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Assassin's Creed: Odyssey | Review (Xbox One)

| Marc Heiland | Konsolen

AssassinsCreedOdysseyBild1Eigentlich wollte Ubisoft ja pausieren. Man wollte seiner „Assassin‘s Creed“-Reihe eine Kreativpause verordnen. Mehr als ein Jahr konnten dann die Verantwortlichen sich aber dann doch nicht zurücklehnen, da die Arbeit an „Origins“ drängte. Die leichte Neuausrichtung der Reihe in Richtung Rollenspiel, das frische Setting mit dem Alten Ägypten und Abstriche bei der typischen Open World-Formel gaben der Serie um Assassinen und Templer die nötige Frische. Doch als Ubisoft quasi kurz nach Veröffentlichung des letzten Teils einen weiteren Ableger bekannt gab, wurden Kritiken laut, man wolle sich doch wieder auf jährliche Ableger stürzen. Dies ist jedoch – wie Ubisoft mittlerweile bekannt gab – nicht der Fall, da man nach Veröffentlichung von „AC: Odyssey“ sich wieder eine Pause gönnen will. Ob dafür der neuste Teil der Reihe die Verbesserungen des „ägyptischen“ Ablegers aufgreift und weiterführt oder wieder in alte Muster verfällt, haben wir für euch anhand der Xbox One-Version getestet.

Ein Schritt zurück und nochmal dahinter

Mit „Assassin’s Creed: Origins“ präsentierten uns die Entwickler von Ubisoft Montreal die Ursprünge der Assassinen anhand der Medjai, den ehemaligen Leibwachen des Pharaos. Mit dem Prequel, das im ptolemäischen Ägypten (ab 332 v. Chr.) angesiedelt war, begleiteten wir Bayek auf seiner Reise. Nun sollte man ja denken, dass mit dem Ursprung tatsächlich die Anfänge beleuchtet werden. Doch Ubisoft wagt einen erneuten historischen „Rückschritt“, diesmal in die Zeit von 431 – 404 v. Chr. zur Zeit des Peloponnesischen Kriegs zwischen den beiden damaligen Großmächten Griechenlands, Athen und Sparta. Und wie bei den bislang erschienenen Titeln der Reihe verknüpft Ubisoft auch hier wieder historische Konflikte bzw. Epochen und historischen Persönlichkeiten, die euch als Spielfigur begleiten bzw. auf die ihr im Spielverlauf treffen werdet, mit fiktiven Inhalten, um daraus eine emotional getragene Geschichte zu entfalten. So erzählt man also eine Geschichte, die noch vor der Gründung der Assassinen liegt und vor dem ersten Treffen der Verborgenen.

Das Tutorial selbst beginnt dann noch weiter in der Vergangenheit mit der Schlacht bei den Thermopylen im zweiten Perserkrieg. Hier lernt ihr die grundlegenden Kampfmechaniken und die Steuerung in Person des legendären Spartanerkönigs Leonidas, der bei den Thermopylen, einem Engpass im Kallidromis-Gebirge in Mittelgriechenland, gegen den Perserkönig Xerxes I. kämpfte, kennen. Während euch Ubisoft so mitten ins Getümmel wirft und die Änderungen im Gameplay präsentiert, stellen Hobbyhistoriker und Fans griechischer Geschichte hier erstaunt fest, dass die Verantwortlichen bei Ubisoft extrem übers Ziel hinausschießen. Denn inmitten der für die Griechen aussichtslosen Schlacht wirft der Spartiat Leonidas sein Schild weg, um dann nur mit dem Speer bewaffnet gegen die Armee der Perser zu kämpfen. Abgesehen davon, dass so suggeriert wird, dass Leonidas allem Anschein nach „Superkräfte“ hatte, ist dies historisch absoluter Blödsinn. Denn zu den Grundsätzen der Spartaner gehörte, voll bewaffnet bis zum letzten Blutstropfen anzukämpfen. Weder ein Hoplit, noch ein Kommandant hätten es sich gewagt (und auch leisten können) einen Schild auf dem Schlachtfeld wegzuwerfen!

