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The Last Guardian | Review (PS4 Pro)

| Marc Heiland | Konsolen

GuardianBild1Wenn sich ein Spiel knapp zehn Jahre lang in der Entwicklung befindet, dann ist das meistens kein allzu gutes Zeichen. Denn entweder haben die Entwickler die Engine nicht im Griff, zu hoch gesteckte Ziele, der Titel wird von Entwickler zu Entwickler gereicht oder finanzielle Probleme lassen das Projekt unter keinem guten Stern stehen. Im Falle von „The Last Guardian“ dürfte es wohl eine Mischung aus extremer Übermotivation und Problemen mit der Technik gewesen sein. Denn wie sonst soll man es sich erklären, dass der zunächst exklusiv für die PS3 geplante Titel komplett neu ausgerichtet und für die Hardware der PS4 angepasst wurde. Und auch hier kämpft der Titel mit einigen Tücken. Doch der Zauber, der dem Titel seit den allerersten Screenshots inne wohnt, hat in all den Jahren nichts verloren. Daher freut es uns umso mehr, dass wir jetzt endlich die Möglichkeit hatten, mit Trico, dem Helden und letzten Wächter ins Abenteuer einzutauchen. Gespielt haben wir The Last Guardian auf der PS4 Pro.

Die große Verwirrung

Unser Abenteuer mit dem kleinen namenlosen Jungen und dem gefiederten „Wächter“ namens Trico beginnt mit den ersten Szenen, die euch aus verschiedenen Präsentationen bekannt sind. Ihr erwacht in einem Raum, der an ein steinernes Verlies erinnert. Ihr schaut euch um, und stellt fest, dass eure Arme von seltsamen, mystischen Zeichen „geschmückt“ sind. Was diese Zeichen bedeuten und wer sie euch „verpasst“ hat, ist zunächst unklar. Nach wenigen Momenten seht ihr Trico neben euch. Er ist verwundet worden von zwei Speeren, die abgebrochen in seinem Fell stecken. Darüber hinaus wurde er mit einem Halsband und einer langen Kette am Boden des Verlies angekettet. Klar, dass Trico zunächst misstrauisch und in verstört auf euch reagiert. Woher Trico kommt, welche Rolle er spielt und wie ihr weiter vorgehen sollt – all das bleibt offen. The Last Guardian steht somit in guter Tradition mit seinen geistigen Vorläufern „Ico“ und „Shadow of the Colossus“  die beide aus der Feder von Fumito Ueda stammen. Wer die beiden großen Meisterwerke der Videospielgeschichte kennt, der weiß, dass Ueda stets den Spieler im Unklaren lässt, was die Handlung und Motivation der Protagonisten angeht. So also auch hier.

Eines ist jedoch klar: Ihr müsst – gemeinsam mit Trico – aus dem Verlies entkommen. Doch nicht nur die geheimnisvolle Handlung zeigt, dass The Last Guardian ein typisches Ueda-Kind ist. Auch die Intensive emotionale Verbindung zwischen dem kleinen Jungen und Trico ist ein Kennzeichen der Ueda-Spiele. Wie in Ico spielen die Entwickler von Team Ico ganz groß auf der emotionalen Klaviatur. Schon in den ersten Spielminuten, wenn ihr versucht, Trico von seinen Schmerzen und aus seiner Gefangenschaft zu befreien, kommen Beschützergefühle auf. Im Laufe der Geschichte (wenn man hier überhaupt von einer klassischen Geschichte reden kann), gibt es viele Momente, die anrühren, zum Nachdenken anregen, aber auch aufregen. Dies jedoch weniger aufgrund der Handlung (die in einer Rückschau des alten „Jungen“ auf japanisch (mit Untertiteln) erzählt wird), sondern viel mehr aufgrund der KI und der Steuerung. 

GuardianBild2Typisch Ueda

Der Altmeister hat nämlich das Grundprinzip seiner Figuren-Steuerung in all den Jahren nicht über Bord geworfen. So wie es damals bei Ico und Shadow of the Colossus Probleme mit einer schwammigen Steuerung und einer nicht immer optimalen Kameraführung gab, sind auch bei The Last Guardian genau diese beiden Aspekte das Hauptärgernis. Denn die zahlreichen Kletterpartien werden hier und dort zu einem reinen Glücksspiel, weil ihr nicht genau sehen könnt, wohin ihr springt oder umständlich Tastenkombinationen drücken müsst. 

Ein weiterer Schwachpunkt ist die KI von Trico. Auch wenn es den Entwicklern hoch anzurechnen ist, dass sie es geschafft haben, das Fabelwesen in gewisser Weise wirklich glaubhaft und selbständig zu gestalten, so nervt es doch, wenn ihr auf seinen Rücken klettert, um eine höher gelegene Ebene zu erreichen, mit dem Ergebnis, dass Trico sich urplötzlich umdreht und ihr abstürzt, sich erst einmal in aller Ruhe kratzt oder sonst irgendein Mätzchen meint machen zu müssen. So liegen Freud und Leid (oder zumindest die nächste Geduldprobe) nach beieinander. The Last Guardian ist definitiv kein Spiel für ungeduldige Naturen. Andererseits lernen nervöse Charaktere so vielleicht ein wenig mehr Geduld...

