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| Marc Heiland | Konsolen

GhostofYoteiBild1Fortsetzungen stehen immer vor einer schwierigen Entscheidung: Soll man das Fundament des Vorgängers aufbrechen, um Neues zu wagen, oder das bestehende Gerüst verfeinern, um ein noch runderes Erlebnis zu schaffen? Ghost of Yotei, das neue Werk von Sucker Punch Productions, hat sich eindeutig für den zweiten Weg entschieden – und liefert damit ein Spiel, das auf den Stärken von Ghost of Tsushima aufbaut, sie ausfeilt und zugleich eine neue Identität findet.

Eine Welt zwischen Schönheit und Brutalität

Schon nach den ersten Minuten wird klar, dass die Entwickler ihr Handwerk erneut verstehen. Statt die Spieler mit einem Knall in die Action zu werfen, entfaltet sich die Geschichte in einem gemächlicheren Rhythmus. Wir begleiten Atsu, eine junge Söldnerin, die Rache an den „Yotei Six“ schwört – einer Gruppe von Samurai, die ihre Familie grausam ermordet hat. Die Handlung selbst ist nicht revolutionär, aber die Art, wie sie erzählt wird, überzeugt: Durch klug inszenierte Rückblenden, emotionale Zwischensequenzen und clevere Wendungen in der Mitte des Spiels bekommt Atsus Weg Gewicht.

Die Landschaft von Ezo (dem heutigen Hokkaido) spielt dabei eine zentrale Rolle. Felder voller Wildblumen, schneebedeckte Berge und dichter Wald wechseln sich mit kargen, vom Krieg gezeichneten Landstrichen ab. Immer wieder musste ich auf den Screenshot-Button drücken – sei es beim Sonnenuntergang über den Ebenen oder im Kurosawa-Modus, der die Ästhetik der Samurai-Klassiker mit Schwarz-Weiß-Optik und Filmkorn beschwört. Auch neue Filter wie der „Takashi-Miike-Modus“, der den Gewaltgrad drastisch erhöht, oder die „Samurai-Champloo“-Variante mit Lo-Fi-Beats verleihen der Präsentation eine charmante Eigenständigkeit.

Atsu – eine glaubwürdige Hauptfigur

Im Gegensatz zu Jin aus Ghost of Tsushima bringt Atsu eine ganz eigene Persönlichkeit mit. Sie ist feurig, stur und manchmal schwer zu ertragen – und genau das macht sie interessant. Die englische Sprecherin Erika Ishii verleiht ihr eine raue Energie, die zwischen Zorn und Verletzlichkeit schwankt. Besonders in den Dialogen mit Gefährten wie Oyuki, einer weiseren Mentorin, oder in Rückblenden mit ihrer Mutter entfaltet das Spiel emotionale Tiefe.Die „Yotei Six“ als Antagonisten bleiben zwar eher eindimensionale Hassfiguren, doch erfüllen sie ihren Zweck: Sie treiben Atsu und damit auch den Spieler unaufhaltsam voran.

Kampfkunst in Reinform

Das Herzstück von Ghost of Yotei ist und bleibt der Kampf – und hier hat Sucker Punch die größte Feinarbeit geleistet. Der Wechsel zwischen unterschiedlichen Waffen sorgt für ein dynamisches, fast rhythmisches Spielgefühl. Neben dem klassischen Katana gibt es nun etwa eine Odachi-Klinge für wuchtige Schläge, wendige Doppelkatanas für schnelle Kombos oder die Kusarigama, die sich wie eine Mischung aus tödlichem Werkzeug und Akrobatik-Spielzeug anfühlt. Damit lassen sich Gegner zu Boden reißen, Schilde durchbrechen oder sogar aus der Distanz zu sich heranziehen – ein Highlight des gesamten Spiels.

