South of Midnight | Review (Xbox Series X)
Der Süden der USA ist ein Gebiet, in dem das Übernatürliche, der Glaube an Voodoo und Okkultismus noch immer einen hohen Stellenwert besitzt. Westafrikanische Sklaven brachten Voodoo nach Louisiana. Die französischen Kolonialherren verboten die Ausübung des Voodoo und führten den Katholizismus als offizielle Religion ein.
Nach dem Sklavenaufstand von 1791 kamen Anhänger der Bewegung aus Haiti nach New Orleans. Voodoo-Priesterinnen wie Marie Laveau prägten die Vermischung von Elementen des Katholizismus mit dem Voodoo-Glauben. Bis heute ist vor allem New Orleans das US-amerikanische Zentrum der Voodoo-Religion.
Genau in diesem Schnittpunkt zwischen realer Welt, Spiritualität und Übersinnlichem ist die Geschichte von „South of Midnight“ aus dem Hause Compulsion Games angesiedelt. Ihr schlüpft in die Rolle von Hazel Flood, die mit ihrer Mutter in einem Haus in der fiktiven Stadt Prospero lebt. Hazels Vater ist bereits vor Jahren gestorben. Die Geschichte beginnt direkt mit einem emotionalen Opener – einem aufziehenden Hurrikan. Dieses zerstörerische Naturphänomen ist im Alltag der Menschen des Südens ebenfalls fest verankert und bietet somit einen hohen Identifikationswert. Aber auch alle anderen können sich vermutlich die zerstörerische Kraft eines Hurrikans vorstellen.
Hazel ist in der Einführungssequenz damit befasst, ihre Tasche zu packen, um mit ihrer Mutter sich in Sicherheit zu bringen. Doch ihre Mutter kommt aufgrund der Widrigkeiten später als es Hazel recht ist. Mitten in die Konfrontation mit den Naturgewalten bricht sich ein Konflikt zwischen Mutter und Tochter Bahn, der darin endet, dass Hazel aus dem Haus läuft, um nach den Nachbarn zu schauen. Gerade als sich Hazel zurück zu ihrer Mutter begeben will, sieht sie, wie die Fluten und der Sturm das gemeinsame Haus hinfort reißen mitsamt Hazels Mutter. Von diesem Moment an ist für Hazel nichts mehr so, wie es war. Nicht nur, dass ihre Mutter vor ihren Augen verschwindet, auf der Suche kommt es zu jeder Menge skurriler und surrealer Momente, die Hazel verwirren und alte Wunden aufreißen werden. Während ihrer Suche nach ihrer Mutter werden magische Fähigkeiten in Hazel wach, da sie eine sogenannte Weberin ist, die die Welt mit ihren Fähigkeiten zusammenhält. Und so macht ihr euch gemeinsam mit Hazel auf, die ihr bekannte Welt wieder in Ordnung zu bringen, ihre Mutter zu finden und sich mit ihren Traumata auseinanderzusetzen.
Dass die Entwickler hier sehr emotionale Töne anschlagen, wird bereits in den ersten Minuten deutlich. Denn der Sturm tobt nicht nur in der äußeren Welt, sondern auch in Hazel und den Menschen um sie herum. So entsteht ein Mix aus realen und surrealen Momenten, in denen sie gegen Monster kämpft und sich (ihren) Dämonen stellt. Die Themen, die dabei angesprochen werden, sind stellenweise nicht leicht zu verdauen, sodass der Titel sich auch ganz klar an die Älteren richtet. Leider reihen sich die emotionalen Momente mit einer großen Schnelligkeit und Dichte aneinander, was an einigen Stellen überfordernd wirkt.
Atmosphärisches Brett
Neben der – leider nur in Englisch mit deutschen Untertiteln erzählten – Story ist vor allem die Gestaltung der Spielwelt ein Highlight des Spiels. Hier sind immer wieder Elemente zu finden, bei denen man sich als Spieler fragt, ob diese nun aus den Traumata erwachsen, aus dem tiefverwurzelten (Voodoo-) Glauben der Menschen im Süden oder ein Stück Realität sind. Was ebenfalls zu diesem ganz besonderen Look zählt, ist die Stop-Motion-Technologie, welche hier zum Einsatz kommt. Zwar sorgt sie dafür, dass manche Animationen ein wenig hakeliger wirken und die Gesichter – im positiven Sinn – ein wenig an geschnitzte Marionetten erinnern. Doch irgendwie passt genau diese Technik zur surrealen Atmosphäre des Spiels.
Ergänzt wird die unheilvolle Atmosphäre durch einen fantastischen Soundtrack, der in jeder Spielminute absolut passend ist und das Geschehen auf dem Bildschirm stimmungsvoll ergänzt.
Warum muss man kämpfen?
Eigentlich würde es reichen, wenn sich die Entwickler auf die Story konzentrieren. Hier hätten lieber noch mehr Rätsel eingebaut werden können, um die Welt des Südens und ihrer spirituellen Kultur näherzubringen. Doch leider müsst ihr immer wieder Kämpfe gegen Monster und seltsame Kreaturen austragen, was nicht wirklich Spaß macht. So gelangt ihr immer wieder in abgesteckte Arenen, in denen ihr mehrere Gegner mit starken und schwachen Attacken angreift, ausweicht und euch vor besonderen Attacken schützt. Leider funktioniert das Ganze nicht immer präzise und ist auch eher eine lästige Pflicht als spannende Ergänzung des ansonsten tollen Spiels. Auch die Bosskämpfe, von denen es nur einige gibt, können da nichts reißen. Leider ist das Spiel recht wiederholungsanfällig und bietet wenig jenseits der vorgegebenen linearen Level innerhalb der kleinen Areale.
Fazit: Mit „South of Midnight“ haben die Entwickler von Compulsion Games ein emotional berührendes Spiel geschaffen, das euch von der ersten bis zur letzten Spielminute packen wird. Der audiovisuelle Stil kann dabei ebenso punkten, die die Story selbst. Schade, dass die Entwickler zu viel auf Kämpfe setzen, die nicht wirklich zu begeistern wissen und repetitiv sind und dass es keine deutsche Sprachausgabe gibt. Da der Titel auch im Gamepass der Xbox vorhanden ist, solltet ihr auf jeden Fall ein Auge auf „South of Midnight“ werfen.
Wir bedanken uns bei dem Entwickler für das zur Verfügung gestellte Testexemplar.
U. Sperling