Wichtig für das Fortkommen im Spiel ist die Zusammenarbeit mit dem Fabelwesen Trico. So öffnet er neue Bereiche, indem ihr mit Hilfe eines Spiegels seine Aufmerksamkeit auf einen Punkt konzentriert und er zum Dank euch mithilfe eines Feuerstrahls, der aus seinem Schweif kommt, den verschlossenen Bereich in Flammen setzt (anscheinend hat Trico Angst vor dem Spiegel), trägt euch über Hindernisse und beschützt euch. Im Verlauf der Reise könnt ihr Trico ein paar Befehle geben, die er meistens (wenn er nichts „besseres“ zu tun hat) auch gut befolgt. 

Das Herz von The Last Guardian sind die vielen kleineren Rätsel und Klettereinlagen, die euch weiter bringen. Der Schwierigkeitsgrad ist dabei moderat, wird jedoch gesteigert, da ihr eben nicht immer gleich erkennen könnt, wie es weiter geht bzw. wie ein Rätsel zu lösen ist. Mit Tipps geht das Spiel leider sehr sparsam um. Stufenweise Hilfe könnt ihr ebenfalls nicht erwarten. So vergeht manchmal recht viel Zeit, bis ihr die Lösung gefunden habt. Man mag Ueda vorwerfen, dass er so die Spielzeit unnötig streckt. Doch gerade das Erforschen und Überlegen macht The Last Guardian aus. Ab und an wird das eher ruhige Spiel durch Kämpfe unterbrochen. Die Gegner sind Rüstungen, die von euch zerstört werden müssen, bevor sie Trico ans virtuelle Gefieder gehen. Hauptakteur hierbei ist Trico. Ihr unterstützt ihn lediglich. Aufpassen müsst ihr dennoch. Denn sobald Trico stirbt, ist das Spiel erst einmal vorbei. Gut, dass die Speicherpunkte stets sinnvoll gesetzt sind. 

So schlimm ist es nicht

Wer in den vergangenen Tagen bei den Kollegen der schreibenden Zunft in erste Review reingelesen hat, wird wohl das Gefühl bekommen haben, dass The Last Guardian schlecht aussehen und zum Teil nicht einmal PS3-Niveau erreichen würde. Wir in der Redaktion sehen das anders. Natürlich ist das Spiel kein auf absoluten Hochglanz polierter Titel und kann an einigen Stellen seine ursprüngliche PS3-Herkunft nur schwer verbergen. Aber dafür punktet das Spiel mit vielen wunderschönen Panoramen, unglaublich tollen Animationen von Trico, der fast schon „echt“ wirkt, vielen Partikeleffekten und einer recht konstanten Framerate auf der Pro. Man mag Gründe sammeln wollen, hier zu mäkeln. Doch das ist Kritik auf hohem Niveau, zumal auch viele für die PS4 programmierte Spiele grafisch ein schlechteres Gesamtbild abgeben, als The Last Guardian. Auch das Sounddesign verdient eine lobende Erwähnung. Die vielen Laute und Geräusche, die Trico von sich gibt, klingen sehr realistisch. Ansonsten wurde weitgehend auf eine lebhafte Geräuschkulisse mit üppigen Surround-Sounds verzichtet. Getreu dem Motto: Weniger ist manchmal einfach mehr!

Fazit: Ja „The Last Guardian“ macht es nicht leicht mit einer abschließenden Bewertung. Auf der „Haben“-Seite verbucht der Titel eindeutig eine emotional tiefgehende Beziehung der beiden Protagonisten untereinander, die sofort auf den Spieler übergreift. Dazu 8kommen viele Rätsel und eine unglaublich tolle Inszenierung von Trico. Wo das Spiel allerdings patzt sind die Steuerung und die Kamera, die so manches Mal den Spieler aus der tollen Atmosphäre aufgrund unnötiger Missionsdesign-Probleme herausreißen sowie Tricos (störrische dadurch aber auch wieder liebenswerte) künstliche Intelligenz, die doch recht dürftige Story, die nur langsam an Fahrt aufnimmt sowie die Tatsache, dass uns der Titel nicht mal im Ansatz unter die Arme greift. Dennoch hat sich das Warten mehr als gelohnt. The Last Guardian ist – wie „Ico“ und „Shadow of the Colossus“ Meisterwerke, die man durchaus als Highlight ihrer Konsolengeneration bezeichnen darf und einfach gespielt haben sollte. 

Die inn-joy Redaktion vergibt 8 von 10 Punkten.

Die inn-joy Redaktion bedankt sich bei Sony für das zur Verfügung gestellte Testmuster.

U. Sperling

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