AssassinsCreedOdysseyBild2Nun werden sich einige unter euch mit Sicherheit fragen, warum ich denn so ausführlich über diese Tatsache referiere. Ganz einfach: Ubisoft versucht in vielen Dingen die Historie möglichst detailgetreu darzustellen. Und nicht nur Leonidas muss so in der Schlacht ohne Schild auskommen: Auch euer Held (oder wahlweise eure Heldin), als Nachfahre des Leonidas von Sparta, muss ohne Schild im gesamten Spiel auskommen. Geblockt wird dann einfach mal mit der aktiven Waffe oder ihr weicht den gegnerischen Angriffen – mehr oder minder – geschickt aus. Dies erscheint jedoch ebenfalls fragwürdig, da wohl kaum ein bewaffneter Spartiat die ganze Zeit Ausweichrollen oder Seitsprünge in einer Schlacht vollzogen haben dürfte.

Nun gut. Hier ist ja sowieso einiges anders, als in den anderen Titeln der Reihe...Denn wo es bislang um die verschiedenen Konfliktparteien der Templer und Assassinen oder der Verborgenen bzw. Medjai ging, steht hier eine „Familiengeschichte“ im Fokus der Geschichte. Hier geht Ubisoft Quebec also weg vom „uralten Konflikt“ und hin zu einem persönlichen Drama. Und trotz alle dem gibt es ganz leise und vage Anklänge an die späteren Auseinandersetzungen, wenngleich mehr zwischen den Zeilen. Deutlicher wird das Ganze immer dann, wenn es um Abstergo und die Gegenwart geht. Ja, ihr habt richtig gelesen. Leider kann es auch Ubisoft im neusten Teil der Reihe nicht unterlassen, uns als Spieler immer wieder aus der Immersion zu reißen, um in die Gegenwart zu springen, in der ihr erneut als Leyla Hassan, der ehemaligen Mitarbeiterin von Abstergo Industries und mittlerweile eine der größten Gegnerinnen des Konzerns, unterwegs seid.

Willkommen in der Ägäis

Nun also – wie bereits erwähnt – Griechenland. Da fragt man sich im Vorfeld: Was darf einen als Kulisse erwarten? Athen mit seiner mächtigen Akropolis? Delphi, mit seinem geheimnisvollen Orakel? Kreta, mit seinem Labyrinth des Minotaurus? Rhodos, mit seinem antiken Weltwunder, dem Koloss? Oder vielleicht eher unbekanntere Städte und Dörfer? Wer den letzten Ableger „Origins“ gespielt hat, der wir auch hier sofort die richtige Antwort geben können: Von allem etwas! Insgesamt stehen fast 30 Städte auf der erneut extrem großen Landkarte, die ihr allesamt bereisen könnt. Das Terrain der Spielwelt von „Odyssey“ übertrumpft den Vorgänger noch einmal locker. Natürlich wird ein nicht gerade geringer Teil von Wasser bedeckt. Doch bis ihr mit dem Pferd, dem Schiff oder zu Fuß (oder auch mittels Schnellreise) einmal die Karte überquert habt, vergeht schon einige Zeit. Selbst nach nun mehr über 50 Stunden in der Welt der antiken West-Ägais habe ich nicht jeden virtuellen Zentimeter gesehen. Denn die Welt ist erneut extrem gefüllt mir Nebenmissionen, die teilweise recht komplex strukturiert sind. Gleiches gilt (leider) auch für die Hauptmissionen. Diese können sich schon mal über einen Zeitraum von 1-2 Stunden hinziehen. Denn wie bei „Origins“ werden Questgeber selten sofort befriedigt, sondern schicken euch von A nach B und dann nach C, nur, damit ihr von den jeweiligen Personen, die ihr bei der Erledigung der Quest antrefft, noch einmal über gefühlt die halbe Karte gehetzt zu werden. Das kann weniger hart gesottene Spieler schon mal nerven. Wer jedoch auf komplexe Queststrukturen steht, wird seine AssassinsCreedOdysseyBild3Freude finden, wenngleich die Quests nur selten das Niveau eines „The Witcher 3“ erreichen. Trotz alledem sind manche Geschichten, die euch in den Nebenmissionen und Subquests präsentiert werden, recht liebevoll und emotional geschrieben worden und wissen durchaus zu gefallen. Manche Figuren vergisst man sofort wieder, nachdem man sie aufgesucht hat, andere hingegen beschäftigen nachhaltig (zumindest bis zur nächsten Hauptmission). Dies hängt auch damit zusammen, dass sich „Odyssey“ noch mehr in Richtung Rollenspiel-Genre bewegt und eure Antworten innerhalb der zahlreichen Gespräche Auswirkungen haben. Natürlich wird hier die Story nicht zu einem anderen Ende geführt, die Welt als solche nicht verändert und auch die Quests nicht anders gestellt (und auch die Dialoge von Kassandra und Alexios, den beiden Helden des Spiels, verändern sich kaum). Dennoch ist für Fans der Reihe das „offene“ Dialogsystem eine kleine Offenbarung. Überarbeitet wurden auch die Talentbäume (Nah- und Fernkampf sowie Schleichen), von denen es nun drei Stück gibt, die allesamt ein klein wenig aufgefächert wurden. Das Kampfsystem, eine der Neuerungen des Vorgängers, wurde hingegen nur leicht modifiziert. So gibt es neue taktische Elemente und Ausweichen und Kontern werden bei „AC: Odyssey“ größer geschrieben, als beim Vorgänger. Wie bei „Origins“ gilt auch hier: Gegner mit einer höheren Fähigkeitsstufe sollten von euch tunlichst gemieden werden, da sie euch mit wenigen Attacken ausschalten. Dennoch verdienen die KI-Gegner noch immer keinen Preis für besonders clevere, strategische Kämpfe, wenngleich auf höchster Spielstufe sie eine wirkliche Herausforderung sind. Denn nach wie vor lassen sie sich mit den bekannten Tricks an der virtuellen Nase herumführen.