Auch die Feuerwaffen, die historisch ins frühe 17. Jahrhundert passen, fügen sich stimmig ein: Eine Muskete kann zwar nur langsam nachladen, durchschlägt aber selbst schwere Rüstungen, während die Steinschlosspistole für kurze, explosive Schockmomente sorgt. Kombiniert mit Rauchbomben, Flammenklingen und klassischen Samurai-Standoffs entsteht ein Kampfsystem, das sowohl cineastisch als auch spielmechanisch begeistert.
Stealth bleibt zwar ein optionales Werkzeug, fühlt sich aber weniger zentral an als in Tsushima. Wer entdeckt wird, kann einfach kämpfen – und das ist fast schon eine Belohnung.

Progression mit Sinn

Statt auf ein klassisches Levelsystem zu setzen, knüpft Ghost of Yotei Fortschritt an Entdeckungen in der offenen Welt. Schreine, Nebenquests und Artefakte belohnen den Spieler mit Amuletten, Rüstungen oder neuen Fähigkeiten. Besonders gelungen: Viele dieser Aufgaben erzählen kleine Geschichten oder bringen kulturelle Elemente ein, etwa Begegnungen mit dem indigenen Volk der Ainu, die authentisch und respektvoll eingebunden wurden.Nebenquests fühlen sich daher nicht wie bloßes Abarbeiten an, sondern erweitern sinnvoll den Kontext und das Gameplay. Wer sich darauf einlässt, findet nicht nur stärkere Builds, sondern auch echte Überraschungen – bis hin zu knallharten Bosskämpfen.

GhostofYoteiBild2Ein Schmeichler für eure Sinne

Ghost of Yōtei ist nicht nur ein spiritueller Nachfolger von Ghost of Tsushima, sondern auch ein eindrucksvoller Beweis dafür, wie weit die Technik der aktuellen Konsolengeneration inzwischen reicht. Das Action-Adventure entführt Spielerinnen und Spieler in eine malerisch gestaltete, historisch inspirierte Welt, die in puncto Atmosphäre, Steuerung und Technik Maßstäbe setzt. Besonders auf der PlayStation 5 zeigt das Spiel, wie fein abgestimmt Grafik, Performance und die Features des DualSense-Controllers ineinandergreifen können.

Schon beim ersten Betreten der Welt fällt die visuelle Brillanz auf. Die Entwickler bieten gleich mehrere Grafikmodi, die je nach Vorliebe zwischen Bildqualität und Performance variieren. Im Quality-Modus genießt man gestochen scharfe Texturen und fast durchgehend native 4K-Auflösung – auf Kosten der Bildrate, die auf 30fps begrenzt bleibt. Wer dagegen flüssige Kämpfe und geschmeidige Kameraschwenks bevorzugt, wählt den Performance-Modus: Hier sorgt eine Verdopplung der Bildrate auf 60fps für ein dynamischeres Spielgefühl, auch wenn die Auflösung je nach Situation auf etwa 1080p bis 1440p absinkt. Richtig spannend wird es mit den Ray-Tracing-Optionen: Auf der Standard-PS5 erlebt man dank verbesserter globaler Beleuchtung, realistischeren Schattenwürfen und plastischen Reflexionen eine deutlich dichtere Lichtstimmung, die Innenräume wie auch Landschaften noch lebendiger macht. Auf der PS5 Pro kommt mit dem „Ray Tracing Pro“-Modus das eigentliche Highlight hinzu: Hier laufen die RT-Effekte bei 60fps, während Sonys PSSR-Upscaling dafür sorgt, dass das Bild trotz dynamisch reduzierter Auflösung erstaunlich klar wirkt. Gerade wer Wert auf cineastische Atmosphäre legt, dürfte in diesem Modus die ideale Balance finden.

Visuell hat Ghost of Yōtei gegenüber seinem Vorgänger Ghost of Tsushima in vielen Details zugelegt. Wälder, Felder und Bergregionen wirken noch dichter, Pflanzenarten abwechslungsreicher und Wettereffekte eindrucksvoller. Besonders Schneegebiete zeigen eindringlich, wie dynamisch Umwelteinflüsse wirken können – Verwehungen, knirschender Untergrund oder das Spiel von Licht und Schatten verstärken den Eindruck, mitten in einer rauen, authentischen Welt unterwegs zu sein. Mit aktiviertem Ray Tracing entfaltet sich die Grafikengine in voller Pracht: Lichtstrahlen, die durch Baumkronen brechen, realistische Schattenverläufe oder Spiegelungen im Wasser sorgen für Szenen, die fast schon fotorealistisch wirken.

