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| Marc Heiland | Konsolen

Ready or Not 0Ready or Not ist kein Spiel für zwischendurch. Kein Titel, den man „mal eben eine Runde“ zockt. Kein klassischer Shooter, der mit Explosionen, Bullet-Time oder Arcade-Spektakel punkten will. Wer sich mit dem Taktik-Shooter von VOID Interactive einlässt, bekommt ein raues, forderndes und über weite Strecken zutiefst ernstes Erlebnis – und muss bereit sein, sich dem urbanen Wahnsinn mit klarem Kopf zu stellen. Wir haben die Xbox Series X-Version getestet und verraten, warum sich hinter der düsteren SWAT-Fassade mehr verbirgt als ein weiterer Realismus-Shooter.

Ein Shooter, der keiner sein will
Schon die ersten Minuten in Ready or Not machen deutlich: Hier geht es nicht um Heldentum oder Kills. Stattdessen schlüpfen wir in die Haut eines Elite-Polizisten des fiktiven Los Sueños Police Department – einer Stadt am Abgrund. Bombendrohungen, Drogenlabore, Geiselnahmen, Kinderschänder, Terrorzellen – jeder Einsatz könnte aus einer „True Crime“-Doku stammen. Die Missionen fühlen sich beklemmend real an, die Atmosphäre ist dicht, die Szenarien verstörend – ganz bewusst.Doch genau das macht die Stärke des Spiels aus: Es verweigert sich dem Spektakel. Stattdessen zwingt es uns, permanent abzuwägen, zu beobachten, zu analysieren. Wer blindlings stürmt, riskiert Zivilopfer, Teamverluste und Strafpunkte. Jeder Fehler hat Konsequenzen. Diese Konsequenz im Design ist es, die Ready or Not von vielen Genrevertretern abhebt.

Taktik statt Tempo
Im Zentrum des Gameplays steht die taktische Planung. Jeder Raum kann eine tödliche Falle sein, jede Tür ein Risiko. Mit Tools wie Türspiegeln, Türkeilen, Blendgranaten und Brechstangen können wir uns schrittweise vorarbeiten – vorausgesetzt, wir gehen systematisch vor. Besonders auf Konsole ist das nicht immer einfach, denn das komplexe Steuerungsschema verlangt Geduld und Übung. Viele Aktionen sind auf doppelte Tastenkombinationen gelegt, das Kontextmenü ist tief verschachtelt, und kleine Schriftarten machen die Übersicht nicht leichter. Trotzdem: Hat man sich erst einmal in die Steuerung eingefuchst, entfaltet Ready or Not sein volles Potenzial. Jede Waffe – vom Sturmgewehr bis zur Schrotflinte – fühlt sich anders an, Rückstoßverhalten und Präzision beeinflussen das Vorgehen maßgeblich. Und: Das Spiel bestraft nicht nur Unachtsamkeit, sondern belohnt saubere Taktik. Wer klug vorgeht, Räume sichert, Gegner entwaffnet und Zivilisten rettet, wird mit Punkten, Lob – und einem echten Gefühl der Erleichterung belohnt.

Kein Lärm, viel Spannung
Bemerkenswert ist, wie intensiv Ready or Not gerade in den Momenten ist, in denen nichts passiert. Wenn wir mit angehaltenem Atem vor einer Tür stehen, hinter der vielleicht ein Geiselnehmer lauert. Wenn ein Verdächtiger plötzlich kapituliert oder eine panische Geisel kreischt – und wir nicht wissen, ob es eine Falle ist. Solche Situationen erzeugen eine Form von Spannung, wie sie sonst eher im Horror-Genre zu finden ist. Dabei verzichtet das Spiel fast vollständig auf Jump Scares oder gescriptete Schockmomente. Die Anspannung ist das Resultat der Spielmechanik – und das ist bemerkenswert.