Abgeschaut von den Mitbewerbern hat man sich (oder inspirieren lassen) die Modifikationsmöglichkeiten den Rüstungen, die verbessert werden können und durch seltene Items zu echten Unikaten werden, der Möglichkeit, Waffen zu zerlegen, um Rohstoffe zu nutzen, sowie die Option, beim Schmied neue Waffen herstellen zu lassen oder alte Waffen zu reparieren. Vor einem Kampf sollten die Gegner und Locations stets von eurem Adler ausspioniert werden, der auch im aktuellen Teil wieder mit dabei ist. Dieses Mal hört er auf den Namen Ikaros, was natürlich sehr treffend ist. Allerdings ist der Einsatz des „Flugbegleiters“ auch dieses Mal kein Muss.

Ein Muss sind auch nicht die unzähligen Nebenaufgaben, doch sie machen doppelt Sinn: So levelt ihr auf diese Weise Kassandra oder Alexios auf und findet neue Rüstungsgegenstände oder auch Waffen. Wer sich durch alle Nebenmissionen arbeitet, dürfte locker 80 Stunden in der Welt von „Odyssey“ verbringen. Denn im Gegensatz zu „Origins“ ist die Karte in typischer Ubisoft-Manier wieder mit Möglichkeiten zugepflastert. Weiter weg hingegen bewegt man sich von einem der ursprünglichen „Standbeine“ der Reihe, dem Parcours-Lauf. Zwar könnt ihr nach wie vor aus Kämpfen durch eine Flucht über die Dächer entkommen und auch Türme, von denen ihr springen könnt, sind vorhanden. Doch die Gewichtung hat sich in den letzten beiden Teilen extrem verschoben. Wer will, bleibt auf dem Boden der Tatsachen.

