Unknown 9: Awakening - Review (PS5)
Viele Entwickler haben sich an „Uncharted“ und „Tomb Raider“ versucht. Doch die meisten sind kläglich daran gescheitert. Mit „Unknown 9: Awakening“ ist nun ein weiterer Titel erschienen, der sich an den beiden Vorbildern orientiert. Ob es klappt, haben wir für euch getestet.
Schon die ersten Minuten sind zäh
Das Spiel beginnt in einer Art Zwischenwelt, dem so genannten „Bruch“. Die Protagonistin Haroona, berichtet von einer geheimnisumwobenen Energie, das „Am“, welches ihren Trägern ganz besondere Kräfte verleiht. Diese werden die „Quaestoren“ genannt. Eine davon ist Haroona. In den ersten Spielminuten lauft ihr durch diese Zwischenwelt und bereits das ist wenig motivierend und macht sonderbar wenig Spaß. Hier hätte es einen anderen Einstieg gebraucht. Leider zieht sich dieser zurückhaltende Spielspaß wie ein roter Faden durch das gesamte Spiel.Um die Story zu verstehen, solltet ihr euch mit dem Franchise befassen. Denn „Unknown 9“ ist eine Marke, die aus Comics, Büchern und einem Podcast besteht. „Unknown 9: Awakening“ ist also nur ein kleiner Ausschnitt. Zwar kann man der Story auch ohne Hintergrundwissen folgen. Dennoch ist es gut, wenn man alles kennt. Die Verbindung zwischen den Geschichten sind eben jene Quaestoren, von denen Haroona eine ist. In „Unknown 9: Awakening“, das in einer alternativen Version von Indien zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts spielt, hat sich eine Gruppe und einem charismatischen Anführer aufgeschwungen, das Land zu beherrschen. Haroona soll diese Gruppe und ihren Anführer nun stellen, um unter anderem den Tod ihrer Mentorin zu rächen. Im Laufe der Zeit gelangt sie auch an andere Orte der Welt. Das Problem, was wir mit dem Spiel schon von der ersten Minute an haben ist, dass die Protagonistin kaum Anknüpfungspunkte gibt, sie zu mögen. Trotz ihrer nachvollziehbaren Rachegelüste bleibt sie die ganze Zeit über oberflächlich, uninteressant, ja phasenweise sogar austauschbar. Wo wir mit Nathan, Scully und Co regelmäßig mitfieberten, bleibt hier oft nur ein müdes Schulterzucken. Vielleicht liegt es an der Linearität, vielleicht an der schwachen Charakterzeichnung oder vielleicht an der mangelnden Kreativität und den zahlreichen „Hab ich schon mehrfach so ähnlich gesehen“-Momenten, die „Unknown 9: Awakening“ zu keiner Zeit über den Durchschnitt heben. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass hier erneut auf political correctnes großen Wert gelegt wird und möglichst alles und jeder vorhanden sein muss, die Rollen klar verteilt sind und irgendwie der Titel es nicht mal im Ansatz wagt, anzuecken. Damit reiht er sich in die unzähligen mittelmäßigen Spiele ein, der der Wokeness zum Opfer fällt. Die starke, emanzipierte Heldin trifft auf den klassischen Antagonisten und alles andere wird zu Abziehbildern der Gesellschaft und zu Statisten degradiert. Obendrauf kommt noch, dass das Spiel einen drögen Nahkampf und dumme Schleichpassagen enthält, die absolut keinen Spaß machen. Alles läuft hier nach dem 08/17-Schema ab, ohne, dass auch nur ein Augenblick länger im Gedächtnis bleibt. Die Gegner-KI ist kaum vorhanden, das Parcoursklettern ist eine billige Kopie von Assassin’s Creed und die zahlreichen Clippingfehler und schlechten Kollisionsabfragen setzen dem Ganzen dann endgültig die Krone auf. Da bringt es auch nur wenig, dass wir dank unserer Am-Fähigkeit für einen Moment in die Körper der Widersacher springen können, um so anderen Feinde auszuschalten. Das macht einmal Spaß, ist aber spätestens heim zehnten Mal einfach nur noch langweilig.
Generell empfiehlt es sich, möglichst viele der in Sachen Varianz arg überschaubar geratenen Soldaten im Verborgenen auszuschalten, was jedoch nur kurze Zeit funktioniert, da die Wachen mit jeder gefundenen Leiche misstrauischer werden und auch Fertigkeiten wie der Tarnschleier nicht immer so funktionieren, wie sie eigentlich sollten, da uns Gegner trotz Unsichtbarkeit öfter mal konsequent weiter angegriffen haben, sich trotz zur Ablenkung geworfener Geistersteine trotzdem keinen Millimeter vom Fleck bewegen wollten. Ferner muss man für Heimlichmanöver irgendwann zwangsläufig ins offene Feld, da die Soldaten hohes Gras konstant zu meiden scheinen. Über den Testverlauf hat sich gezeigt, dass ein Großalarm früher oder später unvermeidlich ist. Für alles andere sind die Mechaniken zu unzuverlässig in der Anwendung und sämtliche (gerne mal an kleinen Objekten festhängenden) Gegner abseits der durchaus nicht uninteressant gestalteten Bosse einfach zu dämlich.
Wozu brauchen wir die PS5 Pro, wenn es selbst hier nicht läuft?
Das haben wir uns im Test etliche Male gefragt. Denn auch wenn hier kein enorm großes Budget vorgelegen haben mag fragt man sich als Spielerin oder Spieler, warum die Entwickler nicht in der Lage waren, die mittlerweile recht betagte Unreal Engine 4 zu beherrschen! Denn all das, was hier an Schauplätzen aufgeboten wird, die Charaktere, die Mimik und Gestik, die Effekte haben wir schon so oft in den vergangenen Jahren besser gesehen, dass es fast schon ein Trauerspiel ist, wie sang- und klanglos das Spiel die Segel streicht. Warum Ruckler, Tearing und Co. zur Mitte des PS5-Lebenszyklus noch immer vorhanden sind, ist mir ein absolut unerklärliches Phänomen. Wie es besser geht, zeigte unlängst Team Asobi mit „Astrobot“. Gegen dieses wunderbare Spiel sieht das hier fast schon wie aus der PS4-Ära aus (stellenweise sogar aus der PS3-Zeit).
Fazit: Als damals die allerersten Bewegtbilder gezeigt wurden, dachten wir noch „Da könnte was richtig Großes auf uns zukommen!“ Doch nun, nachdem „Unknown 9: Awakening“ auf dem Markt ist, sind wir umso mehr enttäuscht, dass der Titel keine Akzente setzt. Wäre das Spiel vor 8-10 Jahren erschienen, hätten wir möglicherweise noch beide Daumen gehoben.
Doch heute, in einer Zeit, in der selbst kleine Studios bessere Spiele machen und in der eigentlich nach dem Ende von „Uncharted“ Platz genug für einen neuen Stern am Abenteuerzelt ist (zumindest, bis Indiana Jones erscheinen wird), hätte „Unknown 9: Awakening“ mit weniger Wokeness und mehr Inhalt, Spielspaß und einem klaren Weg, was es denn nun sein möchte, weit mehr erreichen können. So können wir vom Spiel zum Vollpreis nur abraten.
Wir bedanken uns bei Bandai Namco für das zur Verfügung gestellte Testmuster.
L. Zimmermann