Asassin's Creed: Shadows | Review (Xbox Series X)
Jahrelang haben sich Fans der Assassin's Creed-Reihe gewünscht, dass endlich ein Ableger im fernen Japan angesiedelt ist. Und dann veröffentlichte Ubisoft die allerersten Informationen zum neuen Titel „Shadows“. Doch kaum waren erste Bilder im Netz veröffentlicht, ging das große Meckern wieder einmal los: Zu woke, sagten die einen; historisch nicht korrekt, jammerten die anderen. Warum ist es eigentlich so schwer in Mode gekommen, ein Spiel im Vorfeld in der Luft zu zerreißen, bevor man es selbst in die Hände nehmen kann? Wo ist unsere positive Empathie geblieben?
Haben wir uns nicht früher einfach mal gefreut, wenn wir ein neues Spiel spielen durften und wenn es uns nicht gefallen hatte, dann mussten wir es ja nicht erwerben. Doch anstatt mal ganz gelassen zu bleiben, und die Teams von Ubisoft ihr neustes Werk entwickeln zu lassen, begann wieder einmal eine Hexenjagd sondergleichen. Und final stellten dann noch die Kolleginnen und Kollegen diverser „Fachmagazine“ die Frage, ob von Assassin’s Creed: Shadows nun der endgültige Untergang von Ubisoft als Entwickler und Publisher abhängig sei. Da packt mich als alter Spieler der C64-Zeiten ehrlich gesagt die Wut! Warum müssen verdammt noch mal Zahlen wichtiger sein als alles andere? Warum müssen Spiele permanent verglichen werden und was soll dieser hasserfüllte Spießrutenlauf, dem sich die Entwickler jetzt ausgesetzt sehen, sodass von Ubisoft Schutz geboten werden muss, um die Entwickler vor sogenannten „Fans“ und Kritikern zu schützen? Das Einzige, was ihr damit erreichen werdet, ist, dass bald niemand mehr Lust hat, neue Spiele zu entwickeln, weil die Angst zu groß ist oder die Gefahr, mit dem nächsten Spiel, in dem natürlich enorm viel Herzblut steckt, sich erneut einem gigantischen Shitstorm auszusetzen!? Das hat künftig entweder zur Folge, dass Spiele nur noch in den Ländern entwickelt werden, die – auf gut Deutsch – auf Menschenrechte scheißen oder aber, dass Spiele nur noch von KI programmiert wird, da es Maschinen egal sein kann, was mit ihrem Produkt passiert. Aber mal ehrlich: Wollen wir beides? Wir jedenfalls nicht.
So. Das musste mal raus. Sorry. Und nun, da die Wut ein wenig abgeklungen ist, widmen wir uns dem, was unser aller Hobby ist: Dem Spielen und schauen, wie Assassin’s Creed: Shadows geworden ist.
Ein neues Duo
Nachdem die Serie einst mit Altaïr Ibn-La'Ahad und Ezio Auditore da Firenze die männlichen Helden in den Fokus stellte, und auch die nachfolgenden Teile auf das vermeintlich „starke Geschlecht“ setzte, konnten wir Fans 2015 mit dem Geschwisterpaar Jacob und Evie Frye endlich eine Protagonistin spielen. Auch in „Odyssey“ war dies möglich. Mit dem neu erschienenen Titel „AC Shadows“ gibt es zwei Charaktere, die ebenfalls von euch gespielt und unterschiedlicher nicht sein könnten. Da wäre auf der einen Seite Yasuke, ein Samurai, der quasi eine Ein-Mann-Armee ist, und um den sich historische Legenden bilden, ob es ihn überhaupt gegeben hat und Naoe, einer weiblichen Ninja-Kriegerin, die dem klassischen Heldenbild vergangener AC-Spielen entspricht. Mit Angriffen und Attentaten aus dem Verborgenen, Schleicheinlagen und waghalsigen Parcours-Läufen bietet sie euch genau das, was ihr bei den vergangenen Titeln möglicherweise schmerzhaft vermisst habt. Das Schöne: Beide Figuren haben ihre eigene Story und können im Spiel von euch gewechselt werden. Wir in der Redaktion haben mehrheitlich lieber mit Naoe gespielt, auch wenn Yasuke ganz klar die Gegner besser zerlegt hat. Dass sich Ubisoft mit der Entfaltung der Charaktere enorm viel Zeit nimmt, ist ein Plus, das man eigentlich nicht groß genug schreiben kann, nehmen sich doch viele Mitbewerber überhaupt keine Zeit mehr, und lassen das Mitfühlen mit den Figuren so außen vor. Nicht so das neue Assassin's Creed. Aber auch in Sachen Gewaltdarstellung geht der Titel absolut nicht zimperlich um. Da werden Gegner geköpft, spritzt das Blut ordentlich aus offenen Wunden und fährt die Kamera hier und dort - wenn auch nur für wenige Sekunden - etwas näher ans Geschehen. Kein Wunder, dass Shadows eine Ab 18-Freigabe erhalten hat.
