Frostpunk 2 + Update "The Pit" | Review (PC)
Wie führt man eine Gesellschaft am Abgrund? Mit Menschlichkeit, Idealen – oder eiserner Kontrolle? „Frostpunk 2“ stellt uns vor Entscheidungen, die schwerer wiegen als der Schnee auf unseren Dächern.
Der Winter ist vorbei – doch der Kampf beginnt jetzt erst
Mit dem Überraschungshit Frostpunk schufen die Entwickler von 11 bit studios 2018 eine frostige Mischung aus City-Builder, Survival-Simulation und moralischem Dilemma. Der Nachfolger „Frostpunk 2“, erschienen 2024, wagt nun den nächsten Schritt: Weg vom bloßen Überleben – hin zur Frage, was wir aus der Menschheit machen wollen, wenn sie die Apokalypse überstanden hat.
Die Hoffnung stirbt zuletzt – aber sie kostet
Die Geschichte des Nachfolgers spielt rund 30 Jahre nach den Ereignissen des ersten Teils. Der große Winter hat die Welt in ein eisiges Ödland verwandelt – doch eine neue Generation hat gelernt, darin zu überleben. Nun geht es nicht mehr nur um Kohle und Wärme, sondern um Öl, Politik und Macht. Du führst eine wachsende Stadt in einer zerbrechlichen Welt. Gesellschaftliche Fraktionen konkurrieren um Einfluss: Technokraten, Traditionalisten, Ökologisten und andere versuchen, deine Entscheidungen zu beeinflussen – oder dich zu stürzen. Jede Entscheidung – ob Gesetz, Bauprojekt oder Fraktionszugeständnis – beeinflusst das soziale Gleichgewicht deiner Gesellschaft. Das Spiel erzählt seine Geschichte nicht linear, sondern durch Konsequenzen und Konflikte, die sich organisch aus deinem Handeln ergeben.
Mehr als ein City-Builder – eine politische Simulation „Frostpunk 2“ bleibt dem Grundkonzept des ersten Teils treu: Ressourcenmanagement trifft auf moralische Dilemmata. Doch alles ist größer, komplexer und politischer geworden.
Highlights des Gameplays
- Fraktionssystem: Jede Gruppe hat eigene Ideologien und Interessen. Deine Politik entscheidet, ob sie dich unterstützen – oder rebellieren.
- Gesetzgebung: Du entwickelst dein Regierungssystem weiter – von demokratisch bis totalitär.
- Ressourcenmanagement: Öl ist nun die zentrale Ressource – effizient, aber kontrovers.
- Entscheidungsvielfalt: Deine Stadt kann ein Vorbild oder eine Dystopie werden – oder beides gleichzeitig. Im Gegensatz zum Vorgänger liegt der Fokus weniger auf akuter Notlage und mehr auf langfristiger Steuerung und Machtverhältnissen. Es ist kein reines Survival-Spiel mehr – es ist ein Gesellschafts-Simulator mit frostigem Unterton.
Düstere Eleganz in Eis gemeißelt
Die Optik von Frostpunk 2 beeindruckt auf mehreren Ebenen. Die Stadtansichten sind detailreich, die Wettereffekte stimmungsvoll, und das Spiel schafft es, visuelle Symbolik mit funktionalem Design zu verbinden. Deine Entscheidungen verändern sogar das Stadtbild – autoritäre Regime errichten andere Gebäude als technokratische Visionäre. Die Ästhetik bleibt bewusst kalt, industriell und grau – was perfekt zur Thematik passt. Trotzdem gibt es immer wieder visuelle Highlights, die dem Spiel eine fast poetische Kälte verleihen.
Eine Klangkulisse aus Eis und Angst
Der Soundtrack von Piotr Musiał setzt dort an, wo der erste Teil aufgehört hat – mit melancholisch-dramatischen Kompositionen, die das Gefühl permanenter Bedrohung untermalen. Geräusche von Wind, Maschinen, Menschenmengen und Protesten bauen eine dichte Atmosphäre auf. Besonders eindrucksvoll: Der Klang verändert sich je nach Regierungsform und Stadtentwicklung – ein Detail, das subtil, aber wirkungsvoll zur Immersion beiträgt.
