Battlefield V | Review (Xbox One)
Seit vielen Jahren gibt es in der Shooter-Szene alljährlich im Herbst einen Showdown zwischen „Call of Duty“ und „Battlefield“. Früher wurde dieser Kampf um die Krone im Genre noch durch „Medal of Honor“ ergänzt. Allen drei Reihen war gemeinsam, dass ein umfangreicher, komplexer und meist abwechslungsreicher Singleplayer fester Bestandteil jedes neuen Ablegers war. Doch in Zeiten, in denen viele Shooter neue Wege beschreiten, die Studios Geld für aufwendige Kampagnen sparen wollen und stattdessen lieber auf Multiplayer (möglichst noch mit einem „Battle Royal“-Modus) setzen, hat sich der Fokus verlagert. Nachdem Activision Blizzard ankündigte, seinen neusten Ableger der beliebten „Call of Duty“-Reihe erstmals ohne Solopart auf den Markt zu bringen, war dementsprechend der Aufschrei innerhalb der Fangemeinde groß. Doch der Erfolg gab dem Publisher recht. Fans von Solomissionen blieb somit nur noch die Hoffnung auf das kommende „Battlefield V“. Dieses sollte mit einem Solopart in Form von „Kriegsgeschichten“ daher kommen. Wir haben den Titel ausgiebig getestet und klären auf, was der Solo-Modus zu bieten hat und wie sich der Multiplayer schlägt.
Zurück in die Vergangenheit
Über viele Jahre waren die Ableger der „großen Drei“ im Zweiten Weltkrieg und in den diversen Schauplätzen des Kalten Kriegs angesiedelt. Dann entschied man sich zur Abkehr und hin zu futuristischen Teilen. Nun, quasi eine Spielergeneration später, hat man sich bei Activision Blizzard dazu entschieden, sich den beiden Weltkriegen zu widmen. Nach „Battlefield I“, das sich thematisch dem Ersten Weltkrieg widmete, steht nun mit „Battlefield V“ der Zweite Weltkrieg im Fokus. Dabei setzen die Entwickler auf eher unbekannte Locations, anstatt wieder einmal die Schlachten rund um Stalingrad und Co. oder das Ende des Krieges rund um Berlin darzustellen.
Wer bereits den Solopart des Vorgängers gespielt hat, wird hier ein enormes „Das kenn ich doch“-Gefühl haben. Denn hier ähneln sich nicht nur die Kriegsgeschichten, sondern auch der Einstieg. Dieser beginnt mit einem vertraut machen der Steuerung, indem ihr verschiedene Soldaten für kurze Sequenzen über Schlachtfelder navigiert. Dabei seid ihr mal als Infanterist, mal als Panzerfahrer oder auch hoch über den Wolken als Pilot unterwegs. Allen gemeinsam ist, dass die Soldaten am Ende dieser Minieinführung ins virtuelle Gras beißen. Originell ist das nicht, schafft allerdings Atmosphäre. Schade ist allerdings, dass man hier nach einer Story vergeblich sucht. Diese ist nicht existent. Nur innerhalb der Kriegsgeschichten gibt es jeweils eine Geschichte.
Die Settings selbst sind interessant und wurden grafisch opulent in Szene gesetzt. So seid ihr dieses Mal unter anderem in Nordafrika oder auch Skandinavien unterwegs. Wirklich neu ist, dass ihr in die Haut einer Widerstandskämpferin und damit erstmals in eine Frau als Protagonistin schlüpft, was im Vorfeld leider wieder einmal zu großem Protest führte. Die Spielerwelt ist wohl immer noch zu stark von Machos durchdrungen. Auch ein deutscher Wehrmachtssoldat ist spielbar, allerdings nicht als „klassischer Nazi“. Gefallen hat uns auch, dass wir hier ganz normale Menschen spielen, die ihre Ängste, Sorgen und Nöte, ihr Leid aber auch ihre kleinen Freuden uns erzählen. Hier gibt es weder Supersoldaten noch Ein-Mann-Armeen. Dies trägt dazu bei, dass man in gewisser Weise mit den handelnden Charakteren mitfühlt. Die Schwäche merkt man auch daran, das man immer wieder mal gegen eine Vielzahl an Gegnern antritt, die man nur leise und vorsichtig eliminieren kann, da ansonsten schneller Verstärkung anrückt, als man sich wünscht. Aber natürlich wäre „Battlefield V“ kein echtes Battlefield, wenn nicht auch größere Schlachtszenen inszeniert würden, wo ihr viele Gegner auf spektakuläre Weise eliminiert. Dies passt zwar nicht so ganz zum Konzept des „kleinen Mannes“ (oder eben Frau), gehört zu einem Shooter allerdings dazu. Trotz aller Möglichkeiten verpassen es die Entwickler, aus den „Kriegsgeschichten“ mehr zu machen, als nur eine schnöde Zugabe. Dass man den Schwerpunkt auf den Multiplayer und dessen Entwicklung gelegt hat, merkt man als Fan von Singleplayer-Spielen leider an allen Ecken und Enden. Hier fehlt es an „WOW“-Momenten, abwechslungsreichen Missionen oder auch verschiedenen Gegnern. Besonders verwundert waren wir im Test, dass die Gegner zwar in ihrer Muttersprache sprechen, es aber erstmals ausschließlich deutsche Untertitel gibt. Auf eine Lokalisierung wurde verzichtet.