Um Gegner und Questziele zu finden, gibt es dieses Mal zwei verschiedene Möglichkeiten: Zum einen den klassischen Modus, bei dem ihr eure Ziele und Wege angezeigt bekommt. Zum anderen den erstmals implementierten „Explorationsmodus“, in welchem ihr über Dialoge eurem Ziel näher kommt. So wird man gezwungen, sich mit der Welt und ihren Charakteren noch intensiver auseinanderzusetzen. Apropos Dialoge: Diese sind wieder mal gut geschrieben und vertont worden und können sich – vor allem bei den Protagonisten – hören lassen. Hier zahlt sich jedoch vor allem Kassandra aus, da sie in Sachen Synchronisation und Gesprächsführung angenehmer klingt. Ein wenig schade ist, dass Sätze von NPCs nach wie vor außerhalb von Dialogen mit euch kaum über Foskeln und sich häufig wiederholenden Ausdrücken bestehen. Eine Schwäche, die wir bereits den Vorgängern angekreidet haben. Da nützt es auch nicht allzu viel, dass man hier wieder einige griechische Vokabeln eingebaut hat.

Schicke Seeschlachten und malerische Postkartenmotive

Wie die meisten von euch wohl mitbekommen haben dürften, feiern die aus dem AC-Ableger „Black Flag“ bekannten Gefechte zur See, die auch schon in „Origins“ in einigen Missionen eine Rolle spielte, zurück. Hier jedoch werden sie komplexer und spektakulärere in Szene gesetzt und sind sotryimmanent. Und wo wir schon mal beim Thema spektakulär sind: Das gilt auch für die Spielwelt. Die griechische Ägäis mit ihren unterschiedlichen Vegetationstypen, ihren malerischen Postkartenmotiven, ihrer Flora und Faune sieht einfach nur grandios aus. Auf der Xbox One X erstrahlt der Titel mit HDR und in 4K. Clippingfehler gibt es selten, Ruckler und Tearing fallen kaum ins Gewicht und die Texturen sind meist hochaufgelöst. Ein wenig schade ist, dass Ubisoft bei der Gestaltung der NPCs ein wenig schluderig gearbeitet hat, da es hier zu viele gleich aussehende Charaktere gibt. Und auch bei der Animation der Haare gibt es nach wie vor keinen Fortschritt. Wie es besser geht, konnte man im vergangenen Jahr bei „Horizon: Zero Dawn“ bewundern. Ein wenig schade ist auch, dass die Ladezeiten auch auf der eigentlich recht leistungsstarken Xbox One X doch recht lang ausfallen. Mit diesem Problem kämpfen aber auch andere Titel, da eine Menge Daten vorab geladen werden müssen und das Streamen nicht immer optimal umgesetzt wird.

Fazit: Natürlich erfindet Ubisoft hier das Rad nicht neu. Statt Revolution setzt man weiterhin auf leichte Evolution und bietet mit Griechenland ein grandioses Setting, um eine emotionale Geschichte aufzufahren. Leider verpasst man, die beiden Charaktere Kassandra und Alexios so unterschiedlich zu zeichnen, dass sich ein erneutes Durchspielen von Anfang bis Ende lohnt, und auch mancher Weg zwischen einzelnen Questteilen hätte wesentlich kürzer ausfallen können. Auch die Dialoge unterscheiden sich kaum. Gelungen ist hingegen, dass eure Entscheidungen Konsequenzen haben und die 8audiovisuelle Gestaltung mit vielen Highlights aufwarten kann. Weglassen hätte man die Story rund um Abstergo, da diese stets die Immersion durchbricht. Mit der westlichen Ägäis erschafft Ubisoft eine tolle Spielwelt, die aktuell zu den interessantesten gehört und zumindest für die nächsten 14 Tage bis zum Erscheinen von „Red Dead Redemption 2“ begeistern wird. Jetzt allerdings sollten die Verantwortlichen von Ubisoft ihrer Reihe bis zum Erscheinen der kommenden Konsolengeneration eine Pause gönnen, um vielleicht mit ganz anderen Ansätzen, einer neuen Engine und vielen interessanten Entscheidungen ein fulminantes Comeback zu zelebrieren.

Die inn-joy Redaktion vergibt 8 von 10 Punkten.

Die inn-joy Redaktion bedankt sich bei Ubisoft für den zur Verfügung gestellten Review-Code.

U. Sperling

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