Sniper Elite: Resistance | Review (PS5)
Sie gehören in Kriegen zu den besten Soldaten. Sie brauchen Nerven aus Stahl, eine ruhige Hand und ein gutes Auge. Und um einige der besten von ihnen ranken sich Mythen und Legenden, wie um Ljudmila Michajlovna Pavličenko, die wohl beste Scharfschützin überhaupt, die während des Zweiten Weltkriegs über 300 Menschen aus dem Hinterhalt liquidierte.
Ihr virtuelles Pendant war der aus den „Sniper Elite“ bekannte US-Amerikaner Karl Fairburne, der im Kampf gegen die Nazis unzählige Soldaten und Offiziere und so manchen „Prominenten“ ausschaltete. Nun, für „Sniper Elite Resistance“, das parallel zu „Sniper Elite 5“ angesiedelt ist, schlüpft ihr erstmals in die Rolle von Harry Hawker, einem Briten, der für die Widerstandsbewegung der Franzosen während des Zweiten Weltkriegs kämpft und in Frankreich die Deutschen daran hindern soll, den D-Day der Alliierten zu sabotieren. Doch bald schon findet ihr heraus, das noch mehr dahinter steckt, als es zunächst den Anschein macht.
Stillstand statt Fortschritt?
Seit nun mehr 20 Jahren gibt es die „Sniper Elite“-Reihe. Damals für die Xbox, die PS2, Nintendos Wii und den Windows-PC veröffentlicht, versuchte die Reihe zum einen auf Realismus zu setzen, brachte aber andererseits einen bis dahin vollkommen ungewöhnlichen Stil mit sich. Denn im Gegensatz zu anderen Spielen, in denen wir bei Gefechten die Soldaten entweder bluten sehen oder hin und wieder (in „derberen“ Shootern) die Gliedmaßen abgetrennt werden, setzt die „Sniper Elite“-Reihe auf die sogenannte „X-Ray-Cam“, bei der das in den Körper des unter Beschuss genommenen Feindes eindringende Projektil gezeigt wird, wie es diverse Körperteile durchdringt und zerfetzt. Was vor Jahren noch aufgrund der detailgenauen Umsetzung staunen ließ, ist heute aufgrund mehrerer Faktoren nur noch überflüssig. Erstens zeigt es die Gewalt noch zugespitzter als nötig, was in Anbetracht der aktuellen weltpolitischen Lage nicht sein müsste. Zweitens hemmt es den Spielfluss deutlich und drittens bringt es bis auf einen Moment, in dem man den Voyeur oder Gaffer in uns hervorlockt, keinen Mehrwert für das Spiel. Gut, dass die Kamera im Hauptmenü abgeschaltet werden kann. Sich darüber zu ergötzen ist – meiner Meinung nach – mittlerweile einfach nur noch ekelhaft. Aber darum sind Reviews in gewissem Maße trotz aller wünschenswerten Objektivität auch immer ein wenig subjektiv.
Jenseits der Kamera beginnt das eigentliche Spiel
Die Kampagne des neuen „Sniper Elite: Resistance“ setzt sich aus insgesamt acht Kapiteln und somit auch acht Settings zusammen, wobei es zu einer Doppelung kommt. Hinzu kommt ein kurzer Epilog, der von euch eine einzige Aktion verlangt. Welche das ist, wollen wir natürlich an dieser Stelle nicht verraten. Die einzelnen Maps sind große Areale, die meist in zwei große Bereiche unterteilt sind. Die Missionsziele werden euch zu Beginn vorgegeben oder während eurer Mission um sekundäre Ziele ergänzt. Überraschungen dürft ihr ebenso wenig erwarten, wie Tiefgang. Leider werden die einzelnen Missionen meist nur in kurzen Briefings und Debriefings abgetan. Dazwischen gibt es hin und wieder mal eine kurze Cutscene. Auf ein imposantes Intro wird erneut verzichtet, was schade ist, da hier einiges an Atmosphäre eingespart wird.
Was mir hingegen besonders sauer aufgestoßen ist, das ist die Tatsache, dass mir – bis auf eine kleine Wendung zum Ende der Kampagne hin – mein Alter Ego nicht nur ohne große Berührungspunkte fremd bleibt, ja sogar in gewissem Maße unsympathisch auf mich wirkt. Das mag daran liegen, dass die Sprecherstimme in den Zwischensequenzen sich jünger und damit wesentlich passender zum auf Mitte 30 zu schätzenden Alter passt, als die Stimme, die zu Beginn einer Mission noch einmal die Missionsziele zusammenfasst. Auch wenn dies wohl derselbe Sprecher sein dürfte, klingt er in meinen Ohren einfach nicht sympathisch. Hinzu kommt – und das ist ein weiterer Schwachpunkt des Spiels – dass seine Mimik aus PS3-Zeiten stammen könnte. Weder Harry noch seine Mitstreiter können optisch auch nur annähernd überzeugen. Dies gilt auch für die Gegner, bei denen es allerdings in den meisten Fällen nicht so darauf ankommt, da sie einmal mehr als Kanonenfutter herhalten müssen. Denn auch wenn es mehrere Schwierigkeitsgrade gibt, bei denen die Windrichtung und anderes mehr Einfluss auf eure Schussgenauigkeit haben, verhalten sich die KI-Gegner größtenteils recht dumm. Das übliche Problem: Sie sehen euch kaum, auch wenn ihr schräg neben ihnen steht und wenn ein anderer in ihrer Nähe aus dem Hinterhalt eliminiert wird, schert es sie nur, wenn das Ganze in ihrem Sichtfeld geschieht.