Frostpunk vs. Frostpunk 2 – Was hat sich geändert?
Während es im ersten Teil noch um das reine Überleben im eisigen Winter ging, stehen nun eine Gesellschaftsführung & Ideologien im Vordergrund. Lag 2018 der Gameplay-Schwerpunkt noch beim Ressourcenmanagement, kommen nun Fraktionspolitik & Langzeitstrategie hinzu. Auch bei den Ressourcen geht es nun nicht mehr (nur) um Kohle & Nahrung, sondern um Öl & komplexere Lieferketten. Bei den moralischen Dilemmata kommen nun noch die Machtpolitik und die Ideologiepfade hinzu. Dadurch fühlt sich „Frostpunk 2“ nicht wie ein komplett neues Spiel an – sondern wie ein gereifter Nachfolger, der den nächsten logischen Schritt geht: Vom Bürger zum Herrscher.
Außerdem gibt es einige Punkte im Hauptspiel, die noch Verbesserungspotenzial für einen dritten Teil bieten: Dies ist zuallererst natürlich die recht hohe Einstiegshürde: Neue Spieler werden wenig an die Hand genommen. Das Tutorial ist rudimentär. Auch können die Balancing-Probleme nicht von der Hand gewiesen werden: Manche Fraktionen sind in bestimmten Spielsituationen über- oder unterrepräsentiert. Was aber wirklich schmerzt, ist die fehlende Kampagne, da es keinen klassischen Story-Modus gibt. Auch wenn wir hin und wieder über das Schicksal einzelner Personen (recht trocken präsentiert) informiert werden, so fehlte uns im Test der rote (emotionale) Faden. ABER: Eine Verbesserung hat der Titel mit dem gerade erschienenen, kostenlosen Update „The Pit“ erhalten! Habt ihr das Update über Steam geladen, so erhaltet ihr eine komplett neue, riesige Karte für den Utopia Builder-Modus. Im Mittelpunkt steht ein gescheitertes Generatorprojekt mit großem Krater und zerklüftetem Terrain. Unter dem Punkt „Tales from the Frostland“ gibt es auch optionale, narrative Herausforderungen mit eigenen Quests, Geschichten und Belohnungen. Die Szenarien sind voll modifizierbar und fördern die Wiederspielbarkeit. Ebenfalls neu mit dabei ist der sogenannte „Serenity-Modus“, der Einsteigern entgegenkommt, da das Wetter nicht so extrem isst, euch mehr Ressourcen an die Hand gegeben werden und Fraktionskonflikte wegfallen. Auch das Heizsystem, ein elementares Spielelement, wurde angepasst. Mit dem Update wird die Temperatur auf Distriktebene geregelt. Dank neuen Gesetzen, Forschungen und spürbaren Konsequenzen gibt es für euch weitere Herausforderungen, aber auch Möglichkeiten. Ebenfalls schön ist, dass die Modding-Tools nun zur Verfügung stehen.
Fazit: Eine kalte Zukunft – mit viel Tiefgang „Frostpunk 2“ ist mehr als ein Strategiespiel – es ist eine politische und moralische Simulation, eingebettet in eine düstere Welt. Wer nach einfachen Antworten sucht, wird hier verzweifeln. Wer jedoch bereit ist, sich mit den Grautönen menschlicher Gesellschaft auseinanderzusetzen, wird mit einem vielschichtigen, fordernden und beeindruckenden Spielerlebnis belohnt. Übrigens haben die Entwickler vor Kurzem erst angekündigt, in diesem Jahr noch DLCs zum Spiel zu veröffentlichen. Wir sind gespannt, inwieweit sie das Spielerlebnis noch ergänzen und erweitern.
Wir bedanken uns bei den Entwicklern für das zur Verfügung gestellte Testexemplar.
Text: L. Zimmermann, Bild: (c) 11bit Studios