Assetto Corsa | Review (PS4)
„Bei Assetto Corsa handelt es sich um eine SIMULATION. Daher liegt der Fokus des Spiels auf eine möglichst realistische Darstellung des Motorsports. Bis auf das extra für Konsole neugestaltete Interface gibt es KEINE Unterschiede zur PC-Version, auch nicht was den Schwierigkeitsgrad zum Beispiel angeht.“ (Auszug aus dem Pressetext)
Wenn ein Pressetext so erscheint, dann haben die Entwickler entweder Sorge, man könne das erscheinende Spiel in eine falsche Schublade stecken oder sich Sorgen, dass der Titel, den es seit einigen Monaten auf dem PC gibt, mit einigen (deutlichen) Abtstrichen erscheinen wird. Man kann ihn aber auch als Warnung lesen für Anfänger und Gelegenheitsspieler, die sich keine falschen Hoffnungen machen sollen. Wie dem auch sei – Nach zahlreichen Runden können wir schon einmal vorab sagen, dass Assetto Corsa in der Tat eine Simulation ist, die euch von der ersten Sekunde an ganz klar macht, wo der Hase läuft (immerhin gibt es im echten Motorsport auch keinen einfacheren Schwierigkeitsgrad) und dass das Versprechen mit „KEINE Unterschiede zur PC-Version“ dann doch ein wenig hochgegriffen ist. Ob sich das Spiel dennoch lohnt und inwieweit Konsoleros neidisch auf den PC blicken werden oder müssen, erklären wir euch in unserer Review der PS4-Version.
Gnade? Gibt’s woanders!
Für alle Fans von „echten“ Rennsimulationen können wir jetzt schon mal sagen: Assetto Corsa ist ganz klar etwas für euch! Denn wo Projekt Cars, Dirt Rally und Sonys Al(t)l-Star GranTurismo sich wirklich redlich bemühen, Fahrverhalten, Physik und Karosserieschäden am Auto exakt zu simulieren, wischt das gerade erschienene Assetto Corsa mal eben mit der Konkurrenz den Boden auf und grinst hinterher noch frech, als sei dies das Normalste von der Welt. Zugegeben: Hinter dem Titel steckt auch nicht irgendein ambitioniertes Entwicklerstudio, das hin und wieder seine Experten auf die Rennpisten schickt. Hier waren die Jungs von Kunos Simulazioni am Werk, die sich mit Fahrsimulationen für die Profis und Unternehmen befassen. Dementsprechend kann oder muss man knallharte Rennen erhoffen.
Um überhaupt ansatzweise eine Chance gegen die extreme Gegner-KI zu haben, empfehlen wir euch, das Spiel ausschließlich (!) mit einem Lenkrad zu spielen. Denn jeder noch so gut gemeinte Versucht, Assetto Corsa mit dem Pad zu spielen, scheitert kläglich. Nun werden einige von euch sich bestimmt ärgern, da es ja für die Entwickler ein Leichtes wäre, auch eine gute Pad-Steuerung einzubinden. Doch selbst mit einer einigermaßen guten Umsetzung würde hier kaum etwas bei rum kommen. Das ist so wie bei einer Kombination aus Maus und Tastatur. Kann man auch auf der Konsole emulieren, klappt aber manchmal einfach nicht. Schade ist, dass die „alten“ PS3-Lenkräder nicht unterstützt werden können. Doch richtige Rennpuristen verfügen selbstverständlich über entsprechendes Equipment und sind für den Titel bestens gerüstet.
Auch wir haben uns für unsere Ausflüge in die Welt von Assetto Corsa mit einem entsprechenden Lenkrad ausgerüstet. Nachdem der Silberling im Laufwerk unserer Redaktions-PS4 schnurrte, ging es los. Das Spiel benötigt keine ellenlange Installation und der Patch, der aus dem Netz gesaugt werden muss, ist Gott sei Dank nicht allzu groß. Nach einen sehr schick in Szene gesetzten Intro geht es los. Doch was ist das? Anstelle von schick designten Menüs, einem Autodrom oder einer spannenden Story blicken unsere Augen auf öde präsentierte Icons. Nun gut. Haben wir schon bei anderen Spielen erlebt, kennen wir also. Toll ist trotzdem ganz anders. Haken dran! Los geht es mit dem ersten Auto, einem kleinen Abarth. Erste Minuten auf der Strecke zeigen, dass die grandiose Fahrphysik der PC-Version auch auf die Konsole gut übertragen wurde und dass das Force Feedback mit zum Besten gehört, was man diese Tage so erleben darf. Ein sehr gutes Fahrerlebnis bis dahin, wie wir finden.
