TIEBREAK: Das offizielle Spiel der ATP und WTA
Kennt ihr den großen Unterschied zwischen virtuellem Fußball und Tennis? Die Antwort ist eigentlich ziemlich einfach: Während es seit Jahren aus dem Hause Electronic Arts qualitativ und sehr hochwertige digitale Umsetzungen der beliebtesten deutschen Ballsportart gibt, sieht es beim ehemaligen „weißen Sport“ anders aus.
Denn obwohl es durchaus einige gute Reihen gab und gibt, konnten diese in ihrer Qualität jedoch nie wirklich mit den alljährlichen Ablegern von EA Sports mithalten. Auch bei anderen Sportspiel-Umsetzungen zogen Tennissimulationen stets den Kürzeren. Dies mag am möglicherweise kleineren Entwicklungsbudget handeln oder daran, dass es zu wenig Menpower gibt. Wie auch immer waren Tennis-Spiele in den vergangenen Jahren eher das hässliche Entlein unter den Sportspielen.
Ein neuer Mitbewerber ist am Start
Nachdem vor einigen Wochen Mitbewerber 2K Games den neusten Teil der „Topspin“-Reihe veröffentlicht hatte, legt nun Nacon mit „TIEBREAK“, dem offiziellen Spiel der ATP und WTA, nach. Für unseren Test hat uns der Publisher einen Key der PS5-Version zur Verfügung gestellt.
Zu Beginn des Spiels könnt ihr unter anderem auswählen, ob ihr einen Spieler oder eine Spielerin durch eine Karriere vom Youngster zum Grand Slam-Helden begleiten wollt, ob ihr die Schlagtechniken einstudiert oder euch direkt in Turniere begebt. Auch online ist es natürlich möglich, gemeinsam mit anderen Spielerinnen und Spielern anzutreten.
Das Tutorial gliedert sich in mehrere Kapitel, die wiederum in unterschiedliche Übungen unterteilt sind und euch all das bieten, was den Tennis-Sport ausmacht. Egal ob Volley, Slice, Aufschläge, Return-Schläge in verschiedenen Variationen und raffinierte Stopp-Bälle am Netz – nahezu alles wird euch vom Spiel erklärt. Die Belegung der Buttons ist klar nachvollziehbar, die Umsetzung stellenweise dank der Komplexität ein wenig schwieriger ausgefallen als notwendig.
Was allerdings recht schnell auffällt, ist, dass die Ballphysik nicht sonderlich überzeugt, dass es eine gewisse minimale Verzögerung bei der Eingabe der Befehle gibt und, dass die KI manchmal nicht nachvollziehbar agiert. Auch stellten wir im Test fest, dass trotz richtiger Eingabe von Befehlen die Schläge nicht präzise genug waren, sodass Bälle nicht selten im Netz landeten. Rund um das Spielgeschehen auf dem Platz sind ebenfalls einige Dinge zu bemerken, die uns nicht selten mit dem Gefühl zurückließen, dass das Spiel noch nicht fertig entwickelt wurde. Wie kann man es sich sonst erklären, dass zwar eine Stuhlschiedsrichterin zu sehen, hier aber ganz eindeutig ein Mann zu hören ist? Ich glaube kaum, dass das hier ein Beitrag zur aktuell ziemlich ausgeprägten „Wokeness“ sein soll. Darüber hinaus ertönt nicht selten ein „Quiet please!“ während kein einziger Laut zu hören ist. Sehr merkwürdig!
Immerhin müssen wir den Entwicklern ein Lob für die umfangreiche Lizenz aussprechen, die sie für die Umsetzung von „Tiebreak“ erworben haben. Viele namhafte Stars des Tennis-Zirkus sind mit dabei. Sowohl bei den Herren, die unter anderem mit Federer, Nadal, Alcaraz und Sinner glänzen können, als auch bei den Damen, bei denen unter anderem Paolini und Sabalenka mit dabei sind. Die Lizenz ist der wirklich bemerkenswerte Teil von Tiebreak . Es gibt über hundert Personen im Spiel, angefangen bei Carlos Alcaraz, Novak Djokovic, Roger Federer, Alexander Zverev, Rafael Nadal, Jasmine Paolini, Aryna Sabalenka, Jannik Sinner, Daniil Medvedev und Maria Sakkari zu finden sind. Und dabei lassen sich viele von ihnen auch tatsächlich wieder erkennen, was – FIFA lässt grüßen – keine Selbstverständlichkeit ist. Sobald es sich um weniger bekannte Spielerinnen und Spieler handelt, hört es jedoch schon auf, sodass sie sogar austauschbar wirken. Ebenfalls schade finden wir, wie wenig Wert darauf gelegt wurde, die Stars der Szene an ihren Stärken und Schlagtechniken erkennen zu können. So ist es eigentlich fast schon egal, ob ihr beispielsweise mit Daniil Medvedev, Andrey Rublev oder Casper Ruud antretet, da sie sich alle nahezu identisch spielen. Gleiches gilt auch für den Karrieremodus, in dem ihr theoretisch euren Spieler oder eure Spielerin effektiv verbessern könnt. Doch in der Praxis lässt sich davon nur wenig spüren. Warum ist es nicht möglich, meinen Spieler individuell so zu trainieren, dass auch wirklich glaubwürdige Verbesserungen in seinem Turnierspiel festzustellen ist? Was nützt es, wenn es theoretisch heißt, dass der Spieler oder die Spielerin optimiert werden können, wenn in der Praxis lediglich der Charakter nur eine Stufe aufsteigt?
Damit einher geht die bereits erwähnte Einfältigkeit der gegnerischen KI. Besonders schlimm wird es dann im Doppel, bei dem es nicht selten zu Missverständnissen mit dem Mitspieler kommt. So kann man den Fans auch die Lust am Spiel nehmen!
Etwas besser wird das Ganze in den Momenten, in denen ihr in die „Djokovic Slam Challenge“ wechselt, um spannende Matches seiner langen Karriere als Tennisprofi nachzuerleben. Das macht Spaß, ist abwechslungsreich und lässt uns ein wenig verstehen, wie aufregend so manches von ihm ausgetragene Match seinerzeit gewesen sein muss.
Fazit: „Tiebreak“ ist leider ein Spiel, dass mit sehr vielen kleineren und größeren Macken ausgeliefert wurde. Die unglückliche Steuerung, die fehlende Wucht hinter Schlägen, die sich recht einheitlich spielenden Profis, die fehlerhaften Schiedsrichterstimmen, die Schwächen im Karrieremodus und der KI sind nur ein paar Dinge, die das offizielle Spiel der ATP und WTA für mich zu einem der schlechteren seiner Art macht. Top Spin hat vorgemacht, wie es geht; Nacon hingegen ist noch einige Balllängen von einem guten Spiel entfernt. Selbst Hardcore-Tennisfans können wir den Titel in seinem jetzigen Zustand nicht empfehlen. Dafür ist er auch preislich zu teuer.
Die inn-joy Redaktion vergibt 5 von 10 Punkten.
Die inn-joy Redaktion bedankt sich bei Nacon für den zur Verfügung gestellten Testkey.
U. Sperling