Die Missionen selbst folgen dem bekannten Schema: Zunächst nehmt ihr feindliche Sniper aus dem Spiel. Dann schaut ihr mit eurem Fernglas, wo sich Feinde bewegen, wo wichtige Gegenstände wie explosive Fässer befinden und wo sich unter anderem Panzer aufhalten. Um sie alle zu besiegen, stehen euch eine Vielzahl an Waffen zur Verfügung, welche in den Arealen überall zu finden sind oder von euren Feinden fallengelassen werden, sobald ihr sie ins Jenseits befördert habt. Darüber hinaus gibt es ein großes Arsenal an Granaten, Minen, TNT und andere hilfreiche Dinge, aber auch Medikits und Verbände. Da ihr zu Beginn noch ein wenig schwächer seid und auch euer Vorratsbeutel nur einen geringeren Umfang hat, levelt ihr euer Alter Ego auf. Der „Skilltree“ ist jedoch sehr rudimentär. Punkte bekommt ihr für Kopfschüsse, für das Erreichen vorgegebener Ziele usw. Wie ihr bei dem Erreichen der Missionsziele vorgeht, bleibt euch dabei überlassen. Lieber aus dem Hinterhalt die Feinde abmurksen, durchs Gras an ihnen vorbeischleichen oder doch eher den Rambo rauslassen? Alles ist möglich, wenn ihr euch der Konsequenzen eurer Taten bewusst seid. Denn gerade letztere Vorgehensweise ruft natürlich die Unterstützung auf den Plan, sobald einer der zahlreichen Soldaten einen Alarm ausgelöst hat.
Aber es gibt auch „natürliche“ Hilfen, die auf eurer Seite sind. So gibt es eine Mission, in der euch der Donner hilft, der so laut ist, dass er feindliche Angriffe für einen kurzen Moment übertönt. In einer anderen Mission fliegt ein Jäger, der ebenfalls mit seinen Motorengeräuschen die Szenerie für einen kleinen Augenblick übertönt. Hier ist dann eure Reaktion gefragt, um eine günstige Ausgangslage für euer Vorankommen zu erschaffen.
Neu ist, dass Hawker etwas agiler ist, als sein Kollege. Zwar kann auch er manchmal – wo es das Spiel nicht will – auch an kleineren Kanten hängenbleiben und diese nicht überspringen. Andererseits ist es möglich, an gewissen Stellen zu klettern und so über Dachrinnen, Simse oder an Sträuchern nach oben zu klettern. Einen zweiten Nathan Drake solltet ihr hier natürlich nicht erwarten. Dafür könnt ihr allerdings aus so mancher brenzligen Situation auf diese Weise entkommen, könnt Gegner effektiver ausschalten oder findet hin und wieder tatsächlich nur durchs Klettern einen Zugang zu Stockwerken, die von innen versperrt sind.
Ein Wort noch zur Länge der Kampagne: Diese kann – je nach Spielweise und ob ihr alle Propagandaplakate vernichtet und andere Sekundärziele erfüllt – zwischen 10 und 12 Stunden in Anspruch nehmen.
Wer mehr will, der versucht sich im Multiplayer, wo ihr online in Schlachten mit 16 Spielern antretet, um Erfahrungspunkte, Medaillen und Orden zu verdienen. Außerdem dürft ihr mit drei anderen Spielern euch zusammenschließen und im Survival-Modus gegen Wellen von Feinden kämpfen.
Fazit: So langsam aber sicher ist bei „Sniper Elite“ die Luft raus. Auch der Wechsel zu einem neuen Protagonisten kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Reihe mittlerweile zwei Dekaden auf ihren Schultern trägt. Zwar sehen die Level nach wie vor gut aus und auch die Soundkulisse ist auf hohem Niveau angesiedelt. Doch immer dieselben Aufgaben in Abwandlung bei jedem neuen Titel, unzeitgemäße Mimik bei den Figuren und eine mittlerweile absolut überflüssige „X-Ray-Cam“ holen leider nicht mehr als ein etwas gehobeneres Mittelmaß aus dem Titel. Vielleicht sollten die Entwickler von Rebellion die Reihe einfach mal für einige Jahre auf Eis legen und sich anderen, neuen und vor allem frischen IPs widmen oder einfach mal vom Zweiten Weltkrieg als Grundsetting weggehen oder – noch besser – sich auf Schauplätze und andere Konflikte verlegen. Für Teil 7 (wenn man „Resistance“ als sechsten Ableger zählt), der mit Sicherheit kommen wird, wünsche ich mir einen deutlich besseren Ansatz als mehr vom Selben!
L. Zimmermann