The First Berserker: Khazan | Review (PS5)
„Nanu… was ist denn da los? Ein weißer Hauptcharakter? Und dann auch noch mit Bauchmuskeln, so gewaltig und so ausgeprägt, dass sich zwischen ihnen ganze Zivilisationen ansiedeln könnten? Und obendrein noch nicht einmal ein einziger nicht-binärer NPC?? Das klingt ja nach einem Relikt aus längst vergangener Zeit und nicht nach einem Videospiel aus dem Jahre 2025…“ Das waren so meine Gedanken, die mir während des Zockens durch den Schädel blitzten. Mittlerweile habe ich das Spiel zu etwa 75 % durchgespielt und bin seit der ersten Sekunde schwer begeistert. Und dabei mag ich noch nicht einmal Souls-likes. Aber langsam, erst ein Schritt nach dem nächsten.
Als ich gefragt wurde, ob ich „Khazan: The First Berserker“ spielen möchte, hatte ich zuvor noch nie etwas von dem Spiel gehört. Also googelte ich schnell und schaute mir ein paar YouTube-Videos an. Ich fand die Grafik äußerst ansprechend (ja, der Anime-Stil im Cell-Shading-Look ist Geschmacksache, mir gefällt er jedenfalls sehr gut), war aber zunächst noch skeptisch, weil ich mit Souls-Likes bis dato überhaupt nichts anfangen konnte. Grund: Ich, als Vater von zwei kleinen Kindern, die sich 24/7 an die Gurgel gehen, kenne zahlreiche andere Strategien, sich das Nervenkostüm zu zertrümmern, das muss ich dann nicht zusätzlich an der PlayStation haben. Bis mir dann aber gesagt wurde, das Spiel besäße einen Easy-Modus. Und da schnappte die Falle zu, und ich bin regelrecht süchtig nach diesem bunten Nonstop-Schlachtfest. Ja, richtig gelesen: Ich spiele das Spiel auf Easy! Und stellt euch mal vor: Ich sterbe dennoch des Öfteren an Boss-Gegnern oder während des Levelfortschritts. Kennt ihr solche Menschen, wenn ihr über Serien redet und diese Typen in ihrer salomonischen Weisheit die Mutter aller Klugscheißer-Sätze rausschmettern: „Gute Serie, aber musste auf Englisch gucken!“, weil mittlerweile 90 % aller in Deutschland lebenden Menschen plötzlich auch English native speaker sind? Wenn ihr solche Menschen kennt, haben sie mit Sicherheit irgendwo einen Blutsverwandten, der euch auf ähnlich sympathische Art und Weise verklickern wollen wird, dass man Khazan auf normal zu spielen hat. Sofern euch aber das Mimimieren ebenjener kaltlässt und ihr euch absichtlich eurer Würde entledigen könnt, wird Khazan genau das richtige für diejenigen sein, die vorher herzlich wenig mit Souls-Likes anfangen konnten. Aber wieso denn nur? Angefangen mit der Story: Der Plot beginnt damit, dass ein gefeierter General, der sein Land vor einer Katastrophe bewahrte, des Verrates bezichtigt wird und in den Bergen nach langer Folter hingerichtet werden soll. Da kommt es gerade recht, dass ein Dämon andere Pläne hat und sich mit dem namensgebenden Protagonisten des Spiels zusammentut. Gemeinsam befreien sie sich und dürsten nach Rache. Was anfangs nach einer Story klingt, die man hunderte Male schon mal gesehen und gehört hat, entpuppt sie sich im Verlauf des Spiels als gut gestaltete Idee mit tollen Charakteren. Teils überzeugende Dialoge und Schriftstücke, die wirklich gut geschrieben wurden, liefern Ausblicke auf Vergangenes und machen Lust auf mehr. Der Fokus wird dabei nicht aus den Augen verloren. Und der Fokus liegt hier auf dem Gameplay: Ihr werdet nicht in eine offene Welt wie in einer großen Franchise geschmissen, in der sich seit Teil 3 nichts außer der Location ändert. Ihr habt keine Karte. Die Levels sind „schlauchartig“ gehalten, ohne großen Schnickschnack.
Der Fokus liegt hier auf der Produktion von Geschnetzeltem. Ihr rüstet eine von drei Waffenarten aus und metzelt euch euren Weg durch die Gegnerhorden frei. Am Ende wartet ein mal schwererer, mal leichterer Endgegner. Besiegte Gegner lassen Lacrima (die Seelen-Währung des Spiels) fallen, womit ihr euren Charakter aufwerten könnt. Im Verlauf der Story schaltet ihr dann Nebenmissionen frei, in denen ihr dann weitere Funktionen im Spiel wiederum freischalten könnt, wie zum Beispiel das Aufwerten und Bearbeiten von Waffen und Rüstungen. Die Anzahl der Neumissionen bleibt dabei aber stets überschaubar. Schlussendlich kann man sagen: Ihr müsst halt wissen, worauf ihr euch einlasst. Man könnte meinen, das Game wird mit der Zeit repetitiv, das immer demselben Schema folgt: Mission X, Schlauch-Design-Level folgen, Gegner humorlos vermöbeln und am Ende dem Endgegner zeigen, wer der Babo ist. Aber angesichts der sich ständig ändernden Location und der im Hintergrund sich zuspitzenden Story hat mich das herzlich wenig gestört. Und die eine Sache, über die ihr euch klar sein müsst: Ihr werdet sterben. Auch auf easy. Und wenn ihr dann mal gestorben seid, sind alle Gegner wieder da und der Abschnitt beginnt von vorn. Das kann ab und an mühsam sein. Und die Endgegner haben es teilweise in sich.
Wenn ihr euch aber auf genau das einlassen könnt, bekommt ihr ein Spiel, was sich auf eine veraltete Kernidee früherer Videospiel-Generationen fokussiert: Unterhaltung. Es gibt keinen moralischen Fingerzeig, keine zum Erbrechen überzeichnete politische Korrektheit, keinen Erziehungsgedanken und ebenso keine Diversitätsschablone, durch die man das Spiel pressen musste, um ja niemanden zu verletzen oder zu diskriminieren (Danke und Ruhe in Frieden, Dragon Age!). Ihr bekommt bildschöne Gewalt (paradox, hm?) und knackige Kämpfe, die eure Geschicklichkeit und eure Geduld auf eine Probe stellen werden, und insgesamt ein Spiel, das durchaus seine Pforten nicht nur für eingefleischte Souls-Veteranen, sondern auch für neugierige Neulinge öffnet und stundenlangen Spaß liefert. Auch auf easy.