GhostofYoteiBild3Doch nicht nur die Augen, auch die Hände werden in Ghost of Yōtei intensiver eingebunden. Der DualSense-Controller spielt eine zentrale Rolle, um das Geschehen noch spürbarer zu machen. Die adaptiven Trigger reagieren unterschiedlich, je nachdem, welche Waffe man führt: Das Spannen eines Bogens erfordert echten Widerstand, das Laden einer Muskete vermittelt ein spürbares Gewicht, und selbst der Schlag mit einer schweren Odachi fühlt sich anders an als der schnelle Schnitt eines Katana. Das haptische Feedback wiederum verstärkt Eindrücke, die man visuell nur ahnt – vom metallischen Aufprall einer Parierbewegung über das Durchtrennen von Rüstung bis hin zu den subtilen Vibrationen, wenn das Pferd über verschiedene Untergründe galoppiert. Auch die Bewegungssteuerung kommt punktuell zum Einsatz, etwa beim Zielen oder bei kleineren Nebenaufgaben wie Schmiedearbeiten. Zwar sind diese Minispiele nicht immer perfekt getaktet und können auf Dauer etwas repetitiv wirken, insgesamt aber bereichern sie die Immersion. Abgerundet wird das Ganze durch Touchpad-Funktionen, die beispielsweise die Windnavigation steuern – eine elegante Idee, die den Spieler noch stärker mit der Welt verbindet.

Trotz all dieser technischen Stärken bleibt Ghost of Yōtei nicht frei von kleineren Schwächen. Auf der Standard-PS5 ist der Einsatz von Ray Tracing durch die Begrenzung auf 30fps eher eine Option für ruhige Spielmomente als für actionreiche Kämpfe. Manche Nebenaufgaben und Sammelquests bedienen sich klassischer Open-World-Formeln, die man so oder so ähnlich schon kennt. Auch die Controller-Minispiele wirken mitunter etwas bemüht. Doch diese Abstriche verblassen angesichts der Gesamtqualität, die das Spiel entfaltet.

Unterm Strich präsentiert sich Ghost of Yōtei als ein Abenteuer, das auf der PlayStation 5 technisch wie atmosphärisch zu den besten Titeln der Generation gehört. Wer Wert auf flüssiges Gameplay legt, wird mit dem Performance-Modus glücklich; wer die spektakuläre Welt in voller Pracht erleben will, greift zum Quality- oder Ray-Tracing-Modus. Besitzer einer PS5 Pro schließlich dürfen sich über die wohl perfekte Mischung im RT-Pro-Modus freuen, der beides vereint: atemberaubende Grafik und flüssige 60fps. Gemeinsam mit der cleveren Nutzung des DualSense-Controllers ergibt sich so ein Spielerlebnis, das nicht nur gespielt, sondern wirklich gespürt wird – und das Ghost of Yōtei zu einem Pflichtkauf für Action-Adventure-Fans macht. Die deutsche Synchronisation rundet das audiovisuelle Meisterwerk mit erstklassigen Sprecherinnen und Sprechern ab. Hier fällt kein Charakter in seiner Performance ab. Einzig Atsus Bruder kann manchmal ein wenig nerven.

9Fazit: Ghost of Yotei ist keine Revolution, aber eine meisterhafte Weiterentwicklung. Die Story mag vorhersehbar sein, doch Atsu als Protagonistin verleiht ihr eine Seele, die Ghost of Tsushima manchmal fehlte. Die Kämpfe sind flüssiger, variabler und schlicht ein Traum für alle, die Samurai-Fantasien lieben. Ezo als Schauplatz ist atemberaubend und lädt immer wieder zum Innehalten ein.

Wer Ghost of Tsushima mochte, wird Ghost of Yotei lieben – auch wenn nicht jede Nebenquest glänzt und manche Open-World-Elemente bekannt wirken. Doch in Summe gelingt Sucker Punch erneut ein Kunststück: ein Spiel, das gleichermaßen ehrfürchtig, brutal, schön und fordernd ist.

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