Neues und Bekanntes - ein gelungener Mix
Viele Elemente haben die Entwickler natürlich aus den Vorgängern behalten. So gibt es verschiedene Personen, welche ihr nach und nach ausschalten müsst, um euch am Tod eures Vaters zu rächen (im Fall von Naoe) und die Vergangenheit hinter euch zu lassen (im Fall von Yasuke). Bis dahin ist es natürlich ein weiter Weg und zahlreiche Quests müssen erledigt werden bzw. die Charaktere aufgelevelt und die Waffen verbessert. Das alles ist bekannt und mal mehr, mal weniger gut inszeniert und geschrieben. Sicher: Die Story verdient sich keinen Pulitzerpreis. Dennoch ist gerade Naoes Hintergrundgeschichte emotional gut geschrieben worden.
Neben dem eigentlichen klassischen Spiel gilt es, eure Basis aufzubauen. So könnt ihr unter anderem eine Schmiede, einen Stall, ein Verwaltungsgebäude und anderes mehr errichten, um unter anderem Späher für euch zu rekrutieren. Diese finden dann Gegner oder greifen auf Knopfdruck in die Kämpfe ein. Apropos Kämpfe: Diese sind gegen Standard-Gegner kaum fordernd, da die KI sich nicht allzu clever anstellt. Doch auf höherer Schwierigkeitsstufe und gegen größere Gegner kommt ihr schnell ins Schwitzen, zumal hier Blocken und Ausweichen großgeschrieben werden.
Was uns allerdings besonders gut gefallen hat, sind zwei andere Dinge. Da wäre zum einen lobend zu erwähnen, dass Ubisoft endlich von seiner in die Jahre gekommenen Formel ablässt, alles mit Aufgaben, Fragezeichen und anderen Dingen auf der Karte vollzupflastern. Natürlich gibt es diese nach wie vor und auch Banditenlager sind vorhanden. Aber nichts davon ist ein Muss oder man fühlt sich erschöpft an, weil man das Gefühl hat, etwas zu verpassen, wenn man es nicht erledigt hat. Das Meiste davon ist ein „kann“. Auch das Erklimmen von Aussichtspunkten ist optional. Ein wenig anstrengend ist hingegen, dass sämtliche Zielpersonen zunächst einmal gefunden werden müssen und es dafür rudimentäre Anhaltspunkte gibt. Manche NPCs lassen sich leichter finden, bei anderen hingegen kann es – trotz Späher – schon ein wenig nervig sein.
Der zweite Aspekt, den wir loben, ist die audiovisuelle Kulisse. Optisch ist das, was Ubisoft hier auf den Bildschirm zaubert, das beste AC aller Zeiten geworden. Daran besteht absolut kein Zweifel. Egal ob auf der Xbox Series X, die wir als Test-Konsole genutzt haben oder auch auf der PS5 (Pro) sieht der Titel einfach nur toll aus. Die Landschaften sind ein Traum und laden zum Erkunden und genießen ein. Die Gebäude und die Bevölkerung geben uns ein Gefühl, wie es im Japan des 16. Jahrhunderts zur Sengoku-Zeit ausgesehen haben könnte. Ja: Manches wirkt generisch und oftmals kommen die Städte einem aus anderen AC-Titeln her bekannt vor. Dennoch wirkt alles wie aus einem Guss und auch die Sprachausgabe ist rundum gelungen. Egal ob die beiden Protagonisten oder die zahlreichen NPCS: Nahezu alle Figuren hinterlassen in der lokalisierten Fassung einen guten Eindruck.
Hinzu kommt eine unglaublich dichte Soundkulisse. Wenn ihr durch die Landschaften streift, hört ihr überall ein Surren von Libellen, das Quaken von Fröschen, Blöken von Ziegen und den Wind durch Büsche und Bäume rauschen. Die dichte Vegetation, die malerischen Szenarien, das wechselnde Wetter nebst Jahreszeiten (in der übrigens alle Standard-Feinde wieder vorhanden sind) und die unglaublichen Panoramen machen Lust auf einen Besuch in Japan zur Zeit der Kirschblüte.
Last but not least hat sich Ubisoft noch dazu entschieden, den Teil der Gegenwart noch deutlicher zurückzuschrauben und uns nicht mehr groß mit dem Animus zu belästigen. Als Fan „glatter“ Spiele, die ohne Brüche daherkommen, begrüße ich diese Entscheidung.
Fazit: Assassin's Creed: Shadows ist für mich ein weiterer Schritt der Reihe in die richtige Richtung. Natürlich können „Kritiker“ wieder nörgeln und dieses und jenes den Entwicklern vorhalten. Für mich ist hier durchaus frischer Wind zu spüren, der jenseits des typischen Mainstream-AC der vergangenen Jahre wieder richtig Spaß macht. Daher werde ich mich jetzt erneut für einige Stunden ins feudale Japan begeben und freue mich danach schon auf „AC Hexe“, das uns aller Voraussicht nach ins mittelalterliche (oder frühneuzeitliche) Deutschland führen wird.
U. Sperling