalls auf der „Haben“-Seite verbucht „Rise of the Ronin“ eine sehr gute deutsche Vertonung, bei der auch die Nebenfiguren gut besetzt wurden. Warum allerdings unser virtuelles Alter Ego nur ganz selten spricht und die Entscheidungen, welche wir auswählen können, nicht vertont wurden, wissen nur die Entwickler. Hierdurch geht leider eine starke Bindung an den Charakter verloren. Ebenfalls schade ist, dass sich bei den NPCs viele Phrasen allzu oft wiederholen und der historische Kontext in ganz knappen Zeilen viel zu kurz kommt. Gerne hätten wir mehr über die Zusammenhänge erfahren. Doch auch hier bleiben die Entwickler an der Oberfläche dessen, was möglich wäre.

RiseoftheRoninBild3Eine echte Neuheit ist es, dass wir ab einem bestimmten Punkt innerhalb der Story an bereits besuchte Orte in der Zeit zurückreisen können, um Missionen, welche wir möglicherweise vorab nicht absolviert haben, zu erledigen, weitere Gebiete zu erschließen, neue Waffen zu erhalten und weitere Punkte in den verschiedenen Fähigkeitenbäumen freizuschalten. Ihr seht: Die Entwickler kommen jedem Spielertypen entgegen. Die Vielfalt der unterschiedlichen Missionstypen ist allerdings – trotz netter Questgeschichten – eher übersichtlich. Oft müsst ihr (Assassin’s Creed lässt grüßen) irgendwelche feindlichen Lager infiltrieren und besonders mächtige Gegner eliminieren, um Gefangene zu befreien oder Gegenstände zu bergen. Hinzu kommen die Botendienste und Eskortaufgaben. Insgesamt also nichts, das ihr nicht schon unzählige Male in anderen Spielen gemacht habt. Auch das (eingeschränkte) Klettern mittels Greifhaken oder das Fliegen über kurze Abschnitte mithilfe eines Gleiters kennen wir bereits aus den verschiedenen AC-Ablegern. Und dennoch macht es durchweg Spaß, den Features erneut zu begegnen, da sich das Meiste einfach zugänglicher anfühlt und alles gut auf den Spieler und dessen Spiel- und Kampfstil ausgerichtet ist. Selbst das Einsammeln von Rohstoffen, das Verkaufen und Zerlegen von Gegenständen kann automatisch vorgenommen werden. Und ja: Auch bei „Rise of the Ronin“ könnt ihr eure Waffen verbessern lassen, Heiltränke craften bzw. in Apotheken nachkaufen und den ganzen übrigen Kram, welchen andere Open World-Titel so zu bieten haben. Echte Neuerungen gibt es – jenseits der Spielwelt – so gut wie keine. Und das ist es auch, was unterm Strich bleibt und zu unserem Fazit führt.

Mit „Rise of the Ronin“ erhaltet ihr ein Spiel, dass zwar einer spannenden Epoche zugrunde liegt, unterm Strich jedoch viel zu wenig daraus macht. Nicht nur, dass das Spiel grafisch seine Möglichkeiten nur halbherzig umsetzt. Auch der historische Kontext wird immer unwichtiger und nur ganz am Rande erwähnt. Natürlich erwartet niemand, dass hier das Rad neu erfunden wird, was auch aufgrund der unzähligen „Open World“-Titeln quasi gar nicht mehr möglich ist. Dennoch hätten wir uns mehr Konsequenz in sämtlichen Bereichen gewünscht, damit nicht in wenigen Wochen ein Großteil 7des Spiels wieder aus unserem Gedächtnis verschwunden ist. Doch das massiv verschenkte Potenzial wird wohl dafür sorgen, dass „Rise of the Ronin“ in der Kategorie „unter ferner liefen“ in der Jahresbilanz auftauchen wird, was wir sehr schade finden, den Spaß hatten wir mit dem Spiel durchaus.

Wir bedanken uns bei Sony Interactive Entertainment für das zur Verfügung gestellte Testmuster.

U. Sperling

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