Ready or Not TeaserDie Stärke liegt im Team
Trotz funktionierender KI (die Teammitglieder befehligen lässt und in vielen Situationen solide agiert), ist Ready or Not ganz klar auf Koop ausgelegt. Erst im Zusammenspiel mit anderen Spielern – idealerweise per Headset – wird aus der spannenden Simulation ein mitreißendes Erlebnis. Zugriffe koordinieren, Räume gemeinsam sichern, Verdächtige überwältigen: Im Koop mit einem eingespielten Team fühlt sich Ready or Not schlichtweg großartig an. Leider offenbarte der Testzeitraum auf Xbox ein echtes Problem: Der Multiplayer war nahezu verwaist. Kein Matchmaking, keine öffentlichen Lobbys – kurz: kein Online-Spiel. Das dürfte sich mit dem breiteren Launch bessern, ist aber aktuell ein dicker Wermutstropfen.

Solide Technik, verschenktes Potenzial
Technisch liefert die Xbox Series X-Version eine überwiegend stabile Erfahrung. Das Spiel läuft mit konstanten 60 FPS, Ladezeiten sind kurz, das Waffenhandling präzise. Besonders das Sounddesign ragt heraus: Türen krachen, Schüsse hallen druckvoll durch enge Flure, das Schreien von Zivilisten und Tätern geht unter die Haut – selten klang ein Spiel so authentisch beklemmend. Optisch zeigt sich Ready or Not hingegen wechselhaft. Während Waffenmodelle und Umgebungsdetails überzeugen, wirken die Gesichtsanimationen der Zivilisten wie aus einem anderen Jahrzehnt. Auch das Leveldesign schwankt zwischen spannender Enge und belangloser Leere. Und die Polizeizentrale – der eigentliche Hub des Spiels – wirkt erschreckend leer. Keine Interaktionen, keine echte Progression, kaum Atmosphäre. Hier wurde offensichtlich Potenzial verschenkt.

Ambitionierte Ansätze, halbe Umsetzung
Ein Beispiel dafür ist das angedeutete psychische Belastungssystem: Wer im Einsatz „überfordert“ ist, wird krankgeschrieben – doch echte Auswirkungen hat das kaum. Es fehlt an erzählerischer Tiefe, an Beziehung zum Team, an strategischen Konsequenzen. Vieles wirkt hier wie ein guter Gedanke, der nie zu Ende gedacht wurde. Das gilt auch für die Rollenspiel-Elemente. Loadouts lassen sich zwar anpassen, aber echte Entscheidungen, die langfristig Gewicht haben, sucht man vergeblich. Das ist schade, denn gerade bei einem Spiel, das sich mit der dunklen Realität von Polizeiarbeit auseinandersetzt, wäre eine stärkere emotionale Bindung zum Team Gold wert gewesen.

Reifer Umgang mit brisantem Thema
Die Themen, die Ready or Not behandelt, sind nichts für Zartbesaitete: Gewaltverbrechen, Menschenhandel, Terror, Kindesmissbrauch. Der Entwickler selbst richtet sich mit deutlicher Warnung an erwachsene Spieler – und das zu Recht. Doch lobenswert ist: Das Spiel glorifiziert nichts. Täter sind keine Antihelden, Gewalt ist nie ästhetisiert. Stattdessen herrscht ein respektvoller, dokumentarischer Ton. Ready or Not zeigt die Komplexität und die moralischen Abgründe echter Polizeiarbeit – ohne sie zu verharmlosen oder zu dramatisieren.

Fazit: Zwischen Präzision und Potential
Ready or Not ist ein mutiger, intensiver und teils großartiger Taktik-Shooter, der vor allem eines verlangt: Geduld. Wer sich auf das langsame Tempo, die fordernde Steuerung 8und das realistische Szenario einlässt, bekommt ein Erlebnis, das sich deutlich von der Masse abhebt.Es ist kein Spiel für jedermann – aber eines für Spielerinnen und Spieler, die echte Herausforderung, taktische Tiefe und Authentizität suchen. Noch fehlt es an Feinschliff, an Community auf der Xbox und an erzählerischer Tiefe. Doch das, was schon da ist, überzeugt in seiner Konsequenz.

Wir bedanken uns bei den Entwicklern für das zur Verfügung gestellte Testexemplar.

Beitrag: Coralie H.

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