Auch an Einstellungs- und Optimierungsmöglichkeiten mangelt es bei Assetto Corsa nicht. Hier könnt ihr nach Herzenslust zum Schrauber werden. Nachdem wir die ersten drei Rennen noch einigermaßen gut hin bekommen haben, zieht der Schwierigkeitsgrad deutlich an. Nix für Einsteiger! Viel zu häufig und viel zu aggressiv rutschen die KI-gesteuerten Fahrzeuge in euren Wagen oder schneiden euch, als sei es ganz normal. Wer auch nur den Bruchteil einer Sekunde nicht aufpasst, gerät sofort ins Hintertreffen und hat keine Chance mehr unter die ersten Fahrer zu gelangen. Ebenfalls frustrierend ist das scheinbar zufällig und sinnfrei agierende Strafensystem, das mal Fehler der Mitbewerber ahndet, mal nicht. Allerdings gilt dies auch für euren Wagen. Diese brutale KI ist selbst für unseren Kollegen mit den meisten Rennspiel-Erfahrungen nichts. Bereits nach sechs Rennen verlässt er genervt und sichtlich frustriert das Lenkrad. So etwas darf nicht sein. Denn auch bei „richtigen“ Simulationen muss der Spielspaß dabei sein und darf nicht komplett untergehen!
So schick, wie am PC? Wo denn? Und wo zum Henker ist die Lobby??
Ebenfalls bedauerlich ist, dass die Grafik zwischen „altbacken“, „ganz ok“ und „PS3-Niveau“ schwankt. Natürlich ist die Leistung der PS4 – im Gegensatz zum PC – limitiert. Aber dennoch ist es schade, dass Assetto Corsa im Vergleich mit der PC-Version so klar den Kürzeren zieht. Selten kommt die Framerate über 25-30 fps raus, überall gibt es Tearing, Kantenflimmern, Pop-Ups und andere technische Unzulänglichkeiten, die einer PS4 kaum würdig sind. Bedauerlich ist auch, dass der Fuhrpark und die Anzahl der Strecken doch recht überschaubar ist. Mit Forza und Gran Turismo kann Assetto Corsa da leider nicht mithalten. Außerdem gibt es auch kein dynamisches Wetter und kein einziges Nachtrennen. Selbst bei Forza hat man da schon mehr für die Fans getan, wenngleich auch hier die Entwickler einige Jahre für benötigt haben. Last but not least haben die Entwickler auch bei den teilnehmenden Rennfahrern den Rotstift angesetzt. Können auf dem PC über 20 Fahrer ihre Runden drehen, kommen wir bei der PS4 nicht über 15 Racer.
Fazit: Was auf dem PC für Begeisterungsstürme sorgte, kann hier nur für ein „nett mal gespielt zu haben“ reichen. Auch wenn uns die Entwickler hier eine knallharte Simulation schenken, die die Konkurrenz vor Neid (was die Simulation der Wagen angeht!) erblassen lässt, macht Assetto Corsa einfach keinen Spaß. Der Grund liegt in den viel zu starken KI-Gegnern, die keine Fehler machen, der drögen Präsentation, der (lieblosen) Aneinanderreihung von Events im „Karriere“-Modus, der Tatsache, dass ihr (noch) keine Lobby erstellen könnt und einigen unnötigen Beschränkungen im Vergleich zum PC. Grafisch hüllen wir - in Anbetracht der starken Konkurrenz anderer PS4-Rennspiele, lieber den Mantel des Schweigens über das Spiel. So kann man Assetto Corsa aktuell (ohne möglicherweise dicke kommende Patches) auf einen Nenner bringen: Simulation topp, Spielspaß flopp!
Die inn-joy Redaktion vergibt 6 von 10 Punkten.
Die inn-joy Redaktion bedankt sich bei 505Games für das zur Verfügung gestellte Testexemplar.
U. Sperling, D. Stappen