Besser mit Vielen
Machen wir also an den eher durchschnittlichen Solopart einen Haken und kümmern uns den von DICE wieder einmal hervorragend entwickelten Multiplayer. Eine der augenscheinlichsten Neuerungen ist dabei die langsamere Spielgeschwindigkeit, welche ein besseres Spielgefühl hervorruft. Ebenfalls neu ist die Tatsache, dass eure Soldaten nun Befestigungen an dafür vorgesehenen Punkten errichten und sich so besser und effektiver schützen können bzw. strategische Punkte besser verteidigt werden. Da werden einige Sandsäcke geschleppt und Barrikaden errichtet. Der Nutzen ist nicht von der Hand zu weisen. Auch die Zerstörbarkeit der Maps scheint noch einmal verbessert worden zu sein. Überhaupt haben die Entwickler erneut ordentlich an der Grafik gefeilt. Die achte Maps (aber auch die Settings der „Kriegsgeschichten“) strotzen nur so vor Details und die Licht- und Partikeleffekte, Explosionen und Texturen sehen beeindruckender aus denn je. Das reicht zwar nicht an das grafische Niveau eines „Red Dead Redemption 2“ heran. Doch dort wird auch nicht die nahezu komplette Spielwelt in Schutt und Asche gelegt. Begleitet wird die visuelle Brillanz durch krachende und zum Teil den Subwoofer stark fordernde Soundkulisse. Wer eine entsprechende Anlage sein Eigen nennt, der darf sich über feinsten Surround-Sound freuen. Auch die Sprecher leisten sehr gute Arbeit. Atmosphärisch fühlt man sich auch beim neuen Battlefield wieder mitten drin statt nur dabei. Verstärkt wird das mitten drin Gefühl im Multiplayer auch durch die tolle Teamarbeit. Denn ohne gegenseitige Hilfe funktioniert nur wenig. Überraschend ist, dass DICE erstmals dafür sorgt, dass es jedem Teammitglied möglich ist, andere Kollegen wiederzubeleben und nicht nur dem Sani. Dieser macht es zwar deutlich schneller, ist aber auch nicht unbedingt sofort zur Stelle. Cool ist auch das überarbeitete Feature, Gegner zu entdecken. Um einen Feind zu markieren, bedarf es eines längeren Sichtkontaktes, was zu mehr Realismus führt, da Gegner nicht sofort zu erspähen sind und durch Gegenstände hindurch wahrgenommen werden können. Besonders motivierend für Einsteiger und Neulinge ist das verbesserte Punktesystem, welches nun auch für kleinere Aktionen und häufiger Punkte vergibt, was zu einer höheren Motivation führt. So können die Klassen besser und unter Umständen schneller gelevelt und neue Waffen und Items freigeschaltet werden. Wer dann noch seine Waffe regelmäßig verbessert, erfreut sich über „durchschlagende“ Erfolge. Apropos Waffen: Die im Spiel zum Einsatz kommenden Waffen wirken noch realistischer (nicht zuletzt aufgrund der glaubhaften Physik, welche auch den Rückstoß der jeweiligen Waffe nahezu perfekt simuliert) und gleichen ihren historischen Vorbildern bis auf den letzten Punkt.
Bleibt abschließend noch zu erwähnen, dass der Multiplayer als solcher bekannte Spielvarianten wie Team Deathmatch und Eroberung bietet sowie die neuen „Grand Operations“, die über einen längeren Zeitraum verlagert sind. Einen klassischen Battle Royal-Modus gibt es nicht.
Fazit: Machen wir es kurz: Im Solopart scheitert „Battlefield V“ grandios, da dieser nicht mehr als ein Warmlaufen für den Multiplayer darstellt und nur wenige nachhaltige Momente liefern kann. Der Star ist erneut der von DICE erstklassig in Szene gesetzte Multiplayer mit einigen gut durchdachten Neuerungen, einem tollen mitten drin-Gefühl und packenden Gefechten.
Die inn-joy Redaktion vergibt 8 von 10 Punkten. Fans reiner Singleplayer-Shooter oder von Spielen, die neben einem Multiplayer auch eine starke Kampagne bieten, sollten sich den Kauf jedoch überlegen und vielleicht Probe spielen.
Die inn-joy Redaktion bedankt sich bei Electronic Arts für das zur Verfügung gestellte Testmuster.
U. Sperling