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| Marc Heiland | PC-Games

ChronosBild1Horror mit doppeltem Boden

Stellt euch vor, ihr betretet ein Krakau der Zukunft, das nicht mehr als Stadt, sondern als groteske Ruine existiert. Wo einst Straßenbahnen fuhren, kriechen nun Monster, die aus verschmolzenen Leibern geboren wurden. Hinter jeder Ecke lauert der Tod – und doch verspürt ihr das Bedürfnis, noch einen Schritt weiterzugehen. Cronos: The New Dawn ist kein Horror, den man konsumiert wie einen Jump-Scare im Kino. Es ist ein psychologisch und mechanisch forderndes Erlebnis, das euch zwingt, jede Ressource abzuwägen und jede Entscheidung zu durchdenken. Ein Spiel, das euch nicht mit billigen Schockeffekten ködert, sondern mit subtiler Bedrohung und atmosphärischer Dichte fesselt. Ihr spielt „The Traveler“, eine schwerfällige Figur in einem taucherähnlichen Zeitreisekostüm, die in einem fremden Krakau erwacht – mehr Ruine denn Heimat.

Atmosphäre: Dystopie mit osteuropäischer Note

Das Setting ist unverkennbar: ein Krakau, das in eine alternative Realität gezogen wurde. Sozialistische Betonarchitektur trifft auf organische, wuchernde Fleischformationen. Die Mischung wirkt vertraut und gleichzeitig fremdartig – als hätte Silent Hill ein Rendezvous mit Stalker und Dead Space. Kritiker wie 4Players sprechen von einer „Horror-Atmosphäre, die selbst Genre-Kenner nervös macht“ – und das ist nicht übertrieben. Besonders stark wirkt die Welt, weil sie nicht übererklärt wird. Vieles bleibt fragmentarisch: Ihr findet Notizen, sprecht mit rätselhaften Figuren oder stoßt auf Rorschach-Tests, die euch psychologisch spiegeln. Das erzeugt eine Tiefe, die an Dark Souls erinnert – man versteht die Welt nicht sofort, sondern setzt sie nach und nach wie ein Puzzle zusammen.

Gameplay: Klassischer Survival-Horror mit Soulslike-Nuancen
Ressourcenmanagement als KernDas Spiel lebt von Knappheit: Munition, Heilitems, selbst Taschenplätze sind streng limitiert. Jeder Schuss will überlegt sein, jeder Kampf kann den Unterschied zwischen Fortschritt und Tod bedeuten. Genau hier greift das erste große Soulslike-Element: das Gefühl, dass Fehler gnadenlos bestraft werden.

Kämpfe und Gegnerdesign

Das Gunplay ist wuchtig, aber bewusst träge. Nahkampf existiert, wirkt aber schwammig – ein Punkt, den sowohl 4Players als auch Techradar bemängeln. Dafür überzeugt die Mechanik der „Orphans“: besiegte Monster können mit toten Körpern verschmelzen, wenn man sie nicht schnell verbrennt. Das zwingt euch, aufmerksam zu bleiben – eine clevere Variation klassischer Horrorformeln. Die Gegner erinnern in ihrem Verhalten stellenweise an Souls-Spiele: Sie sind unbarmherzig, lesen eure Fehler und belohnen geduldiges Beobachten. Allerdings fehlt Cronos die taktische Finesse eines Bloodborne – Movesets sind einfacher gestrickt, Bosskämpfe wiederholen oft Mechaniken wie Explosivfässer oder simple Schwachstellen. Trotzdem: Das ständige Bedrohungsgefühl ist vergleichbar mit dem Adrenalinschub nach einem erfolgreichen Souls-Bossfight.

Progression und Exploration

Wie in Dark Souls entdeckt ihr Umwege, findet Abkürzungen und kehrt mit neuem Wissen zurück. Die Essenzen, die ihr sammelt, erinnern fast an Seelenfragmente: Ihr investiert sie, um stärker zu werden – doch verliert ihr sie, wenn ihr unachtsam sterbt. Wer glaubt, dass Bloober Team nur für atmosphärische Walking-Simulatoren und subtile Psychohorror-Geschichten taugt, wird mit Cronos: The New Dawn eines Besseren belehrt. Das polnische Studio wagt sich hier an ein deutlich härteres Survival-Horror-Konzept, das an vielen Stellen an die gnadenlose Schule der Souls-Spiele erinnert – ohne dabei die eigene Handschrift zu verlieren. Das größte Pfund, mit dem Cronos wuchern kann, ist zweifellos seine Atmosphäre. Selten fühlte sich ein dystopisches ChronosBild2Setting so bedrückend an wie das Krakau der Zukunft, in dem Brutalismus und Body-Horror eine groteske Symbiose eingehen. Jeder Straßenzug erzählt eine Geschichte, jedes Graffito verweist auf den Untergang einer Gesellschaft, und das alles wird von einem Sounddesign getragen, das knarzende Schächte, kratzende Monster und tiefe Synthesizer zu einer akustischen Dauerbedrohung verschmilzt. Dass die Spielwelt kaum erklärt wird, sondern in Fragmenten und Andeutungen daherkommt, erinnert stark an die erzählerische Philosophie von Dark Souls: Wer sich die Mühe macht, zu lesen, zu kombinieren und nachzudenken, wird belohnt – alle anderen bleiben ratlos zurück. Doch so sehr Cronos im Bereich Stimmung glänzt, so kompromisslos fordert es im Gameplay. Ressourcen sind knapp, jede Kugel zählt, und wer seine Gegner nicht verbrennt, riskiert, dass sie als noch mächtigere Mutanten zurückkehren. Diese Mechanik, die Kritiker zu Recht loben, sorgt dafür, dass selbst Standardkämpfe Spannung erzeugen. Gleichzeitig zeigt sich hier aber auch eine Schwäche: Die Steuerung ist bewusst träge, was die Intensität zwar steigert, in hektischen Momenten jedoch frustrierend wirken kann. Besonders im Nahkampf fühlt sich die Heldin oft schwerfällig an, was in Konfrontationen mit mehreren Gegnern den Unterschied zwischen knapper Rettung und abruptem Bildschirmtod bedeutet. Die Kämpfe selbst sind herausfordernd, aber nicht immer so präzise ausbalanciert wie bei FromSoftware. Während in Bloodborne oder Elden Ring das Moveset eines Gegners studiert und in Perfektion gekontert werden kann, wirkt Cronos manchmal grober gestrickt. Bosskämpfe wiederholen Muster und lassen die taktische Tiefe vermissen, die Souls-Fans gewohnt sind. Dennoch: Das Gefühl, nach zahllosen Versuchen endlich eine Passage zu meistern, ist hier ebenso intensiv wie nach einem Sieg über Ornstein und Smough oder Malenia – nur eben auf eine weniger elegante, aber dafür rauere Art. Ein echtes Highlight ist wiederum das Ressourcen- und Upgrade-System. Mit Energie und Kernen wird nicht nur die Rüstung verstärkt, sondern auch der gesamte Spielfortschritt individuell geprägt. Die Möglichkeit, Waffen zurückzusetzen und Ressourcen neu zu verteilen, gibt dem Spiel einen taktischen Kniff, den man bei Genre-Kollegen oft vermisst. Das motiviert, verschiedene Builds auszuprobieren und sich den Herausforderungen flexibel anzupassen.Am Ende ist Cronos ein Spiel voller Kontraste: Es ist sperrig und frustrierend, gleichzeitig faszinierend und 8atmosphärisch dicht. Es bietet Momente von intensiver Beklemmung und triumphaler Erleichterung, die man sonst fast nur aus Souls-Spielen kennt, ohne deren spielmechanische Brillanz vollständig zu erreichen. Doch gerade diese Unfertigkeit, dieses Unpolierte, macht den Reiz aus. Cronos ist kein massenkompatibles Horror-Abenteuer, sondern ein Spiel, das seine Spielerinnen und Spieler ernst nimmt – und ihnen eine Erfahrung zumutet, die lange nachhallt.

Fazit: Wer Durchhaltevermögen, Nerven wie Drahtseile und eine Schwäche für harte, atmosphärische Horrorkost mitbringt, wird in Cronos: The New Dawn einen fordernden, eigenwilligen, aber unvergesslichen Trip erleben.

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